La Bienale
George Clooney in Venedig 2005
Batman und CIA Agent George Clooney
Interview: Politisch korrekte Unterhaltung
Er vereint gesellschaftliches Engagement, Charme und Witz in Hollywood wie kein zweiter. George Clooney erhielt bei der Verleihung der Academy Awards 2006 für die Darstellung des CIA-Agenten Bob Barnes im Politthriller "Syriana" seinen ersten Oscar. Außerdem legt er mit "Good Night, and Good Luck" seine zweite beeindruckende Regiearbeit vor. Diese handelt um einen kritischen TV-Journalisten, der sich für die politische Gerechtigkeit in den USA eingesetzt hat. Auf der Biennale in Venedig und sprach Clooney über die Gefahren des Fernsehens, die Arbeit eines Regisseurs und sein schauspielerisches Talent.
erschienen am 16. 04. 2006
Kinowelt Filmverleih
George Clooney am Set von Good Night, and Good Luck
Ricore: Kürzlich wurde die Journalistin Judith Miller verhaftet. Was halten Sie davon?

George Clooney: Ich halte es für ein Verbrechen unglaublichen Ausmaßes, jemanden von der Presse zu verhaften. Besonders bedenklich ist an diesem Fall, wieso die Journalistin inhaftiert wurde, nämlich weil sie ihre Quellen nicht offen legte.

Ricore: Haben Sie das Gefühl, dass die Qualität der unabhängigen Berichterstattung im US-Fernsehen seit dem 11. September 2001 abgenommen hat?

Clooney: Es ist schwer, Informationen zu bekommen und das nicht erst seit dem 11. September. Mein Vater war Journalist, genauer gesagt Nachrichtensprecher. Letztendlich hat er diese Aufgabe aufgegeben weil es nicht mehr um die Neuigkeit an sich, sondern um Unterhaltung ging. Das ist bedauerlich. Ich denke, die Gefahr liegt darin, dass sich die meisten Leute ausschließlich übers Fernsehen informieren. Also hat es eine Verantwortung, die über wirtschaftliche Ziele hinausgeht. Aber es gibt immer geschichtliche Phasen, in denen wir dumme Dinge tun und die grassierende Angst nutzen, um die bürgerlichen Freiheiten einzuschränken. Doch dann bekommen wir sie auch wieder zurück. Wir haben das in denen letzten 100 Jahren bereits mehrfach erlebt.

Ricore: Wie hat sich das Fernsehen mit der Zeit verändert?

Clooney: Was in unserem Land geschehen ist, passierte auf der ganzen Welt. Es gibt dabei keinen wirklichen Bösewicht. Wir versuchen immer, die Guten und die Bösen auszumachen, aber die Realität ist viel komplizierter. Als ich aufgewachsen bin, gab es ungefähr drei Sender mit jeweils einer Nachrichtensendung. Im Grunde hat man überall dieselbe Nachricht erhalten, die man dann mit nach Hause nahm, verarbeitet und überdacht hat. Darauf beruhend konntest Du Dir eine Meinung bilden. Heute ist es so: Das Fernsehprogramm ist in winzige Teile zerlegt, es gibt unzählige Sender. Du kannst einfach das Programm wählen, das im Einklang mit Deiner Überzeugung steht. Die grundlegenden Tatsachen variieren also enorm, es wird schneller polarisiert und kategorisiert. Das ist die Schwierigkeit am amerikanischen Fernsehen. Man kann diese Entwicklung nicht mehr umkehren. Es ist lange her, seit Männer wie Edward R. Murrow die vertrauenswürdigsten Männer der USA waren.
Kinowelt Filmverleih
George Clooney in: Good Night, and Good Luck
Ricore: Welche Rolle schreiben Sie dem Fernsehen heute zu?

Clooney: Dem Fernsehen kommt seit der Erfahrung mit Murrow eine bedeutende Rolle zu. Es kann der Politik hilfreich sein, sie aber auch erschweren. Man könnte behaupten, dass das Fernsehen John F. Kennedy wählte. Wir erhalten einen Großteil unserer Informationen durchs Fernsehen. Das ist gut, aber auch gefährlich. Ed Murrow hat uns davor schon 1958 gewarnt.

Ricore: Was können Filme bewirken?

Clooney: Filme haben das Gleiche getan. Betrachten wir Filmen wie "Die besten Jahre unseres Lebens" nach dem Zweiten Weltkrieg oder "Die jungen Löwen". Das waren Filme, die dem vermeintlichen Feind ein Gesicht gaben. Außerdem gab es die Protestfilme der 1960er Jahre. Filme haben immer wieder eine verantwortungsvolle Rolle für gesellschaftliche Entwicklungen übernommen. Wir haben allerdings auch einige schlechte Produktionen gemacht. Ich denke "Batman & Robin" war überaus wichtig für die politische Entwicklung des Landes. (lacht)

Ricore: Nach vielen Unterhaltungsfilmen drehen Sie nun ernsthaftere Filme, die die gegenwärtige Entwicklungen reflektieren. Ist das für Sie als Künstler befriedigender?

Clooney: Ich bin kein Snob. Ich mag auch unterhaltsame Filme. Ich denke, es ist nicht falsch, einen Film wie "Ocean's Eleven" zu drehen. Solche Filme machen einfach Spaß. Filme wie "Good Night, and Good Luck", "Syriana" und "Three Kings" sind eben Produktionen, die ein bisschen mehr zum Nachdenken anregen, denn sie bieten Raum für Diskussionen. Es macht Spaß, sich mit Dingen auseinander zu setzen. Es ist interessant, zu erörtern, inwieweit Angst dazu benutzt werden darf, um bürgerliche Freiheiten einzuschränken. Für mich als Künstler sind Diskussionen großartig. Aber ich habe diesen Film nicht aus Protest gegen irgendeine Regierung gemacht, sondern vielmehr als eine Erinnerung an eine historische Gegebenheit. Ich bin als Fan von Murrow aufgewachsen. Wenn Sie darin eine besondere Bedeutung sehen, ist das für mich in Ordnung, auch wenn es nicht mein Ziel war.
Kinowelt Filmverleih
Good Night, and Good Luck
Ricore: Welche Regisseure inspirieren Sie?

Clooney: Ich stehle von allen Regisseuren. Nachdem ich "Geständnisse - Confessions of a Dangerous Mind" gemacht habe, schrieb ich Entschuldigungsbriefe an Mike Nichols and Sidney Lumet, weil ich einige Einstellungen von ihnen gestohlen hatte. "Good Night, and Good Luck" ist ja eher eine Dokumentation. Ich wollte den Sachverhalt wie ein Journalist behandeln. Deshalb haben wir jede Szene im Film doppelt auf die historische Haltbarkeit geprüft. Jede Szene bezieht sich entweder auf Joe und Shirley Wershba, oder aber auf eines der Bücher von Ed Murrow und Fred Friendly. So hatten wir immer zwei verlässliche Quellen. Wir sind bei der Produktion sehr sachlich vorgegangen. Ich hatte das Gefühl, alles in einem sehr dokumentarischen Stil drehen zu müssen. Ich habe dafür etliches von Dokumentarfilmern gestohlen. Wirklich viel! (lacht)

Ricore: Wie gefällt es Ihnen, Regie zu führen?

Clooney: Die Schauspielerei ist, wie ich hin und wieder bewies, nicht meine allergrößte Stärke. Regie zu führen macht Spaß, weil du die Kontrolle übernimmst. Für mich war das Schönste, dass Grant Heslov und ich einige Jahre an einem Skript arbeiteten, das wir für wichtig erachteten. Wir wollten eine Epoche der amerikanischen Geschichte nachvollziehbar machen. Wir haben ein Drehbuch geschrieben, für das viele der schönsten Passagen vor 50 Jahren von Edward R. Murrow geschrieben wurden. Außerdem muss man als Regisseur, ehrlich gesagt, nicht viel machen, wenn man die richtigen Künstler engagiert. Man muss einfach nur die vielen wunderbaren, sehr talentierten Leute machen lassen.
Warner Bros. Pictures
Nimmt Stellung: Geroge Clooney in Syriana
Ricore: Warum haben Sie die Aufnahmen des realen Senator Joseph Raymond McCarthy benutzt und nicht einen Schauspieler engagiert?

Clooney: Murrow benutzte in seiner Show nur McCarthys eigene Aussagen. Es gibt einige Leute, die heute gerne die Geschichte verändern würden. Für sie war McCarthy der richtigen Überzeugung und einer der Guten. Es ist also ein Trick, den realen McCarthy und nicht einen Schauspieler zu zeigen, denn sonst hätten diese Leute vielleicht gesagt, dass wir ihn besonders gemein gezeichnet hätten. Wir wollten zeigen, was er tat und das echte Archivmaterial benutzen. Das ist auch der Hauptgrund, weshalb wir in schwarz-weiß drehten. Das alte Material fügt sich besser ein. Wir wissen, dass McCarthy bei einigen Leuten Recht hatte, die er als Spione bezeichnete, aber es waren nur einige unter Tausenden. Darum ging es Murrow auch nicht. Es war nicht relevant, ob sie Spione waren oder nicht. Es ging darum, ob sie das Recht hatten, ihrem Ankläger gegenüberzutreten. Das ist auch ein Thema, das uns heute betrifft. Als wir also das Archivmaterial gesichtet haben, konnten wir uns niemanden vorstellen, der McCarthy besser gespielt hätte, als er selbst. Es gehen Gerüchte um, er sei in der Kategorie "Bester Schauspieler" im Rennen. (lacht)

Ricore: Was ist Ihr persönliches Anliegen mit dem Film?

Clooney: Keiner von uns empfindet "Good Night, and Good Luck" als ein politisches Statement. Mein Vater war Kongressmitglied und ich bin ein alter Liberaler. Ich habe sicherlich keinen Hehl aus meiner politischen Einstellung gemacht, aber dieser Film wurde nicht als ein Protest gegen irgendeine Regierung produziert. Es ist in erster Linie ein Film über einen ganz besonderen Moment der Geschichte. Ich denke, dass es gewisse Ähnlichkeiten zur gegenwärtigen Situation gibt. Dennoch soll "Good night, and good luck" kein rein politischer Film sein. Wenn man sich Murrows Auftritte genauer anschaut, fühlst man sich eher sehr patriotisch. Es erinnert einen an die Dinge, die man an diesem Land liebt.

Ricore: Warum beschäftigen Sie sich mit der Vergangenheit?

Clooney: Weil ich über 40 bin und damals eine sehr gute Zeit hatte. (lacht)
erschienen am 16. April 2006
Zum Thema
George Clooney wurde zweimal vom Emergency Room - Die Notaufnahme". Nach dem Ausstieg aus der Fernsehserie widmet er sich seiner Leinwandkarriere. So übernimmt der meist gut gelaunte Schauspieler Hauptrollen in Blockbustern wie "Batman & Robin" oder "Projekt: Peacemaker". Coen-Brüder. Zu seinen besten Freunden gehören Brad Pitt und Steven Soderbergh, mit denen er unter anderem die lässige Gaunerkomödienreihe "Ocean's Eleven" realisiert. Daneben arbeitet er als Drehbuchautor und Regisseur. Sein..
Syriana (Kinofilm)
Bislang kennen wir George Clooney meist als smarten Frauenhelden. Im Politthriller "Syriana" von "Traffic"-Regisseur Stephen Gaghan trägt er zur Abwechslung einen Vollbart und spielt einen CIA-Veteran, der über 20 Jahre Terroristen gejagt hat. Inzwischen im Ruhestand, hat er den Eindruck, dass die Welt nicht friedlicher geworden sei, ganz im Gegenteil. Die CIA-Gelder werden immer weiter gekürzt und Politiker verharmlosen die drohende Gefahr.
George Clooney versuchte sich zum zweiten Mal hinter der Kamera. Das Resultat: ein brillanter Film über die Hexenjagd der McCarthy-Ära und die Zensur in den USA der 1950er Jahre. "Good Night & Good Luck" wurde beim Filmfestival von Venedig mit zwei Hauptpreisen ausgezeichnet - für den besten Darsteller und das beste Drehbuch.
2024