United International Pictures (UIP)
Spike Lee am Set von "Inside Man"
Spike Lee zu Inside Man
Interview: Keine Leichen im Keller
In Hollywood gehört Spike Lee zu den wenigen afroamerikanischen Filmemachern mit Einfluss. Entsprechend versteht er sich als Sprachrohr der Stummen, thematisiert in seinen Filmen Diskriminierung und andere soziale Missstände. Nun hat er mit "Inside Man" seinen ersten Genrefilm abgedreht und arbeitet gleich vier Weltstars auf einmal: Denzel Washington, Jodie Foster, Clive Owen und Willem Dafoe. In seiner Heimatstadt New York City trafen wir den 49-Jährigen zum Interview.
Von
erschienen am 24. 03. 2006
Regisseur Spike Lee mit Freund Denzel Washington am Set von "Inside Man"
Ricore: Mr. Lee, wie dirigiert man gleichzeitig vier Superstars?

Spike Lee: Indem ich eine Atmosphäre schaffe, in der sie gute Arbeit leisten können. Ich vermeide lange Pausen, die träge machen. Am meinem Filmset wird es garantiert niemandem langweilig. Wir haben alle Szenen gleichzeitig mit zwei Kameras aus unterschiedlichen Perspektiven gedreht, was die Arbeit zusätzlich beschleunigt hat.

Ricore: Warum setzen nicht noch mehr Regisseure auf diese Technik?

Lee: Weil viele Kameramänner meinen, man könnte eine Szene dann nicht mehr richtig ausleuchten. Ich halte das für Schwachsinn. Wenn einer nicht auf diesen Wunsch eingeht, kann er halt nicht mit mir arbeiten, so einfach ist das.

Ricore: Wie haben Sie die Schauspieler für das Projekt gewonnen?

Lee: Mit einem guten Skript. Denzel Washington mag ein Freund von mir sein, aber der haut mir einen schlechten Stoff genauso um die Ohren wie auch jeder andere Superstar.

Ricore: Nun haben Sie die Story dieses Mal gar nicht selbst geschrieben. Ist der Regiejob mit der entsprechenden Distanz zum Ausgangsmaterial einfacher?

Lee: Nein. Wenn ich mich für ein Drehbuch entscheide, passt es auch zu mir. Mein Stil bleibt derselbe.

Ricore: Sie haben sich das erste Mal in Ihrer Karriere einen Genrefilm um einen Bankraub ausgesucht. Um was ging es Ihnen bei der Umsetzung?

Lee: Ich musste zuerst die Regeln des Genres herausfinden, um einige davon später einhalten und andere brechen zu können. Ich wollte mit "Inside Man" frischen Wind in die typischen "Heist"-Filmen bringen und trotzdem den Klassikern des Genres eine Hommage zollen.
United International Pictures (UIP)
Spike Lee vergißt auch bei dem Thriller "Inside man" nicht seine politischen Überzeugungen
Ricore: Welche Filme dienten als Vorlage?

Lee: "Hundstage", "Serpico" und "Der Aniston Clan", alle drei von Sidney Lumet. "Getaway" von Sam Peckinpah, "Die üblichen Verdächtigen" von Bryan Singer sowie "Der Marathon-Mann und "Midnight Cowboy" von John Schlesinger. Wer gut aufpasst, findet in "Inside Man" jede Menge Anspielungen.

Ricore: Ihr Film beschäftigt sich außerdem mit dem Gebrauch und Missbrauch von Macht. Ein Thema, das Sie als politischer Filmemacher stets zu interessieren scheint...

Lee: Stimmt. Macht ist wie eine Droge:. Sie führt zu schwerer Abhängigkeit. Sie kann zum Guten wie zum Schlechten eingesetzt werden - und was daraus folgt, finde ich hochinteressant.

Ricore: Haben Sie Ihre Macht als Filmemacher schon einmal ausgespielt?

Lee: Nicht dass ich wüsste. Ich habe keine Leichen im Keller, höchstens ein paar Filmjournalisten die Kniekehlen zerschmettert. Aber das hatte Gründe: schlechte Kritiken! (lacht lauthals los) Im Ernst: Meine Macht benutze ich, indem ich in meinen Filmen auf Missstände und Diskriminierung hinweise.

Ricore: Diese Themen sind ein typisches Merkmal Ihrer Arbeit. War Ihnen von Anfang an klar, dass Sie ein Sprachrohr der Stummen sein wollten?

Lee: Das hat sich über die Jahre so ergeben. Planen kann man das nur schwer. Man muss seinen Stil finden...

Ricore: ...der Sie in Zukunft wo hinführen wird?

Lee: Derzeit arbeite ich an einer TV-Dokumentation über den Hurricane Katrina, außerdem habe ich für das Ensembleprojekt "Alle Kinder dieser Welt" einen Film über Aids abgedreht. Ich bin sehr gespannt, wie das Publikum darauf reagieren wird.

Ricore: Welchen Ihrer Filme halten Sie selbst für besonders kontrovers?

Lee: Vermutlich "Do the Right Thing" von 1989: Dieser Film musste zu Diskussionen führen.

Ricore: Vor Jahren haben Sie einmal gesagt, dass Sie für Ihre Heimatstadt New York gleichermaßen Liebe wie Hass empfinden. Welches Gefühl ist mit der Zeit stärker geworden?

Lee: Die Abneigung. Es bedrückt mich sehr, dass das Leben immer teurer wird. Es kostet in dieser Stadt Unsummen, eine anständige Wohnung oder gar Ausbildung zu bekommen. Die Folge ist, dass die Mittelklasse langsam ausgerottet wird. In New York schwelgt man entweder im Luxus oder muss sich auf das Existenzminimum beschränken. Gut tut das dieser Stadt auf keinen Fall.

Ricore: Gibt es einen Weg aus der Misere?

Lee: Die Mietpreise müssten entschieden sinken. Aber dazu wird es nicht kommen. In dieser Stadt wird nicht danach entschieden, was am besten für die Einwohner ist, sondern was am meisten Geld bringt. Traurig - aber wahr.
Von
erschienen am
Zum Thema
Geboren in Atlanta, Georgia, USA.
Inside Man (Kinofilm)
"Malcolm X"-Regisseur Spike Lee präsentiert einen spannenden Thriller mit Top-Besetzung. Clive Owen spielt Dalton Russell, einen skrupellosen und intelligenten Bankräuber, der den Coup seines Lebens plant. Doch Detektiv Keith Frazier (Denzel Washington) ist ihm dicht auf den Fersen. Es entspinnt sich ein aufregendes Katz-und-Maus-Spiel, dessen Ausgang ungewiss ist. Zumal die Rolle der undurchsichtigen, externen Beraterin Madaline White (Jodie Foster) im Dunkeln liegt.
2024