Jean-François Martin/Ricore Text
Scarlett Johansson bei der Eröffnung der Filmfestspiele in Venedig 2006
Zwischen Vamp und Fräuleinwunder
Interview: Schattenseiten von Scarlett Johansson
Scarlett Johansson ist 21 Jahre jung. In diesem Alter schmieden andere Mädchen gerade ihre ersten Berufspläne und kämpfen mit dem letzten Babyspeck. Nicht so Fräulein Johansson! Von Kindesbeinen an verfolgte sie ihr Ziel, Schauspielerin zu werden. Mit acht Jahren steht sie zum ersten Mal auf der Bühne - mit Ethan Hawke. Längst gehört Scarlett zu den bestbezahlten Schauspielerinnen. In "The Black Dahlia" verkörpert die blonde Beauty das verführerische Ex-Gaunerliebchen Kay. Wir trafen die sympathische Schauspielerin bei den Filmfestspielen in Venedig 2006. Im Gespräch erzählte sie von ihrer Vorliebe für Glamour-Garderobe, von Geburtstagen in Disneyland und warum sie ein Altherrenauto fährt.
erschienen am 13. 10. 2006
20th Century Fox
Scarlett Johansson auf der Weltpremiere von "Wir kaufen einen Zoo" in New York
Ricore: Scarlett, Ihre Filmfigur in "The Black Dahlia" ist eine Frau mit dunkler Vergangenheit. Was sind denn Ihre Schattenseiten?

Scarlett Johansson: Da müssten wir nur ein bisschen mehr Zeit miteinander verbringen, dann könnten Sie die Frage selbst beantworten (lacht). Verraten Sie es mir doch am Ende dieses Interviews!

Ricore: Abgemacht! Sie sehen in Ihrer Rolle als blonder Vamp großartig aus. Haben Sie sich in den glamourösen Outfits so wohl gefühlt, wie es wirkt?

Johansson: Und wie! Ich bin schließlich ein Mädchen (lacht). Ich liebe es, mir bei jedem Film einen neuen Look für meine Rolle auszudenken. In "The Black Dahlia" wollte ich wie eine Art "Glamour-Hausfrau" aussehen. Also habe ich meine Haare platinblond gefärbt, was ich sehr sexy fand, und mich von Kopf bis Fuß in Kaschmir gekleidet. Meine Outfits sollten so wirken, als wäre ich eine Frau, die ihre ganze Zeit nur damit verbringt, für ihren Liebsten perfekt auszusehen.

Ricore: Muss ein Filmstar wie Sie noch selber shoppen gehen, oder laden namhafte Designer tonnenweise Kleider vor Ihrer Haustür ab?

Johansson: Ich lasse mir doch nicht meine Shoppingtouren nehmen (lacht)! Egal, ob ich gerade im Terminstress bin oder schlecht gelaunt: Zum Klamottenkauf habe ich immer Zeit und Lust. Darüber hinaus habe ich aber tatsächlich das Glück, dass mir viele Kleidungsstücke von Designern auf den Leib geschneidert werden. Seit neuestem entwerfe ich übrigens auch selber Kleidung.

Ricore: Sie meinen Ihre Kollektion für das Sportlabel Reebok?

Johansson: Ja, ich habe eine eigene Linie mit Turnschuhen und Damen-Freizeitkleidung im Retro-Stil entworfen. Sie kommt ab Frühjahr 2007 in die Läden.
Jean-François Martin/Ricore Text
Schauspielerin Scarlett Johannson präsentiert sich in angemessener Abendrobe bei den Filmfestspielen in Venedig 2006.
Ricore: Wollten Sie sich damit einfach mal jenseits der Schauspielerei ausprobieren?

Johansson: Ja, ich bin ja schon seit 14 Jahren im Schauspielgeschäft und habe nie etwas anderes gemacht. Dabei interessiere ich mich sehr für Design, Kunst und natürlich vor allem für Mode. Die Idee für eine eigene Kollektion trug ich schon länger mit mir herum. Als Reebok dann auf mich zukam, war ich ganz Feuer und Flamme. Allerdings wollte ich nicht wie andere Hollywood-Stars einfach nur meinen Namen für eine Bekleidungslinie hergeben, sondern tatsächlich alles selber entwerfen. Das hat mir unglaublich viel Spaß gemacht.

Ricore: Woher nehmen Sie denn neben der Schauspielerei die Zeit dafür her?

Johansson: Das frage ich mich auch (lacht). Auf der einen Seite kann ich es kaum erwarten, mich an die Herbst-/Winter-Kollektion zu setzen, auf der anderen Seite graut mir ein bisschen davor. Das wird ein richtig großer Brocken Arbeit.

Ricore: Kommen wir von der Mode zu anderen schönen Luxusgegenständen: In "The Black Dahlia" sind herrliche Oldtimer-Autos zu sehen. So ein Wagen würde Ihnen doch privat auch stehen.

Johansson: Oh, damit treffen Sie einen wunden Punkt bei mir. Vor Jahren habe ich mir einen BMW Z4 gekauft. Ein Prachtauto! Dummerweise fuhr ich den Wagen sofort zu Schrott, als ich ihn beim Händler abholte. Das waren eindeutig zu viel PS unter meinem Hintern! Ich frage mich bis heute, warum mir meine Eltern dieses Auto überhaupt erlaubt haben. Seitdem fahre ich ein Altherren-Auto, einen alten Jaguar.

Ricore: Bei den Dreharbeiten verliebten Sie sich in Ihren Filmpartner Josh Hartnett. War es Liebe auf den ersten Blick?

Johansson: (lacht) Hat Ihnen Ihre Mutter nicht gesagt, dass sich solche intimen Fragen nicht gehören?
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Scarlett Johansson und Brian de Palma bei der Eröffnung der Filmfestspiele in Venedig 2006.
Ricore: Gegenfrage: Hat Ihre Mutter Sie nicht davor gewarnt, mit Schauspielern auszugehen?

Johansson: Meine Mutter hat mir geraten, am besten gar nicht auszugehen (lacht). Aber im Ernst: Ich spreche nicht gerne über mein Liebesleben. Schließlich bin ich kein Politiker, sondern Schauspielerin. Wenn ich später mal verheiratet bin und Kinder habe, dann werde ich gerne über mein Familienleben plaudern. Aber momentan ist mir das einfach unangenehm. Immerhin bin ich erst 21 Jahre alt.

Ricore: Trotz Ihres jungen Alters überzeugen Sie in äußerst komplexen Rollen. Wie bereiten Sie sich auf Ihre Filme vor - gehen Sie nach einer bestimmten Methode vor?

Johansson: Nein, ich folge einfach meiner Intuition und verlasse mich von Szene zu Szene ganz auf mein Gefühl. Manchmal liegt man damit natürlich auch falsch. Es passiert immer wieder, dass mir ein Regisseur sagt, er habe sich die Szene völlig anders vorgestellt. Ich glaube aber nicht, dass man das durch eine andere Art der Vorbereitung vermeiden könnte.

Ricore: Bei der Titelfigur aus "The Black Dahlia" handelt es sich um eine junge Schauspielerin, die voller Hoffnungen und Träume nach LA geht. Leider gerät sie auf ihrer Jobsuche an die falschen Leute und wird schließlich ermordet. Welche Erfahrungen haben Sie zu Beginn Ihrer Karriere gemacht?

Johansson: Ich bin, wie schon gesagt, seit 14 Jahren in diesem Business und dementsprechend eng mit ihm verwachsen. Die Filmindustrie in LA hat mich immer fair behandelt. Ich empfinde ihr gegenüber eine große Loyalität. Dennoch ist mir klar, dass Los Angeles ein sehr isolierter und einsamer Ort sein kann.

Ricore: Scheitern manche Schauspieler an ihrem Ehrgeiz?

Johansson: Egal, in welcher Branche man arbeitet: Es ist immer fatal, wenn man nicht genug bekommen kann. Viele Leute wissen das, was sie haben, nicht zu schätzen. Sie wollen immer mehr, als sie ohnehin schon erreicht haben. Das kann schnell zum Verhängnis werden.
Warner Bros.
Scarlett Johansson in "The Black Dahlia"
Ricore: Wodurch sind Sie auf dem Boden geblieben?

Johansson: Die lange Erfahrung hat mir sicherlich auf meinem Weg geholfen - ich habe in den vergangenen Jahren viel gelernt. Darüber hinaus war mir aber auch der Rückhalt meiner Familie immer sehr wichtig. Meine Eltern sind beide große Filmliebhaber und hatten deshalb stets Verständnis für meinen Beruf. Vor allem meine Mutter ist geradezu ein wandelndes Filmlexikon. Ich glaube, sie hat jeden Film gesehen, der je gedreht wurde (lacht).

Ricore: Ihr Vater ist Däne. Sind Sie zweisprachig aufgewachsen?

Johansson: Nein, leider nicht. Ich spreche gar kein dänisch. Dabei habe ich sogar einen dänischen Pass, besitze also die doppelte Staatsbürgerschaft. Ich bin oft in Kopenhagen, habe dort eine kleine Nichte. Ich sollte wirklich bald dänisch lernen.

Ricore: Um auf das Versprechen zu Beginn unseres Interviews zurückzukommen: Uns sind keine Schattenseiten an Ihnen aufgefallen. Im Gegenteil: Sie wirken sehr besonnen für Ihre 21 Jahre.

Johansson: Das kann ich mir nur schwer vorstellen (lacht). Sie waren schließlich nicht dabei, als ich meinen 20. Geburtstag in Disneyland gefeiert habe!

Ricore: Haben Sie für Ihren Geburtstag Disneyland schließen lassen?

Johansson: Nein, mit einem hässlichen Hut und einer Sonnenbrille getarnt kann man wunderbar durch Disneyland spazieren. Das Vergnügen will ich mir nicht nehmen lassen. Meine Mutter ist in ihren besten Jahren und liebt es genauso wie ich, dort hinzugehen.

Ricore: Wir müssen uns also keine Sorgen machen, dass Sie als Ex-Kinderstar um eine glückliche Kindheit betrogen wurden?

Johansson: Nein, überhaupt nicht. Ich bin sehr dankbar für meinen Werdegang. Ich habe die Möglichkeit, das zu tun, was ich liebe und damit sogar erfolgreich zu sein. Die Schauspielerei ist meine Berufung. Ich liebe mein Leben!
erschienen am 13. Oktober 2006
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Mit "The Black Dahlia" verfilmte Kultregisseur Brian De Palma nach Vorlage des gleichnamigen Bestsellerromans von James Ellroy die halbfiktionale Geschichte um die Ermordung eines Hollywoodsternchens. Das Ergebnis bekommt kein uneingeschränktes Lob.
2024