Universal Pictures (UPI)
Rowan Atkinson in "Johnny English - Jetzt erst recht!"
Jeder Brite träumt davon, Geheimagent zu sein!
Interview: Aus Mr. Bean wird 00English
Ja, er sieht wirklich so aus wie Mr. Bean. Und der große Leberfleck an der Nase ist auch echt. Aber sein Anzug sitzt wie angegossen, seine Sätze bestehen aus mehr als drei Worten, und komisch ist er auch nicht. Eloquent, ja, geistreich, nachdenklich. Aber lächerlich ist nur die Figur, Mr. Bean - ihr Darsteller Rowan Atkinson sicher nicht. Ricore Medien traf den britischen Schauspieler und Komiker anlässlich des Starts seines neuen Films "Johnny English" zum Gespräch.
erschienen am 10. 04. 2003
Universal Pictures (UPI)
Rowan Atkinson in: Johnny English


Ricore: Als Mr. Bean sind Sie tollpatschig, rüpelhaft, grob und manchmal auch einfach nur dumm. In "Johnny English" spielen Sie einen britischen Agenten, dem ebenfalls ein Missgeschick nach dem anderen passiert. Ist diese Figur ein Abklatsch von Mr. Bean?

Rowan Atkinson: Oh nein, es gibt große Unterschiede zwischen den beiden! Mr. Bean ist ein ausgesprochen unangenehmer Mensch. Er ist selbstsüchtig und egozentrisch, nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht und rücksichtslos gegenüber anderen Menschen. Johnny English dagegen, Geheimagent im Auftrag Ihrer Majestät, hat zwar seine Fehler - allen voran den, dass er seine eigenen Fähigkeiten permanent überschätzt -, aber er ist kein schlechter Mensch. Er ist mutig, er hat ein gutes Herz und gute Absichten. Das kann man von Mr. Bean wirklich nicht behaupten.

Ricore Medien: Haben Sie je davon geträumt, einen Geheimagenten zu spielen?

Atkinson: Davon träumt doch jeder! Zumindest jeder Brite. Da bin ich keine Ausnahme. Konkret wurde die Sache aber erst, als ich 1992 begann, in Werbespots für eine Kreditkarte einen Spion zu spielen, dem ein Missgeschick nach dem anderen passiert. Damals entstand diese Figur - und auch die seines Assistenten. Die Grundidee der Spots sah vor, dass der Assistent immer vorschlägt, die Kreditkarte zu benutzen, um aus misslichen Lagen herauszukommen. Der Agent aber glaubt nicht an die Wirksamkeit der Karte und versucht, andere Auswege zu finden. Natürlich scheitert er. Diese Werbespots waren zwar nur jeweils 60 Sekunden lang, aber sie wurden ähnlich aufwendig produziert wie ein Spielfilm. So kam ich auf die Idee, aus der Figur des sich selbst überschätzenden Geheimagenten einen Film zu machen.
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Rowan Atkinson und Natalie Imbruglia in: Johnny English
Ricore: "Johnny English" nimmt viele Anleihen bei James Bond. Sind Sie ein Bond-Fan? Haben Sie sich vielleicht sogar an den Filmen orientiert?

Atkinson: Ja, ich mag die Bond-Bücher sehr! Sie sind ziemlich düster und grausam, die Charaktere härter, als sie in den Filmen gezeigt werden. In ihnen herrscht eine ganz eigene, sehr spannende Atmosphäre. Der James Bond der Romane ist ganz klar ein Kind der Fünfziger Jahre. Die Filme dagegen haben den Charakter für jedes Jahrzehnt neu definiert - und das überaus erfolgreich. Und doch ist im Laufe der Zeit etwas Eigenartiges passiert: Es fiel den Machern der Bond-Filme zunehmend schwerer, sich selbst ernst zu nehmen. Daher enthalten die Filme immer mehr selbst-parodierende Elemente, Gags, die die lange Bond-Tradition aufgreifen und ins Komische ziehen. Insofern bewegen auch wir mit "Johnny English" uns in dieser Tradition: Wir haben die Idee der Selbst-Parodie übernommen und ins Extrem getrieben.

Ricore: Haben das nicht auch die Austin Powers-Filme getan?

Atkinson: Nein, Austin Powers ist zwei Millionen Meilen entfernt von Johnny English! Die Austin-Powers-Filme sind albern und absurd, sie nutzen jede, wirklich jede Gelegenheit, um einen Witz unterzubringen - auch auf Kosten der Geschichte. Dagegen haben wir uns durchaus an der Realität orientiert - obwohl "Johnny English" natürlich weitaus mehr Gags enthält, als man in einem Agentenfilm vermuten würde. Ich finde, Geheimagent English ähnelt nicht Austin Powers, sondern viel mehr dem James Bond von Roger Moore: Er ist ähnlich lässig, ähnlich geistreich wie Moore - nur dass ihm eben ab und zu etwas misslingt.

Ricore: Ein Agentenfilm kommt nicht ohne Stunts aus, da macht auch "Johnny English" keine Ausnahme. Haben Sie sich dafür doubeln lassen, oder hatten Sie den Ehrgeiz, die Stunts selbst zu machen?

Atkinson: Oh nein! Tom Cruise soll tun, was er möchte (lacht), aber ich muss nicht all meine Stunts selbst drehen. Leid getan hat mir das nur bei den Auto-Szenen. Ich liebe schnelle Autos, ich fahre gerne Rennen, und ich hätte gerne alle Auto-Stunts in "Johnny English" selbst gemacht. Leider war das ein logistisches Problem: Ich musste die wichtigsten Szenen des Films genau zu der Zeit drehen, als auch die Stunts aufgenommen wurden, und so konnte ich nicht dabei sein. Aber die Szene in der Kathedrale, wo ich an einem 20 Meter langen Seil hin- und herschwinge - das bin ich selbst! Ich muss aber gestehen: Ich hatte Angst. Jedes Mal aufs Neue. Ich dachte, ich würde mich daran gewöhnen, aber jedes Mal, wenn ich wieder auf dieser Brüstung hoch über der Kirche saß und darauf wartete, 20 Meter hinunterzuspringen, hatte ich Angst.
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Rowan Atkinson in: Johnny English
Ricore: Nervt es Sie nicht, wenn die Leute ständig von Ihnen erwarten, dass Sie etwas Lustiges tun?

Atkinson: Das kommt mir gar nicht so vor. Früher, ja, da wurde oft von mir erwartet, dass ich auch dann komisch bin, wenn ich keine Rolle spiele. Ich glaube, damals habe ich viele Menschen enttäuscht. Inzwischen hat es sich wohl herumgesprochen, dass ich ganz anders bin als die Charaktere, die ich spiele. Vor allem anders als Mr. Bean (lacht)! Heute empfinde ich es als angenehm, wie mir Menschen auf der Straße begegnen. Sie lächeln oder strahlen mich an - nicht, weil ich in diesem Moment gerade etwas Komisches getan hätte, sondern weil sie sich daran erinnern, dass ich sie bei anderer Gelegenheit, auf der Leinwand oder im Fernsehen, zum Lachen gebracht habe. Das Bild von mir, das sie im Kopf haben, führt dazu, dass sie mir mit Wärme und Herzlichkeit begegnen - und das genieße ich sehr.

Ricore: Haben Sie nicht auch einmal Lust, eine ernste Rolle zu spielen?

Atkinson: Die Werkzeuge, die man benutzt, um eine ernste Rolle zu spielen, sind dieselben wie für eine komische Rolle. Die Tätigkeit ist immer dieselbe: Schauspielen. Das heißt: Eine Situation schaffen, der Figur eine Haltung verleihen und herausfinden, wie sie sich in dieser Situation verhalten würde. Ich möchte nicht überheblich klingen, aber ich sehe mich mehr als Schauspieler denn als Komiker. Und in meinen komischen Rollen konnte ich bisher meine künstlerische Kreativität vollkommen ausleben - dafür brauche ich nicht unbedingt eine ernste Rolle. Was nicht heißt, dass ich sie mir nicht zutrauen würde.

Ricore: Wenn Sie sich eine wünschen könnten - welche ernste Rolle würden Sie gerne spielen?

Atkinson: Hmmm (rollt mit den Augen), ich weiß nicht, ich weiß nicht... Vielleicht so eine Figur, wie sie Robin Williams im " Club der toten Dichter" spielt - ich fand ihn da sehr gut. Allerdings hatte die auch ihre komischen Anteile. Wissen Sie, viele Schauspieler sind ganz wild auf komische Rollen. Warum? Ganz einfach: Sie wollen gemocht werden. So wie jeder von uns. Sie bringen ihr Publikum zum Lachen, denn sie bereiten ihm Freude. Auf diese Weise ernten sie viel Sympathie. Wenn komische Schauspieler plötzlich anfangen, ernste Rollen zu spielen, bleibt ihr Bedürfnis, gemocht zu werden, unbefriedigt. Deswegen wollen Sie dann nur positive Figuren spielen, Menschen mit einem guten Herzen usw. Es ist für komische Schauspieler nicht leicht, plötzlich auf die Sympathie ihres Publikums zu verzichten. Und dasselbe gilt auch umgekehrt: Das Publikum entlässt einen Komiker nicht ohne Weiteres aus seinem Image. Wenn ich jetzt eine ernste Rolle spielen würde, müsste ich das mit sehr, sehr viel Überzeugung tun, um die Menschen all die anderen Rollen vergessen zu lassen, in denen ich sie zum Lachen gebracht habe. Nein, im Moment bin ich sehr zufrieden mit dem, was ich tue.
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Rowan Atkinson in: Johnny English
Ricore: Ihr Land führt Krieg im Irak. Glauben Sie, das ist die richtige Zeit für eine Komödie?

Atkinson: Unser Film hat keinen Bezug zum Irak. Es hätte ja auch um internationalen Terrorismus, um Attentate und ähnliche Themen gehen können - bei einem Agentenfilm liegt das nahe -, aber das tut es zum Glück nicht. Was eine Komödie bieten kann, ist ein wenig Entspannung und Freude, eine kleine Ablenkung von Sorgen und Ängsten. Natürlich löst ein komischer Film keine Probleme, aber er bringt Menschen zum Lachen. Und Lachen kann in einer solch angespannten Situation eine therapeutische Wirkung haben.

Ricore: Darf ich Sie nach Ihrer persönlichen Meinung über den Irak-Konflikt fragen?

Atkinson: Sie dürfen fragen, aber ich möchte nicht antworten. Es gibt Entertainer, die ihre Popularität ausnutzen, um politische Statements abzugeben. Aber ich möchte das nicht. Ich finde, unsere Aufgabe ist es, zu unterhalten.

Ricore: Gibt es für Sie Tabu-Themen, über die Sie niemals einen Witz machen würden? Wie weit würden Sie für einen Witz gehen?

Atkinson: Ich würde eine Meile weit gehen (lacht)! Nein, im Ernst: Jeder Witz muss sein Publikum finden. Wenn du einen Witz machst und das Publikum lacht nicht, bist du zu weit gegangen. Aber diese Grenze zu finden, ist nunmal die Aufgabe eines Komikers. Theoretisch gibt es für mich nichts, worüber ich keinen Witz machen würde. Aber praktisch schon. Es ist alles eine Frage des Zeitpunktes. Um noch einmal auf den Irak zurückzukommen: Heute wäre dieses Thema überhaupt nicht komisch, aber in zwei Wochen oder Monaten vielleicht schon. Das hängt davon ab, ob es gelingt, einen anderen, einen komischen oder ironischen Blickwinkel darauf zu finden.
erschienen am 10. April 2003
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Rowan Atkinson wird 1955 im englischen Newcastle-upon-Tyne als Sohn eines Bauers geboren. Er studiert zunächst Elektrotechnik und wird Ingenieur. Während der Ausbildung verfasst er mit einem Freund Comedy-Revues und führt diese selbst auf. Schließlich wird er Koautor und Darsteller in der Comedyshow "Not the Nine O'Clock News", einem Riesenerfolg auf der Insel. Mr. Bean" international Anerkennung findet. Mit der gleichnamigen Figur entstehen auch zwei Spielfilme, genau wie mit Atkinsons neuer..
2024