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Götz Otto
Götz Otto über Vatersein und sein Bösewichtimage
Interview: Glück hat nur der Glückliche
Sein Auftritt als Bond-Bösewicht brachte Götz Otto nicht nur internationales Ansehen, sondern auch ein neues Image: Der einstige Bäckersohn aus dem kleinen Ort Dietzenbach gilt seitdem nicht zuletzt dank seiner Muskeln und der stattlichen 1,96 Meter Körpergröße als Parade-Bösewicht. Privat ist der vierfache Familienvater ganz friedlich, das beweist auch seine Synchronarbeit für den Animationsspaß "Ab durch die Hecke". Im Luxushotel Du Cap trafen wir den 38-Jährigen während der Filmfestspiele in Cannes 2006 zum Gespräch.
erschienen am 23. 05. 2006
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Götz Otto
Ricore: Herr Otto, im Original spricht Ihre Rolle Bruce Willis. Wurden Sie ihm in Cannes vorgestellt?

Götz Otto: Nein, man hat ihm wohl gesagt, dass ich extrem gefährlich sei. Er geht mir also vermutlich absichtlich aus dem Weg. Immerhin bin ich ja auch der festen Überzeugung, dass unsere Synchronisation besser ist als das Original. Das will der gute Bruce vor mir natürlich ungern eingestehen. (lacht)

Ricore: Was ist es für ein Gefühl, hier in Cannes über den roten Teppich des Festivalpalasts laufen zu dürfen?

Otto: Großartig! Man denkt, dass alle verrückt geworden sind. Nicht vergleichbar mit anderen Premieren. Das Lustige ist, dass man mich hier ja nicht wirklich kennt, ich aber trotzdem mitlaufe und so ungestört das Flair genießen kann.

Ricore: Wie oft waren Sie schon in Cannes?

Otto: Dieses Jahr komme ich zum dritten Mal.

Ricore: Irgendwelche Tipps, wie man das Festival am besten übersteht?

Otto: Ich habe gelernt, diese Tage bewusst aus meinem alltäglichen Leben herauszuschneiden. Man muss sich bewusst sein, dass es keinen Schlaf gibt und sich entsprechend darauf vorbereiten. Man darf weder das irrationale Flair an sich heranlassen, noch den Schlafmangel. Das wird schon.

Ricore: haben Sie dem Waschbär RJ Ihre Stimme wegen Ihrer Kinder geliehen, oder um sich von Ihrem Image als Bösewicht zu distanzieren?

Otto: Ich freue mich immer, wenn ich an Kinderfilmen arbeiten darf, weil ich meine Erlebnisse dann mit meiner Familie teilen kann. Außerdem habe ich vorher noch nie so ein Angebot bekommen, und plötzlich kamen zwei Anfragen in diese Richtung für zwei völlig entgegen gesetzte Figuren: Ein lethargischer, debiler Volltrottel-Wikinger in "Asterix" und ein total hektischer kleiner Waschbär.
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Ab durch die Hecke
Ricore: Was passt mehr zu Ihnen: Die Lethargie oder die Hektik?

Otto: Wir einigen uns da wohl am besten auf die Mitte. (lacht)

Ricore: Animationsfilme brechen derzeit alle Rekorde. Was macht diese Geschichte charmant?

Otto: RJ alias Richie ist jemand, der anfangs als kompletter Egoist nur für sich selbst versucht, durchs Leben zu kommen. Doch dann trifft er auf die Winterschläfer-Clique, entdeckt das soziale Element und Werte, die über den Egoismus hinausgehen. Der Film handelt von Zusammengehörigkeit und den Vorzügen von Familie. Das klingt vielleicht reaktionär, aber ich kann das durchaus unterschreiben.

Ricore: Sie sind sehr jung Vater geworden. Gab es nie Gewissensbisse, etwas zu verpassen?

Otto: Ich war 24 Jahre alt und musste mich natürlich erst einmal umstellen. Aber ich bin an den Anforderungen gewachsen und habe seitdem kontinuierlich nachgelegt. (lacht) Es gibt heute nichts Verpasstes, dem ich großartig nachtrauern würde.

Ricore: Hat sich der alte Bäckersohn in Ihnen durch die internationale Karriere stark verändert?

Otto: Ich bin hoffentlich nicht mehr der Gleiche wie vor zwanzig Jahren. Aber ob das auch zu richtigen Wesensveränderungen geführt hat, kann ich selbst nicht beurteilen. Dazu fehlt mir die Muße der Selbstreflexion. Ich versuche immer möglichst bei mir zu sein und versuche im Jetzt zu empfinden. Persönliche Retrospektiven aufzuzeigen halte ich für Quatsch.

Ricore: Fühlen Sie sich im kleinbürgerlichen, normalen Alltag noch wohl, oder brauchen Sie die ständige Abwechslung?

Otto: Meine ganz persönliche Infrastruktur ist sehr überschaubar. Um Zeit mit meiner Familie zu verbringen, brauche ich die große weite Welt nicht. Aber von Zeit zu Zeit genieße ich es natürlich auch, in einer Limousine durch London gefahren zu werden. Aber mir ist immer bewusst, dass es sich um eine Ausnahmesituation handelt, die ich in diesem Moment dann auch entsprechend genieße. Sobald ich meine Haustür hinter mir schließe, kehre ich in die Normalität zurück.
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Götz Otto
Ricore: Warum haben Sie München als Wohnort gewählt?

Otto: Ich habe mir München nicht ausgesucht, auch das ist einfach passiert. Zuerst war ich dort auf der Schauspielschule, dann habe ich Theater gespielt und plötzlich hatte ich Familie. Mit Kindern überlegt man sich einen Umzug dreimal. Die Familie aus ihrem sozialen Umfeld zu reißen, ist nicht so einfach und vor allem nicht erstrebenswert. Für meine Bedürfnisse ist die Stadt auch super: München ist ein Dorf, lässt mich in Ruhe und ist nicht so eine wahnsinnig hippe Metropole wie Berlin, die dir die ganze Zeit ein schlechtes Gewissen beschert, wenn du mal zuhause bleibst.

Ricore: Da spricht ein fast Vierzigjähriger...

Otto: (lacht) Kann gut sein, aber die große Erlebniswelt habe ich auf Reisen schon zur Genüge. Außerdem bin ich schon seit zehn Jahren der Meinung, dass ein ausgeglicheneres Privatleben nicht das Schlechteste sein muss.

Ricore: Das gemächliche Älterwerden ist für Sie also kein Problem?

Otto: Ein 22-jähriger Schauspielkollege von mir hat mich neulich zu seinen Berliner Freunden mitgenommen, und da haben mich doch glatt alle gesiezt. In diesem Moment fand ich das schon recht eigenartig und musste mir heimlich zugestehen, dass der Alterunterschied wohl doch nicht zu leugnen ist.

Ricore: Trotzdem keine Spur von Midlife-Krise?

Otto: Zumindest fahre ich noch nicht sabbernd und mit lüsternem Blick am Porsche-Laden vorbei. (lacht)

Ricore: Leisten könnten Sie sich ihn aber schon?

Otto: Die Drehbuchstapel, die den ganzen Schreibtisch einnehmen, gibt es in Deutschland nicht mehr, bei mir zuhause erst recht nicht. Ich bin schon noch darauf angewiesen, mit Abstrichen das zu machen, was mir angeboten wird. Seit ich meine Familie habe, arbeite ich eher mehr als weniger. Auch ich muss mir Gedanken machen, wie ich den Laden am Laufen halte.
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Götz Otto
Ricore: Sie spielen konstant in internationalen Rollen. Was machen Sie im Vergleich zu vielen anderen deutschen Kollegen richtig?

Otto: Mein Beruf ist von verschiedenen Komponenten abhängig. Talent gehört sicherlich dazu, auch das richtige In Szene setzen, aber das wichtigste ist das Glück im richtigen Moment. Letzteres habe ich immer mal wieder - und das ist vielleicht mein Vorteil.

Ricore: Sie waren vor Ihrer Schauspielkarriere Extremsportler. Nützt diese Erfahrung auch bei der Schauspielerei?

Otto: Wovon ich noch immer profitiere, ist die Zuverlässigkeit, die man als Extremsportler entwickelt. Gerade der Beruf als Künstler verleitet leicht dazu, sich gehen zu lassen. Da hilft die Erinnerung an frühere Erlebnisse, als man beim Training wegen fünf Minuten Verspätung böse angeschaut wurde. Ich habe am eigenen Leib erfahren, wie wichtig es ist, dass man sich aufeinander verlassen kann. Auch die Hartnäckigkeit, die für einen Künstler unverzichtbar ist, habe ich mir aus dem Leistungssport bewahrt.

Ricore: Sie waren früher Vize-Juniorenweltmeister im Rudern. Vermissen Sie manchmal die sportlichen Erfolgserlebnisse?

Otto: Eine gewonnene Regatta oder überhaupt ein Treppchenplatz beglücken deshalb so sehr, weil man lange darauf hintrainiert hat. Die Erfolgserlebnisse eines Schauspielers nach einem langen aufreibenden Dreh oder einer intensiven Probenzeit sind damit glücklicherweise vergleichbar. Bei einem Bürojob sind diese Kicks wohl etwas rarer gesät und schwer auszumachen. Allein schon durch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit bekommt man dauernd Bestätigung.

Ricore: Sie, der klassisch ausgebildete Bühnenschauspieler, hatten als Bösewicht in "James Bond" 1997 einen Welterfolg und gelten seither als Parade-Bösewicht. Ist dieses Image auch Fluch?

Otto: Bond ist mein Stigma. Man bezeichnet mich zuerst als Bond-Bösewicht, dann erst als Schauspieler. Am Anfang habe ich mich dagegen extrem gewehrt, wollte andere Rollen und nicht immer nur das perfide Arschloch spielen. Inzwischen bin ich mit mir und den Pauschalisierungen der Presse gnädiger geworden. Es ist in meiner Karriere sicherlich der bekannteste Film, den ich gemacht habe, und genauso wie Klaus-Jürgen Wussow immer der nette Arzt aus der "Schwarzwaldklinik" bleiben wird, haftet mir dieses Image eben an. Herr Tappert hat auch keine Probleme damit, der ewige "Derrick" zu sein, also sehe ich das auch gelassen. Ich kann es ja doch nicht ändern.

Ricore: In welcher Rolle haben Sie sich bisher am besten gefallen?

Otto: In dem Pro7-Film "Der Voyeur", der so wenig Zuschauer hatte wie wenig andere Filme des Senders. (lacht) Ich habe einen jungen Geschäftsmann gespielt, dessen Berufsleben wegen einer obsessiven Liebe zu einer Frau komplett aus den Fugen gerät. Der Film war zwar nicht so gut, aber persönlich fand ich mich klasse. Auch der Bond-Bösewicht war natürlich ein Erlebnis, auch wenn ich niemandem übel nehme, wenn er keine schauspielerische Glanzleistung hinter der Rolle erkennt. Aber es ist trotzdem die Rolle, die in meiner Karriere die meisten Zuschauer und den größten Medienhype nach sich gezogen hat.
erschienen am 23. Mai 2006
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Als die Schildkröte Verne aus dem Winterschlaf erwacht, hat sich im Wald etwas verändert: Eine schier endlose Hecke durchzieht das gründe Dickicht - und dahinter offenbart sich, man höre und staune, eine kleine Menschensiedlung. Im Animationsspektakel "Ab durch die Hecke" frisst sich eine Horde ausgehungerter Tiere durch die prall gefüllten Kühlschränke der amerikanischen Konsumgesellschaft. Das Ergebnis: Ein kurzweiliger Leckerbissen der besonderen Art.
Viele denken bei seinem Namen sofort an seine Rolle des Bösewichts in "James Bond 007: Der Morgen stirbt nie". Doch Götz Otto lässt sich weder auf einen Rollentypus - noch auf ein Genre festlegen. Er wirkt in der Komödie "Ossi's Eleven" mit und spricht immer wieder für die deutschen Synchronfassungen, so auch bei "Ab durch die Hecke" und "G-Force - Agenten mit Biss". Neben Kino- und Fernsehauftritten steht Koch regelmäßig auf Theaterbühnen.
2024