Leonine Distribution
Blackbird - Eine Familiengeschichte (2019)
"Blackbird - eine Familiengeschichte"
Interview: Roger Michell macht Zuschauer glücklich
Der Südafrikaner Roger Michell wächst in Syrien und der Tschechoslowakei auf. Seine zweite Heimat findet er schließlich in Großbritannien. Mit "Notting Hill" inszeniert er 1999 seinen ersten großen Kinohit. 2019 kommt sein Dokumentarfilm "Tea With The Dames - Ein unvergesslicher Nachmittag" in die deutschsprachigen Kinos. Darin belauscht er eines der regelmäßigen Treffen von Eileen Atkins, Judy Dench, Joan Plowright und Maggie Smith. Beim Filmfestival in Zürich stellt er 2019 "Blackbird - Eine Familiengeschichte" vor, in dem Susan Sarandon und Sam Neill ein Elternpaar spielen, das ein letztes Mal die Familie um sich versammelt. 2020 feiert in Venedig sein neuer Film "The Duke" mit Helen Mirren Premiere.
erschienen am 11. 11. 2020
Leonine Distribution
Regisseur Roger Michell ("Blackbird - Eine Familiengeschichte", 2019)
Freue mich über jedes Lob
Ricore Text: Sind Sie des Vergleichs Ihrer Filme mit "Notting Hill" müde?

Roger Michell:
Ich freue mich über jedes Lob. Sie beweisen, dass der Film nach 20 Jahren noch funktioniert und die Menschen glücklich macht. Aber der Film ist nicht charakteristisch für mein Werk. Ich bevorzuge kleine, unspektakuläre Kammerspiele über normale Menschen, die vor besonderen Herausforderungen stehen.

Ricore Text:
Eine Fortsetzung wird es nicht geben?


Roger Michell:
Ich lasse die Geschichte stehen, wie sie ist.

Ricore Text:
Was bewog Sie zu diesem Remake des Films von Bille August?


Roger Michell:
Ich habe dessen "Silent Heart - Mein Leben gehört mir" bis heute nicht gesehen. Das Drehbuch zu "Blackbird" wurde mir angeboten, ohne den Film zu erwähnen. Ich mochte es auf Anhieb. Im Grunde könnte es aus der Feder von Agatha Christie stammen, in deren Geschichten sich eine Familie zum Wochenende trifft und einer stirbt.

Ricore Text:
Das meinen Sie nicht ernst?


Roger Michell:
Ich will einen Mord natürlich nicht mit Sterbehilfe vergleichen. Aber in vielen Ländern wird die Diskussion auf dieser Ebene geführt und die Gesetze gehen in diese Richtung. In Großbritannien kann der Fahrer des Autos verurteilt werden, der einen Sterbewilligen zu seinem Flug nach Zürich begleitet hat. Viele Briten nehmen in der Schweiz diese Hilfe in Anspruch, da sie bei uns verboten ist.

Ricore Text:
Und die Briten finden das richtig?


Roger Michell:
Wir verdrängen dieses schwierige Thema, obwohl wir immer älter und gebrechlicher werden und es jeden von uns treffen könnte, pflegebedürftig und unheilbar krank zu werden. Um dem Zuschauer den emotionalen Einstieg zu erleichtern, rückte ich eine Familie ins Zentrum, die zusammenkommt, um das Leben zu feiern. Die unterschiedliche Sicht der Eltern und ihrer Töchter auf die Sterbehilfe verstärkt nur die Konflikte, die latent schlummerten.

Ricore Text:
Wie würden Sie es mit der Legalisierung der Sterbehilfe halten?


Roger Michell:
Ich möchte nicht in der Haut des Gesetzgebers stecken. Bei der Einführung des Rechts auf ein selbstbestimmtes Ende gibt es zu viele Unwägbarkeiten. Mental kranke Menschen können vielleicht keine Entscheidungen treffen. Oder Menschen von ihren Angehörigen bei einer Erkrankung in den Freitod getrieben werden. Andererseits weiß ich, dass Sterbehilfe seit Jahrhunderten an der Tagesordnung ist. Ich wurde selbst mit der Frage konfrontiert, als meine Mutter mit einer schweren Lungenentzündung ins Krankenhaus lag.
KSM
Tea With The Dames - Ein unvergesslicher Nachmittag (Nothing Like a Dame, 2018)
Wir verdrängen dieses schwierige Thema
Ricore Text: Wie haben Sie Ihren namhaften Cast gewonnen?

Roger Michell:
Kate Winslet wollte den Film unbedingt drehen. Durch ihr Engagement wurde alles einfacher. Die Kollegen lieben sie und wollen mit ihr arbeiten. Sie hat mir auch dieses kleine Andenken an den Dreh verpasst. Zu Abschlussfeier bei Susan Sarandon erschien sie mit einem Tattookünstler und bestand darauf, dass ich mir diesen kleinen Raben auf der Hand stechen lasse.

Ricore Text:
Warum wurde Susan Sarandon erst in letzter Minute verpflichtet?


Roger Michell:
Ich bin froh, dass ich sie gewinnen konnte. Sie gilt als unabhängige Frau und hat sich Zeit ihres Lebens gesellschaftlich engagiert. Außerdem ist sie ein Control-Freak. Beides passt gut zu ihrer Figur. Menschen, die ihrem Leben selbst ein Ende setzen wollen, haben ihr Leben meist im Griff und überlassen ungern irgendetwas dem Zufall. Sie wollen auch die Kontrolle über ihren Tod behalten.

Ricore Text:
Wie schaffen Sie es, immer wieder solch brillanten Cast zu gewinnen?


Roger Michell:
Ich liebe Schauspieler. Sie standen bei jedem Film im Zentrum meiner Überlegungen, und das hat sich vielleicht rumgesprochen. Als Regisseur wachse ich mit ihnen zu einer Familie zusammen, die sich sehr nahe kommt. Als ich jünger war, hingen wir sogar gemeinsam im Pub ab und haben uns gegenseitig besucht. Diese wilden Zeiten sind vorbei, aber die Nähe bleibt.

Ricore Text:
Ist es schwer, in diesem Geschäft Freunde zu finden?


Roger Michell:
Es ist einfach, schnell Freundschaften zu schließen. Aber schwer, wirkliche Freunde zu finden. Enge Freunde habe ich nur unter Regisseuren und Autoren.

Ricore Text:
Wobei schon auffällig ist, dass sie gerne starke Frauen porträtieren.


Roger Michell:
Ich lasse mich gerne von ihrer Kraft leiten. Im Januar drehte ich das erste Mal mit Helen Mirren.

Ricore Text:
Ihre Sympathie ist auch in der Doku "Tea with the Dames" zu spüren. Wieviel haben Sie als Regisseur vorgegeben?


Roger Michell:
Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartet und fühlte mich wie ein Anhalter, der das Ziel aber nicht den Weg dorthin kennt. Wir waren in Joans Haus und drehten zwei Tage mit den vier Weltstars, die sich seit Jahrzehnten kennen. Ich war nur der Stichwortgeber und folgte der Dynamik zwischen den Ladys. Sie sind sehr scharfzüngig, respektieren sich und wussten genau, was sie preisgeben wollten. Und es war war immer zu spüren, dass sie ihre langjährige Freundschaft nicht missen wollen.

Ricore Text:
Danke für das Gespräch.
erschienen am 11. November 2020
Zum Thema
Südafrikaner Roger Michell wächst in Syrien und der Tschechoslowakei auf. Seine zweite Heimat findet er schließlich in Großbritannien. Mit "Notting Hill" inszeniert er 1999 nach Episoden für zwei Fernsehserien seinen ersten großen Kinohit. 2019 kommt sein Dokumentarfilm "Tea With The Dames - Ein unvergesslicher Nachmittag" in die deutschsprachigen Kinos. Darin belauscht er eines der regelmäßigen Treffen von Eileen Atkins, Judy Dench, Joan Plowright und Maggie Smith. Bis 2002 ist Roger Michell..
Der britische Regisseur Roger Michell ("Notting Hill") steht hinter der aufwühlenden Neuverfilmung von "Silent Heart - Mein Leben gehört mir" des Dänen Bille August. Dass die Neuinterpretation des Familiendramas trotzdem lohnt, ist Mitchells überragendem Talent für die Arbeit mit einem großartigen Ensemble zu verdanken.
The Duke (Kinofilm)
2024