Malerie Marder and Les Films du Worso/LGM Cinéma
Isabelle Huppert auf der Berliner premiere von "Valley of Love - Tal der Liebe"
Sinnsuche im Death Valley
Interview: Isabelle Huppert im Tal der Liebe
In "Der Loulou" standen Isabelle Huppert und Gérard Depardieu 1980 das erste Mal gemeinsam vor der Kamera. Ein Wiedersehen gibt es für die beiden französischen Stars in Guillaume Nicloux' Drama "Valley of Love - Tal der Liebe". Darin spielen die beiden ein seit Jahren geschiedenes Schauspielpaar, deren Sohn Selbstmord begangen hat und sie quasi testamentarisch ins Death Valley bestellt. Wir wollten von Isabelle Huppert bei unserem Gespräch in Berlin wissen, wie sie die Hitze ertragen hat und wie Gérard Depardieu mit den Parallelen zu seiner Vater-Sohn-Beziehung klar kam.
erschienen am 21. 01. 2016
Malerie Marder and Les Films du Worso/LGM Cinéma
Isabelle Huppert mit Regisseur Guillaume Nicloux
Intime Erfahrung?
Ricore Text: Gérard Depardieu unterschreibt ein Autogramm im Film mit Robert De Niro. Welche Kollegin würden Sie wählen?

Isabelle Huppert: Oh, darüber habe ich nie nachgedacht. Vielleicht Greta Garbo oder eine andere Schauspielerin aus der Vergangenheit.

Ricore: In "Lauter als Bomben" spielen Sie eine Fotografin, die Selbstmord begeht, jetzt eine Mutter, die mit dem Suizid ihres Sohnes konfrontiert ist. Zufall?

Huppert: Auch der Name beider Frauen ist Isabelle. Weitere Gemeinsamkeiten zwischen den Filmen sind unübersehbar. Der plötzliche Tod eines Familienangehörigen bringt die Handlung in Schwung und bestimmt den Subtext. Beide Filme zeigen, wie Familien mit Verlust und Trauer umgehen.

Ricore: Hatte Sie Regisseur Guillaume Nicloux im Hinterkopf als er Isabelles Charakter schrieb?

Huppert: Ich denke schon. Ich hatte mich vor Gérard verpflichtet, bei dem nicht sicher war, ob er zusagt. Mich faszinierte die Aussicht auf diese Sinnsuche im Death Valley sofort. Zwei Menschen alleine in der Einöde, da war mir fast egal, was sie sagen und erleben. Eine sehr intime Erfahrung schien möglich.

Ricore: Für Sie beide ist es der zweite gemeinsame Film nach Jahrzehnten?

Huppert: Trotzdem war dieses gewisse Knistern zwischen uns sofort präsent. Als wir anfingen zu drehen, stellte sich die Intimität sofort wieder ein.

Ricore: Kannten Sie das Death Valley?

Huppert: Ich war dort als Tourist im heißen August, es war wie ein Inferno. Mich beschlich in der Wüste ein Gefühl der Hilflosigkeit, weil man unter diesen extremen Bedingungen nicht lange überlebt. Alles ist heiß, selbst in der Nacht kann keiner der Hitze entfliehen. Diese extremen klimatischen Bedingungen schufen eine ideale Spielatmosphäre für uns Schauspieler.
Malerie Marder and Les Films du Worso/LGM Cinéma
Ist Isabelle Huppert wirklich im Valley of Love, im Tal der Liebe?
Isabelle Huppert: jedes Schauspiel ist Improvisation
Ricore: In der Sie improvisieren konnten?

Huppert: Nein, das Buch war sehr präzise und wir haben kaum ein Wort verändert. Aber jedes Schauspiel ist Improvisation, wie mein guter Freunde Robert Wilson nicht müde wird zu betonen. Ich improvisiere in jeder Sekunde, weil ich nicht weiß, was meine Partner machen werden.

Ricore: Unterschreiben Sie die Feststellung des Films, Menschen, die sich wirklich lieben, werden sich für immer lieben?

Huppert: Sie meinen Mann und Frauen oder Männer und Männer? Ich habe keine Ahnung, ob sich diese These verallgemeinern lässt. Jeder soll leben, wie er will.

Ricore: Glauben Sie an die Möglichkeit, mit Toten ins Zwiegespräch zu kommen?

Huppert: Diese Frage ist mir zu persönlich und intim. Jeder Mensch muss seine Form der Spiritualität finden, dem einen gelingt das in der Musik, einem anderen bei der Betrachtung eines Gemäldes. Über unsere Spiritualität geben wir dem Leben einen Sinn, auch unsere Sexualität gehört zu ihr.

Ricore: Sie werden vom Zuschauer eher mit depressiven Frauen identifiziert. Kommen Ihnen diese Charaktere entgegen?

Huppert: Ich weiß, wie Menschen mich sehen, welche Erwartungen sie haben und welche Rollen sie mir abnehmen. Die Schauspielerei ist ja an sich paradox. Wir leihen Figuren unsere Körper und Seelen, wir lassen uns mit Haut und Haaren auf sie ein, damit der Zuschauer glaubt, es stehe ein Mensch aus Fleisch und Blut vor ihnen. Ein Schauspieler ist ein Lügner, der die Wahrheit sagt, hat ein großer französischer Philosoph mal gesagt. Aber letztlich sind das nur Rollen, sie haben nichts mit mir zu tun.

Ricore: Dann spielen Sie gegen Ihre eigenen Vorlieben an?

Huppert: Nein, ich habe eine Vorliebe für geheimnisvolle Charaktere. Manche Frauen sind traurig oder einsam, andere glücklicher. Dieser Grundzustand interessiert mich. Ich suche vielschichtige Charaktere. Selbst in der "Klavierspielerin" ist Raum für komische Momente.
Malerie Marder and Les Films du Worso/LGM Cinéma
Isabelle Huppert und Gérard Depardieu auf Spurensuche
Mit "Was kommt" in Berlin
Ricore: Ihre Rollenwahl bestimmen eher die Namen der Regisseure?

Huppert: Seit Beginn meiner Karriere bin ich damit gut gefahren, denn der Regisseur ist das Schlüsselelement des gesamten Gebildes. Für mich war der Dreh eines Films und die Aussicht auf wichtige Erfahrungen stets wichtiger als der Inhalt des Films.

Ricore: Was eint Michael Haneke, Ihren langjähriger Lieblingsregisseur Claude Chabrol, Guillaume Nicloux und "Louder than Bombs"-Regisseur Joachim Trier?

Huppert: Sie sind einmalig! Sie haben ihren eigenen Stil, sie zeigen, dass das Kino zugleich so groß und so klein sein kann. Diesen Film haben wir in drei Wochen gedreht. Regisseur Guillaume Nicloux ist ein Genie. Andere Filme reifen in mir über Monate. Diese wechselnde Intensität mag ich sehr.

Ricore: Was macht die besondere Chemie zu Michael Haneke aus?

Huppert: Wir können ihr beide nicht wiederstehen, ich hoffe das zumindest. Ich werde zumindest nie zögern, mit ihm zu arbeiten. Warum? Wir finden schnell und unkompliziert eine gemeinsame Sprache. Und wir gehen beide ohne Sentimentalitäten an einen Stoff heran. Keine Sentimentalitäten lautet sein Mantra. Und wir mögen beide keine seichten, uneindeutigen Charaktere. Alle Figuren haben eine entschiedene Haltung zur Welt.

Ricore: Sie werden demnächst wieder mit ihm drehen?

Huppert: Gewiss, mehr will ich nicht verraten.

Ricore: Zuvor kommen Sie zur Berlinale, um "Was kommt" von Mia Hansen-Løve zu präsentieren?

Huppert: Gerne. Ich war oft in Berlin und immer sehr zufrieden. Verglichen mit Cannes ist die Berlinale eher ein cinephiles Event als ein großer Rummel und Markt. Und das mag ich.

Ricore: Danke für das Gespräch.
erschienen am 21. Januar 2016
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