StudioCanal Germany, The British Film Institute, Chris Johnson
Am Set von "Early Man - Steinzeit bereit"
Englands Knetfiguren bleiben erfolgreicher als ihr Fußball
Interview: Nick Park zu "Early Man - Steinzeit bereit"
Nick Park heißt bürgerlich Nicholas Wulstan Park und ist Vater von "Wallace & Gromit" und sowie dessen Ableger "Shaun das Schaf". 1985 beginnt der mittlerweile sechzigjährige Brite bei Aardman Animations in Bristol seine Karriere. Er bleibt der arbeitsaufwendigen Stop-Motion-Technik treu, bei der aus Plastilin-Knetmasse auf Unterbauten aus Drahtgestellen und Kunststoff modellierte Figuren Schritt für Schritt bewegt werden. Genau 25 Bilder je Sekunde. Für seine Filme gewinnt Park vier Oscars und unzählige andere Filmpreise. Auf der Berlinale stellt er im Februar 2018 "Early Man - Steinzeit bereit" vor. Danach muss die Geschichte der Menschheit und des Fußballs neu geschrieben werden. Der Kampf um den Lederball wird in grauer Vorzeit von einem englischen Steinzeit-Clan erfunden. Nach einer Niederlagenserie gerät das Spiel jedoch in Vergessenheit. Als dieser sich jedoch gegen rücksichtslose Eindringlinge wehren muss, besinnen sich die Inselbewohner auf das auf alten Zeichnungen verewigte Spiel und fordern die hoch gerüsteten Eroberer zu einem Entscheidungsspiel.
erschienen am 8. 05. 2018
StudioCanal Germany, The British Film Institute, Chris Johnson
Nick Park hat seine ganze Karriere für Aardman Animations gearbeitet
Ich war nie Fan eines Vereins
Ricore Text: Sie sind kein Fußball-Fan. Wie kamen Sie auf die Geschichte rund um das runde Leder?

Nick Park: Ich mag Fußball, ich sehe mir gerne die großen Spiele und die WM an. Aber ich bin nicht in einer Fußballbegeisterten Familie aufgewachsen und war nie Fan eines Vereins. Der Fußball ist in meinem Film eine ideale Metapher, die mir am Herzen liegt. Der Stamm der Ureinwohner Englands kämpft um seine Freiheit mit dem Ball und nicht mit Waffen.

Ricore Text: Warum machen Sie sich über die hohen Erwartungen des Mutterlands des Fußballs lustig, die bei EM oder WM beinahe regelmäßig enttäuscht werden?

Nick Park: Nur mit diesem Humor können wir unsere Niederlagen ertragen, die Anspielungen und Insiderwitze verstehen nicht nur eingefleischte Fans. Nach dem Ausscheiden trauert das ganze Land. Dann erinnern wir Engländer uns gerne an das Spiel gegen Deutschland bei der WM 1966. Es war unser letzter und einziger Sieg bei einem bedeutenden Turnier. Aber wir geben die Hoffnung nicht auf.

Ricore Text: Mit dem Waliser Gareth Bale fehlt in Russland einer der besten Spieler der Welt. Sollten die Briten nicht ein Team bilden?

Nick Park: Dieser Vorschlag stieße wohl auf wenig Gegenliebe. Beim Fußball sympathisieren die Briten mit ihrem Stamm, der Stolz auf ihre Herkunft behält stets die Oberhand.

Ricore Text: Haben Sie sich bei der Anlage der Geschichte an den Comics um Asterix und Obelix orientiert?

Nick Park: Ich bin ein großer Comicfan und kenne die Geschichten des letzten gallischen Dorfes, das den Römern Widerstand leistet. Die Grundkonstellation ist ähnlich, dass sich ein kleiner Stamm gegen eine Übermacht wehrt. Obwohl ich die Comics bei der Stoffentwicklung nicht im Hinterkopf hatte. Der entscheidende Unterschied ist, dass sich die Early Men nicht mit Waffen wehren.
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Bei Aardman Animations wird in Handarbeit Bild für Bild kreiert...
Nick Park: Stop-Motion hat sich nicht verändert
Ricore Text: Ich denke auch an das Wildschwein, das bei Ihnen nicht gegessen, sondern zum Helfer wird...

Nick Park: Diese Verbindung habe ich überhaupt nicht gesehen.

Ricore Text: Was sprach dafür, die Erfindung des Spiels bereits den Urmenschen zuzuschreiben?

Nick Park: Im Studio spukt schon lange die Idee rum, Urmenschen ins Zentrum einer Geschichte zu stellen. Ich habe mir überlegt, was Urmenschen in ihrer Freizeit und Kindheit machten und kam schnell auf den Sport. Ihre Aggression wird vom Spiel kanalisiert. Die Spiele zwischen den einzelnen Stämmen passen zu den Riten, die die Fußball-Fankultur heute prägen. Bei manch Match habe ich den Eindruck, als stände der Untergang einer Nation bei einer Niederlage bevor.

Ricore Text: Interessieren Sie die Urmenschen, weil wir wenig von ihrem Leben wissen und daher alles in diese Ära hinein interpretieren können?

Nick Park: Meine Generation ist mit "Fred Feuerstein" aufgewachsen, andererseits wissen wir wenig von dieser Periode. Nach den Historikern führten die Urmenschen ein hartes, entbehrungsreiches Leben. Sie starben früh. Das ist alles andere als ein Stoff für eine Komödie. Aber warum sollten sie keinen Spaß gehabt haben? Dazu kam, dass wir Animatoren uns selbst oft als Urmenschen fühlen. Wir pflegen eine einfache Technik, die sich seit den Anfängen des Kintop kaum verändert hat inmitten einer Filmlandschaft, deren Technik sich grundlegend gewandelt hat.

Ricore Text: Was hat sich durch die Digitalisierung in Ihrem Arbeitsprozess verändert?

Nick Park: Die Stop-Motion-Technik an sich hat sich nicht verändert. Die Animatoren bringen die Geduld auf, jedes Bild mit den Puppen extra einzurichten und abzulichten. Dafür nutzen wir heute digitale statt Filmkameras. Die CGI-Technologie hilft uns, die Welt um die Puppen herum vielfältiger und reicher zu gestalten. Lavaspuckenden Vulkanen oder Tausenden Puppen als applaudierende Zuschauer könnten wir ohne Effekte nicht auf die Leinwand zaubern.
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25 Bilder pro Sekunde werden bei Aardman Animations mit viel Geduld fotografiert
Wes Anderson und Tim Burton nutzten Stop-Motion
Ricore Text: Wie viele Leute haben an dem Film wie lange gearbeitet?

Nick Park: Für den Film haben ungefähr 150 Leute im Studio gearbeitet, darunter waren 40 Animatoren. Jeder schafft rund drei Sekunden am Tag, als Team brauchen wir eine Woche für eine Minute. Der Dreh und die digitale Nachbearbeitung dauerten 18 Monate, davor wurden die Designs entworfen, die Puppen und die Hintergründe gebaut. Seit den Anfängen der Entwicklung der Geschichte saß ich vier bis fünf Jahre an dem Film.

Ricore Text: Wie haben Sie sich Ihre Faszination bewahren können?

Nick Park: Als die CGI-Technik vor 20, 30 Jahren ihren Siegeszug antrat, habe ich oft überlegt, wie viele Jahre uns noch bleiben. Dass es heute so viele ausgezeichnete CGI-Filme gibt, hilft uns sogar. Unsere Filme sind Unikate in der Filmlandschaft. Die Aardman-Studios sind zur Marke geworden. Wes Anderson und Tim Burton haben die Technik genutzt. Ich bin auch regelmäßig auf Kurzfilmfestivals, wo ich immer wieder erstaunt bin über die Vielfältigkeit der Geschichten.

Ricore Text: Finden Sie ausgebildete Animatoren oder bilden Sie selbst aus?

Nick Park: Wir finden genug ausgebildete Leute, aber wir bilden auch selbst aus und durch das Learning by Doing weiter. Einige Mitarbeiter begannen als Assistenten und stiegen vom Animator zum Chefanimator einer Figur auf.

Ricore Text: Arbeiten Sie bereits an einem neuen Projekt?

Nick Park: Im Moment sitzen alle am zweiten Teil von "Shaun das Schaf". Ich habe auch viele Ideen für neue Geschichten meiner Babys "Wallace & Gromit". Ich stehe nur vor dem emotionalen Problem, dass Peter Sallis, der Wallace seine unverwechselbare Stimme gab, im vergangenen Jahr verstorben ist. Es fällt mir schwer, über einen Nachfolger nachzudenken.

Ricore Text: Dann bleibt mir nur, Ihnen und dem englischen Team alles Gute zu wünschen!

Nick Park: Danke, der Film, aber noch viel mehr unsere Fußballer werden es brauchen.

Ricore Text: Danke für das Gespräch.
erschienen am 8. Mai 2018
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Vor dem saftigen Braten steht in der Steinzeit die Jagd. Stundenlang hatte Dug seiner Beute nachgestellt, als der Freizeitchor des Stammes die beschauliche Ruhe stört und dem Ferkel sein Versteck verrät. Nick Park rasantes, in Stop-Motion-Technik entstandenes Abenteuer ist für die ganze Familie und zeigt den Wahnsinn des Alltags unserer Vorfahren mit ihrem Kampf gegen fiese technisch überlegene Eroberer.
2024