Jean-François Martin/Ricore Text
Mick Jagger (auf der Berlinale 2008)
'In den 1960ern wurden wir verarscht'
Interview: Mick Jagger über "Vinyl"
"Vinyl" ist eines der vielversprechendsten Fernseh-Projekte des Fernsehjahres. Die HBO-Serie gibt einen Einblick ins Musikgeschäft der 1970er Jahre, als die Musik noch aus Schallplatten dröhnte und die Jugend sich das Motto 'Sex, Drugs and Rock'n'Roll' auf die Fahne schrieb. Die Idee dazu hatte kein geringerer als die Ikone jener Zeit schlechthin. Deshalb ist es kein Zufall, dass Mick Jagger bei der Serie auch als Produzent fungiert. Im Interview mit Filmreporter.de ist der Musiker per Satellit zugeschaltet und berichtet über das Musikbusiness, Vinylplatten - die derzeit ja ein Revival erleben - und Martin Scorsese. Der Regisseur hat die Pilotfolge von "Vinyl" inszeniert. Außerdem verrät uns Jagger, was seine erste Schallplatte war.
erschienen am 5. 05. 2016
Warner Music Group
The Very Best of Mick Jagger (Album-Cover)
In den 1960ern wurden wir richtig verarscht
Ricore: Die Rockmusik wird immer wieder für tot erklärt. Glauben Sie, eine Serie wie "Vinyl" kann diese Musikgattung retten?

Mick Jagger: Ich habe keine Ahnung. Ich weiß nur, dass "Vinyl" eine tolle Serie ist und ein tolles Drama.

Ricore: Als Künstler sind Sie seit Jahrzehnten eine feste Größe im Musikgeschäft. Wie viel Einblick haben Sie in den geschäftlichen Teil der Branche?

Jagger: Aus meiner Zeit mit den Rolling Stones habe ich natürlich viel mitgekriegt. In den 1960ern wurden wir richtig verarscht. Ich lernte viel darüber, wer wen bezahlt und wer wen bescheißt.

Ricore: Wie wurde die Musik für "Vinyl" ausgewählt?

Jagger: Das fing mit mir und Marty an. Für die fiktionale Musik war der Mann aus der Musikabteilung zuständig. Denn es gibt auch Songs, die extra für die Serie komponiert werden.

Ricore: Was fanden Sie besonders faszinierend bei der Arbeit an "Vinyl"?

Jagger: Die Mischung aus neuer und alter Musik. Und die Kombination aus echten und erfundenen Charakteren. Es prallen Größen wie David Bowie und Led Zeppelin auf fiktionale Menschen. Das finde ich sehr interessant.
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Mick Jagger
Mick Jagger: Ich höre keine Vinylplatten
Ricore: Vinyl feiert derzeit ein Comeback. Ist es ein vorübergehendes Hipster-Phänomen oder eine Dauererscheinung?

Jagger: Ich persönlich höre keine Vinylplatten, aber meine Kinder lieben sie. Insofern denke ich, dass das ein Hipster-Ding ist.

Ricore: Sie sind bis heute kreativ geblieben. Was ist hier Geheimnis?

Jagger: Man muss am Leben bleiben, am Ball bleiben. Das ist wichtig. Zu viele Künstler klinken sich irgendwann aus. Ich genieße noch immer sehr, was ich mache.

Ricore: Der Blues hatte in Ihrer Anfangszeit einen großen Einfluss auf Sie. Prägt er Sie noch immer?

Jagger: Es gibt viel Blues in der Serie. Am Anfang haben wir diesen Charakter, der in seinem Herzen den Blues trägt. Genau wie ich. Mein Blues hat in dieser Geschichte überlebt. Ich finde es schön, dass es den Blues noch gibt.

Ricore: Was schätzen Sie an Martin Scorsese?

Jagger: Er hat einen sehr guten Musikgeschmack. Er war einer der ersten, der den Rock 'n' Roll ins Kino gebracht hat. Er hat den Musikeinsatz, an den wir uns langsam gewöhnt haben, quasi erfunden. Ich habe die Filme, die er seit den 1970er Jahren macht, immer sehr bewundert. Wir haben bereits vorher zusammengearbeitet. Wir hatten nie Probleme, uns zu verständigen, obwohl wir aus unterschiedlichen Ecken der Unterhaltungswelt kommen.
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Mick Jagger
Ich wollte, dass sich James mit der Serie wohlfühlt
Ricore: Können Sie sich noch an Ihr erstes Konzert und Ihre erste Schallplatte erinnern?

Jagger: Meine ersten Konzerte waren Buddy Holly in London und John Lee Hooker. "Teenage Love" von Frankie Lymon war die erste Platte, die ich gekauft habe. Ich kann sie noch immer fühlen.

Ricore: Gibt es von den Rolling Stones demnächst wieder was zu hören?

Jagger: Wir gehen demnächst auf Tour in Südamerika. Ich freue mich schon darauf.

Ricore: Ihr Sohn James spielt ebenfalls in "Vinyl" mit. Haben Sie ihm irgendwelche Ratschläge erteilt?

Jagger: Nicht wirklich. Ich wollte, dass er sich mit der Serie wohlfühlt. Ich habe mich mit ihm ein bisschen über den zeitlichen Hintergrund und die Geisteshaltung in jener Ära unterhalten.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch
erschienen am 5. Mai 2016
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Der britische Musiker Mick Jagger ist Frontman der Rockband The Rolling Stones, die er 1960 mit dem Gitarristen Keith Richards gründet. Jagger wird zu einem der berühmtesten und erfolgreichsten Rocksänger der Musikgeschichte. Die Erfolgswelle der Stones hält bis heute an. In den 1980er Jahren startet Jagger zudem eine Solokarriere und engagiert sich als Produzent und Darsteller. Seit seinem Filmdebüt, der Filmdokumentation "Popcorn" (1969), engagiert er sich immer wieder auch bei der..
2024