
Neue Visionen Filmverleih
Pierre Lottin & Benjamin Lavernhe in "Die leisen und die großen Töne" ("En fanfare", 2024)
"Die leisen und die großen Töne"
Emmanuel Courcol im Interview mit Filmreporter.de
erschienen am 16. 02. 2025

Neue Visionen Filmverleih
Die leisen und die großen Töne ("En fanfare", 2024)
Gitarre, Flöte und Trompete
Ricore Text: Welche Rolle spielt Musik in Ihrem Leben?
Emmanuel Courcol: Ich höre gerne Musik. Als Teenager lernte ich Gitarre, Flöte und eine Weile auch Trompete, weil mein Bruder sich für dieses Instrument entschieden hatte. Er hat mir ein paar Grundbegriffe beigebracht. Heute kann ich noch Noten lesen, aber alles andere als perfekt. Dass ich mich nicht länger mit der Musik beschäftigt habe, bedauere ich ein wenig. Wie die Charaktere in meinem Film empfinde ich die Musik als Möglichkeit, Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen.
Ricore Text: In Deutschland haben wir die Angewohnheit, zwischen klassischer und unterhaltender Musik zu unterschieden. Gilt das auch in Frankreich?
Emmanuel Courcol: Natürlich war und ist Frankreich nicht frei von dieser Unterscheidung. Auch im Kino, wo wir zwischen dem Autorenfilm und dem populären, kommerziellen Film unterscheiden. Ich stehe ein bisschen an der Grenze. Ich mache Autorenfilme, will damit aber durchaus ein großes Publikum erreichen. Daher hat es mir Spaß gemacht, inhaltlich mit diesem Gegensatz zu spielen. Die Welt der klassischen Musik ähnelt einem geschlossenen Zirkel. Die Musiker werden an den großen Konservatorien ausgebildet, das Publikum gehört einer eigenen sozialen Klasse an. Das sogenannte einfache Volk geht meist nicht in ein klassisches Konzert. Dabei versucht der Staat seit Jahren, Kinder an die klassische Musik heranzuführen. Leider gehen auch Menschen die in Amateurorchestern spielen und die Musik in ihren Alltag integrieren eher selten in klassische Konzerte. Diese beiden Welten sind wie Paralleluniversen. Im Gegensatz zum Fußball, wo die Amateure am Wochenende oft in den Stadien sitzen.

Neue Visionen Filmverleih
Pierre Lottin & Benjamin Lavernhe in "Die leisen und die großen Töne" ("En fanfare", 2024)
Zwei Brüder und eine Schwester
Ricore Text: Dann drängte es sich Ihnen nahezu auf, eine Geschichte zu schreiben, in der zwei Brüder aufeinandertreffen, die sich nicht kennen?
Emmanuel Courcol: Ich habe zwei Brüder und eine Schwester. Die Erlebnisse mit meinen Geschwistern sind aus meinem Leben nicht wegzudenken. Mein erster Film "Cessez-le-feu" handelte von zwei Brüdern, die durch die Kriegswirren getrennt wurden. In meinem zweiten Film "Ein Triumph" trafen bereits Menschen aus sehr unterschiedlichen sozialen und kulturellen Umständen aufeinander, um im Gefängnis "Becket" aufzuführen. Ich konnte also meinen beiden Obsessionen frönen. Dazu kam mit der Musik erneut die Kunst, die Verbindungen schaffen kann. Die Idee mit der Krankheit stammt von meiner Koautorin Irène Muscari. Sie hatte einen ähnlichen Fall in der Familie. Wenn du Drehbücher schreibst, greifst du am besten auf die Erfahrungen zurück, die du kennst.
Ricore Text: Nutzen Sie auch populäre Werke der Filmgeschichte wie "Brassed Off - Mit Pauken und Trompeten" als Vorbild?
Emmanuel Courcol: Ich habe nicht an diesen speziellen Film gedacht, als ich das Buch schrieb. Aber natürlich bewegen wir uns im gleichen Umfeld. Die britische Sozialkomödie war eine meiner Inspirationsquellen.
Ricore Text: Wurde das im Film aufgeführte Musikstück extra geschrieben, und warum der "Bolero"?
Emmanuel Courcol: Das Stück ist von Michel Petrossian für den Film geschrieben worden. Auf den "Bolero" haben wir gesetzt, weil es eines der populärsten klassischen Stücke überhaupt ist. Und der Rhythmus ist ideal, um den Inhalt der Geschichte aufzufangen. Bei Maurice Ravel prallen die beiden Welten aufeinander, er wurde für seine Komposition vom gleichmäßigen Rattern von Maschinen in Fabriken inspiriert. Für den Film ist das Stück somit der ideale Schlusspunkt.
Ricore Text: Danke für das Gespräch.
erschienen am 16. Februar 2025
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Die Tragikkomödie feiert seine Premiere im Wettbewerb der Emmanuel Courcol orientiert sich für die Verortung der Geschichte am britischen Vorbild "Brassed Off - Mit Pauken und Trompeten".