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Leonardo DiCaprio in "Blood Diamond"
In Afrika schürfen
Interview: DiCaprio im Diamantenfieber
Leonardo DiCaprio gehört in Hollywood zu den gefragten Schauspieler. In den letzten zehn Jahren entwickelte er sich vom Teenie-Idol zum ernstzunehmenden Schauspieler. Nachdem es in letzter Zeit etwas ruhiger um ihn geworden ist, meldet sich DiCaprio nun eindrucksvoll auf der Kinoleinwand zurück. In Edward Zwicks "Blood Diamond" spielt er den jungen Söldner Danny Archer, der sich inmitten der Wirren des Bürgerkrieges in Sierra Leone auf die Suche nach einem Diamanten macht. Bei unserem Gesprächstermin gibt sich der Oscarnominierte Star gelassen.
erschienen am 27. 01. 2007
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"Blood Diamond": Leonardo DiCaprio in Afrika
Ricore: Wie haben Sie sich auf die physisch anspruchvolle Rolle und den Akzent ihrer Figur vorbereitet?

Leonardo DiCaprio: Ich wollte von Anfang an nach Afrika gehen. Der Akzent war mir fremd. Ich habe nie Zeit mit einem südafrikanischen Söldner verbracht. Ich wollte dort ganz unvoreingenommen hingehen und das Verhalten dieser Menschen studieren. Ich habe mir ihre Geschichten angehört und soviel Zeit wie möglich mit ihnen verbracht. Ich habe sie betrunken gemacht - was nicht all zu schwer war (lacht). Außerdem hatten wir viele Helfer, die uns die militärischen Aspekte erklärt und das Fährtenlesen im Busch beigebracht haben. Ich lernte ebenfalls etwas über die Mentalität, wie es ist, Afrikaner zu sein, wie, wenn man auf diesem Kontinent über einen so langen Zeitraum lebt. Man ist enttäuscht von der ständigen politischen Gewalt. Ich hörte diese ganzen Geschichten aus erster Hand. Ich traf mich mit diesen Leuten und versuchte ihre persönlichen Geschichten in meinem Charakter einzuarbeiten. Viel Zeit verbrachte ich damit den Akzent, der für mich australisch klang - zu perfektionieren. Dafür hatte ich einen Dialekt-Trainer, der mich schulte.

Ricore: Wie war die Arbeit in Afrika?

DiCaprio: Was mich am meisten bestürzt hat, war die Not leidende Bevölkerung. Die Armut und die Erkenntnis, dass vier von zehn Menschen an AIDS erkrankt sind. Wie kann das einem persönlich nicht berühren? Ihre Einstellung zum Leben hat mich beeindruckt. Man fährt durch Mosambik und die Menschen tanzen auf den Straßen. Sie sind so glücklich am Leben zu sein und hatten so eine positiven Anschauung auf das Leben. Wenn man dann zurück nach Amerika geht, wo wir soviel mehr Glück haben, ist es wirklich unserer Aufgabe ein Stück davon zurück zu geben. Man erkennt wirklich, wie viel Glück wir haben.
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Leonardo DiCaprio und Djimon Hounsou auf der Flucht
Ricore: Was denken die über ihre Rollenfigur Danny Archer und was haben Sie ihm, nachdem Sie das Drehbuche gelesen haben, noch hinzugefügt?

DiCaprio: Natürlich musste ich ihm wie gesagt zunächst einmal den südafrikanischen Slang verpassen. Ich habe Wochen damit verbracht, Leute um Zigaretten oder Alkohol anzuschnorren, nur um den Fortschritt meiner Bemühungen zu kontrollieren. Das war ein langer Prozess. Als ich Ed Zwick das erste Mal traf, sagte er zu mir, dass Archer ein weißer Afrikaner sei, der schon viele Gräueltaten mit ansehen musste. Trotzdem kommt er aus einer anderen Welt, als die meisten Afrikaner. Dadurch, dass er mitten unter Gangstern lebt, und mit ihnen Geschäfte macht, verleugnet er seine Herkunft und sich selbst. Er will den Kontinent verlassen und braucht dafür das Geld aus den Diamantengeschäften. Ich und Ed haben viel über diesen Charakter gesprochen. Archer ist vor selbst auf der Flucht. Das ist ein essentieller Punkt bei der Figurenanalyse. Durch die Freundschaft mit Solomon findet er zu sich zurück und ist sich im Klaren darüber, woher er kommt. Das ist meine Interpretation der Rolle von Danny Archer, der sich immer außerhalb der Gemeinschaft gesehen hat und am Ende merkt, dass er ein Teil von dieser Gemeinschaft ist. Das ist eine gelungene Symbolik. Er ist ein Teil der Welt.

Ricore: An welcher Stelle bricht der wahre Charakter von Danny Archer durch?

DiCaprio: Um ehrlich zu sein, ich glaube in dem Moment als er erschossen wird. Ich bin sehr ernsthaft mit dieser Rolle umgegangen und ich denke es braucht eine lange Zeit, bevor sich Menschen grundlegend verändern. Im Angesicht des Todes verkürzt sich dieser Prozess auf ein Minimum. Archer stellt sich in diesem Moment die Frage, ob er überleben soll oder ob er sein Leben opfern soll, damit er seine Partner nicht zu verraten braucht. Das ist eine der interessantesten Stellen des Drehbuches, denn das scheint mir sehr nahe an der Realität von Menschen, die sich in dieser prekären Situation befinden. Man muss entscheiden, was einem das Wichtigste im Leben ist.

Ricore: Wie war die Zusammenarbeit mit Djimon? Er hat eine sehr starke Präsenz in diesem Film.

DiCaprio: Er ist eine Naturgewalt, wenn er am Set erscheint. Die Leidenschaft, die er besitzt, als Afrikaner nach Afrika zurückzukehren. Er hat selbst keine Kinder. Wir waren gestern bei Oprah. Wir sprachen darüber, wie man in Afrika auf die Kleinen aufpasst, wenn man selbst keine Kinder hat. Es ist diese Einstellung, die wir immer bewahren müssen. Da war etwas Unglaubliches in ihm, etwas woher er kam. Er man spürte sofort diese Intensität, welche er auch in seinen Charakter mit eingebracht hat. Ich denke, viele Filmszenen sind ein Resultat von unserer Zusammenarbeit: Einen so langen Zeitraum allein in dieser afrikanischen Landschaft und diese zwei Charaktere zu spielen, die von den verschiedenen Enden eines Spektrums kommen. Der eine Mann, der seine Geldgier befriedigen will und zu einem besseren Ort gelangt. Der andere Mann, der sein Kind wieder finden will und zu seiner Familie wieder Kontakt aufnehmen will. Er ist ein extrem talentierter Schauspieler und hat so eine erstaunliche Leistung abgeliefert. Es war mir eine große Ehre, mit ihm zu arbeiten. Kein anderer hätte die Rolle so spielen können. Wir wurden sehr gute Freunde. Wir haben sehr viel Zeit miteinander verbracht und hatten eine echte Verbindung zueinander.
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Leonardo DiCaprio, Jennifer Connelly
Ricore: Warum haben Sie sich für den Film entschieden und wie hat er Ihre persönliche Weltsicht verändert?

DiCaprio: Es ist sehr selten, dass man ein Drehbuch erhält, nachdem man wirklich gesucht hat. Der Film ist eine Kombination aus Unterhaltung und ein Kunstwerk mit einer bedeutenden politischen Botschaft. Der spezifische Zeitabschnitt und die Tatsache, dass er auf einer wahren Begebenheit beruht, hat eine starke Wirkung auf die Leute. Man ist sehr bewegt bei den Geschichten dieser Menschen. Hat es meine Weltansicht geändert? Es hat meine Ansicht geändert. Ich meine, es ist etwas was ich und wir alle schon immer wussten, dass die Kooperationen und diese Industrien alle Verantwortung tragen. Sie haben Verantwortung für ihre Menschen, das Umfeld und die Orte, wo die natürlichen Ressourcen, wie Diamanten oder Gold extrahiert werden. Sie sollten nicht ihre Vorteile aus Kriegsgebieten ziehen. Wenn Sie darüber reden, was für eine Wirkung dieser Film auf Menschen hat, so sieht man dies bereits im Film. Natürlich hat die Diamantenindustrie Besserung gelobt, aber der Prozess muss verbessert werden. Dies ist bereits eine Auswirkung des Films auf die Realität.

Ricore: Wir alle kennen Ihre ökologischen Bemühungen und ihre wohltätigen Arbeiten. Können Sie etwas über Ihr Engagement bei Wohltätigkeitsveranstaltungen erzählen? Wie entscheiden Sie, wann es reicht?

DiCaprio: Man muss nur die Augen öffnen und Dinge an sich heranlassen. Die Probleme sind omnipräsent. Es gab bei den Dreharbeiten dieses Mädchen aus Mosambik, das mich gerührt hat. Ich habe erfahren, dass ihre Eltern an AIDS gestorben sind. Ich war involviert in diese schrecklichen Dinge, die symbolisch für die Situation in Afrika sind. Ich habe das Waisenhaus besucht in dem das Mädchen lebt und habe Kinder gesehen die alles verloren haben. Ein Waisenhaus zu besuchen, ist wie ein Besuch im Taj Mahal. Dort gibt es Leute die sich komplett der Hilfe für Waisen verschreiben. Das möchte ich mit meinen Mitteln auch tun.

Ricore: Wie war die Arbeit mit Edward nachdem Sie zwei Filme hintereinander mit Martin Scorsese gedreht haben?

DiCaprio: Ich war sehr beeindruckt von Ed und von dem konventionellen Drehbuch. Er und Marshall haben sehr viel Zeit in Afrika verbracht. Sie sagten: "Wenn wir einen Film oder ein Projekt wie dieses machen wollen, müssen wir die wahre Geschichte erzählen." Der ganze Film und der Realitätsaspekt ist das Resultat von seinem persönlichen Engagement. Es gibt einige Konventionen in dem Film, welche die Masse des Publikums anspricht, aber gleichzeitig sagte er immer: "Wir müssen das machen, um Zuschauer anzulocken." Er hatte einen 24-Stunden-Tag und so eine intensive Verbindung zu der Thematik, zu Afrika und der Geschichte, er war erbarmungslos. Er hat in diesem Film nichts beschönigt.
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Leonardo DiCaprio geht auch als Schauspieler gereift seinen Weg
Ricore: Sagen wir, Sie könnten für drei Monate der US-Präsident oder der Papst sein - für wen würden Sie sich entscheiden?

DiCaprio: Ich würde den Präsidenten wählen. Ich wäre sehr gern der Präsident und würde versuchen die Umweltpolitik der USA zu verbessern. Da sind wir mit unserem Land sehr weit zurück. Wir sind die größten Verursacher der globalen Erwärmung. Wir machen fünf Prozent der Erdbevölkerung aus, also würde ich versuchen, dass dieses Land in grüne Techniken investiert. Allerdings weiß ich nicht, wie man die anderen Probleme beheben könnte. Ich würde nur für einen Tag vorbei schauen, ein paar Gesetze einführen und wäre dann wieder draußen.

Ricore: Wie gehen Sie mit dem unglaublichen Medienrummel um Ihre Person um? Sie haben sich vom Teenie-Star zum ernstzunehmenden Schauspieler gewandelt. Seit Ihren letzten Werken ist allerdings auch eine Menge Zeit vergangen, was haben Sie in der Zwischenzeit gemacht?

DiCaprio: Ich habe seit meinem 16 Lebensjahr die gleiche Einstellung zu meinem Beruf. Als ich Schauspieler wie Robert De Niro das erste Mal sah, merkte ich den gewaltigen Unterschied zu herkömmlichen Fernsehdarstellern. Mit welcher Intensität er seine Charaktere inszenierte, hat mich unglaublich beeindruckt. Eventuell hab ich mir in den letzten Jahren noch mehr Handwerkliches angeeignet, aber meine Einstellung und die Herangehensweise sind unverändert. Meine Leidenschaft für die Schauspielerei ist ungebrochen. Der Erfolg von "Titanic" hat mich von meiner schauspielerischen Vergangenheit komplett abgeschnitten, aber ich wollte es unbedingt ausprobieren.

Ricore: Bereuen Sie den Schritt im Nachhinein?

DiCaprio: Nein, überhaupt nicht. Es ist nicht nur ein großartiger Film, sondern mein Erfolg durch "Titanic" hat mir auch eine Menge Türen geöffnet und auf verschiedenen Ebenen Möglichkeiten geboten. Es hat mich in den Fahrersitz geschleudert und mir ermöglicht viele große Filme zu machen.

Ricore: Herr DiCaprio, wir bedanken uns für das Gespräch.
erschienen am 27. Januar 2007
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Blood Diamond (Kinofilm)
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