Eiryan/Ricore Text
Christoph Maria Herbst
Herbst - nicht Stromberg!
Interview: Selbst gemachtes Pesto
Christoph Maria Herbst ("Stromberg") mag negativ angehauchte Charaktere. Selbst William Shakespeares Romeo konnte den Vegetarier nicht überzeugen. Viel lieber wäre er in die Haut des draufgängerischen und frechen Mercutios geschlüpft. Dazu passt sein geheimer Plan das Fallschirmspringen und Paragleiden auszuprobieren. Mit uns sprach der Adolf-Grimme-Preisträger über fehlende Zeit während Dreharbeiten, die Gefahr der Überpräsenz am Bildschirm und die geringe Ähnlichkeiten zu Stromberg.
erschienen am 18. 02. 2007
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Die Aufschneider
Ricore: Was hat Sie an der Rolle "Prof. Radmanski" fasziniert?

Christoph Maria Herbst: Es war nicht so sehr die Rolle, als vielmehr Carsten Strauch selbst. Ich kannte ihn bis dahin nicht. Er schickte mir seine Kurzfilme und das Drehbuch und so stellte sich alles als "Rundum-Sorglos"-Paket dar. Ich fand seine Kurzfilme ausgezeichnet. Sie verdienen zu Recht jeden Preis, den sie erhalten haben. Auch das Drehbuch zu "Die Aufschneider" fand ich grandios. Die Rolle, die er mir angeboten hatte, wollte ich gerne spielen, auch wenn es wieder eher ein negativer Charakter ist. Aber das nahm ich gerne in Kauf. Ich finde den lakonischen Witz äußerst gelungen und mir gefiel Carstens Art der Inszenierung. Letztendlich ist es auch eine Art Nachwuchsförderung, da ich glaube, dass man von Carsten Strauch noch das Eine oder Andere sehen wird.

Ricore: In "Die Aufschneider" geht es um zwei rivalisierende Krankenhäuser. In welches würden Sie sich lieber einliefern lassen, in die heruntergekommene Eichwaldklinik oder in die moderne St. Georg?

Herbst: In keine von beiden. Das sind zwei Extreme. Im Eichwald hätte ich doch den Verdacht, dass eine zentimeterdicke Staubschicht auf dem Operationstisch liegt. das St. Georg ist mir wiederum zu entmenschlicht und zu Hightech. Ich würde eher danach trachten, dass es gar nicht soweit kommt, dass ich ans Messer muss. Das ist ja das Schöne am deutschen System, dass man die freie Auswahl hat, in welches Krankenhaus und zu welchem Arzt man sich begibt.

Ricore: Stellt der Film in Ihren Augen einen Realitätsanspruch, speziell was die Situation der Ärzte betrifft?

Herbst: Der Film kommt natürlich zum richtigen Zeitpunkt. Aber ich glaube nicht, dass es Carsten Strauchs Anliegen war, ein gesellschaftspolitisches Statement abzugeben. Sicher hat die derzeitige Situation genutzt, um vor diesem Hintergrund eine Komödie zu erzählen. Die Ärztesituation ist immer aktuell, momentan erleben wir nur massiv, wie die so genannten Halbgötter in Weiß mit Megaphonen auf die Straße gehen. Von Carsten war das sicherlich nicht so bedacht.

Ricore: Gibt es Ähnlichkeiten zwischen Stromberg und Prof. Radmanski?

Herbst: Es gibt gewiss einen Schnittpunkt zwischen den zwei Charakteren. Hierarchisch liegt Radmanski jedoch an einer ganz anderen Stelle als die kleine Wurst Stromberg, der sich groß redet ohne es zu sein. Radmanski ist immerhin Chefarzt einer Klinik. Gut, er ist korrupt, aber er hat die Zügel in der Hand, kann wirklich dirigieren und delegieren. Er hat auch die Macht korrupt zu sein. Stromberg könnte ja nicht korrupt sein, weil er gar nicht weiß, wie das Wort geschrieben wird. Grob gesagt, ist es wieder eine Figur, die im Bereich der Arschlöcher anzusiedeln ist.
Christoph M. Herbst als korrupter Oberarzt.
Ricore: Glauben Sie, hätte Stromberg "Die Aufschneider" gemocht?

Herbst: Er würde, glaube ich, Spaß daran haben, den Film anzugucken und würde auch an so einer Figur wie Radmanski Gefallen finden. Nach Außen hin wäre er sicher entsetzt und würde es eine Frechheit finden, dass solche Leute an entscheidenden Positionen sitzen. Aber nach Innen würde er sich wahrscheinlich wünschen, er wäre jemand wie Radmanski, der das Sagen und noch dazu einen so schönen Titel hat, nämlich einen Professor. Radmanski hat auch sehr viel schönere Zähne.

Ricore: Was wäre wohl Strombergs Kommentar dazu?

Herbst: Es fällt mir ad hoc sehr schwer, mich in Strombergs Kosmos hineinzudenken, deshalb kann ich ihnen mit einem schönen, knackigen Satz nicht aushelfen.

Ricore: Wieviel Stromberg steckt in Christoph Maria Herbst?

Herbst: Stromberg steckt gar nicht in mir, den würde ich gar nicht in mich hineinlassen. Letztlich steckt soviel von seiner Figur in mir, wie auch von anderen Figuren, die ich spiele. Denn diese Figuren kann man spielen. Zumindest in homöopathischen Dosen. Man bläst diese vor der Kamera bis zur Kenntlichkeit auf, um es verschroben auszudrücken. Die wesentlichen Charaktereigenschaften von Stromberg, diese latente Ausländer- und Frauenfeindlichkeit, diese Raffinesse, diese Tücke und dieses sehr Einsame und Jämmerliche, was er auch hat, aber letztlich doch nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist, das sind alles Dinge, die mir fremd sind. Und deshalb macht es auch besonderen Spaß, solche Rollen zu spielen.

Ricore: Wie sehen Sie die Zukunft der "Comedy" in Deutschland?

Herbst: Ich muss mich immer wieder eines Besseren belehren lassen. Ich dachte ja schon vor vielen Jahren, dass der so genannte Comedy-Boom zu Ende sei, aber das ist totaler Unsinn. Die Formate wechseln sich ab. In den nächsten Jahren wird sicherlich viel ausprobiert werden. Der Markt ist immer auf der Suche nach etwas Neuem. Ich kann nicht sagen, ob es weitere Comedy-Formate wie "Stromberg" geben wird, wo mit der Behauptung gearbeitet wird, es handle sich um eine Dokumentation. Ich sehe die Comedy-Entwicklung sehr entspannt. Ich glaube, in keinem anderen Genre gibt es so breit gefächerte Formate, so dass für jeden etwas dabei ist. "Stromberg" bedient ja auch eine andere Zuschauerschaft, als "Die Aufschneider". So hat jede Zielgruppe ihr eigenes Format und das ist doch prima.
Nina Kronjäger unterstützt als hinterhältige Ärztin die Machenschaften ihres Chefs.
Ricore: Befinden Sie sich lieber auf den Brettern die die Welt bedeuten oder bevorzugen Sie den Film?

Herbst: Das kann ich nicht gegeneinander ausspielen. Ich sage immer: "Alles zu seiner Zeit." Aber einmal im Jahr merke ich, ich muss auf die Bühne. Von da komme ich und ich genieße es zu wissen, dass da unten vielleicht 800 Menschen sitzen. Das ist ein sehr sinnliches Erleben. Aber nur Theater zu spielen, könnte ich mir nicht vorstellen.

Ricore: Befürchten Sie durch diesen erneut etwas negativen Charakter ein einseitiges Rollenangebot?

Herbst: Radmanski ist mit negativen Energien ausgestattet und es war klar, dass ich dieses charakterliche Umfeld spielen kann. Aber mit diesem Stempel, oder wie auch immer man das nennen will, lebe ich im Moment noch ganz gut. Negative Charaktere sind einfach die schillernden Rollen. Natürlich erhalte ich durchaus auch andere Angebote. Als ich noch beim Theater arbeitete, waren die negativen Figuren meist die Spannenderen. Vor rund 15 Jahren habe ich einmal William Shakespeares Romeo gespielt. Viel lieber wäre ich Mercutio gewesen. Er war für mich einfach die spannendere Figur. So ist es halt. Die langweiligen Sachen spiele ich in einer späteren Phase meines Lebens.

Ricore: Finden Sie nicht, dass Radmanski trotz seines korrupten Wesens einen gewissen Charme besitzt?

Herbst: Das liegt vielleicht daran, dass Sie privat auf Kafka stehen?

Ricore: Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Wir werden in Zukunft also weitere interessante Rollen sehen?

Herbst: Das hoffe ich sehr. Das ist auch das Schöne in meinem Beruf, möglichst unterschiedliche Sachen machen zu können. Ich spiele jetzt aber nicht nur negative Charaktere spielen. Da achte ich auch selbst darauf, ich will ja die Zuschauer nicht langweilen. Auch für mich muss der Job von einer gewissen Kurzweile geprägt sein.

Ricore: Woran arbeiten Sie gerade

Herbst: Im Moment stecke ich noch in den Dreharbeiten zu der dritten Staffel von "Stromberg". Diese sind ab Februar im Fernsehen zu sehen. Ansonsten freue ich mich sehr auf die Lesetour, die mich über den gesamten Januar hinweg beschäftigen wird. Wir sind an 31 Tagen in 31 verschiedenen Städten und lesen aus dem Bestseller von Tommy Jaud "Vollidiot". Ansonsten wird das erste Quartal 2007 vor allem davon geprägt sein, dass ich Dinge promote, wie beispielsweise "Die Aufschneider" oder die "Stromberg"-Staffel. Irgendwann erscheint der zweite Teil von "Der Wixxer". Das sind momentan die Dinge, die mich am Meisten beschäftigen.
Carsten Strauch übernahm sowohl eine Hauptrolle als auch jene des Regisseurs.


Ricore: Haben Sie keine Angst vor einer zu starken Präsenz im Fernsehen?

Herbst: Ja klar, deshalb will ich auch nicht zuviel machen. Ich möchte ein gewisses Maß an Überpräsenz vermeiden und verhindern, dass ich den Fernseher anmache und sage: "Oh Gott, da bin ja schon wieder ich." Ich habe zum Glück eine Agentin, die mit Argusaugen darüber wacht. Das ist auch der Grund warum ich manchmal Kürzer trete und nicht, weil ich mit 40 schon meinen Buckel spüre.

Ricore: Bleibt Ihnen neben Ihrer Arbeit genug Zeit für Ihr Privatleben?

Herbst: Zum Glück ja. Die Zeit schaufle ich mir frei. Es ist aber auch heute noch so, zum Teil auch bei anstrengenden Dreharbeiten, dass am Wochenende nicht gearbeitet wird. Wenn man aber acht Folgen einer Serie am Stück dreht, muss ich soziale Kontakte häufig aufs Telefon beschränken. Aber mein Bekannten- und Freundeskreis weiß das und so erhalte ich in diesen stressigen Zeiten Absolution.

Ricore: Womit können Sie sich am Besten ablenken?

Herbst: Hobbys wie Malen oder Schreiben habe ich nicht. Ich gehöre zu den Menschen, die ihr Hobby zum Beruf gemacht haben, nämlich die Schauspielerei. Es tut mir gut nach Phasen großer Anstrengung wie im Jahr 2006, einfach gar nichts zu machen. Ich ziehe gerne einmal den Stecker und komme dann aus dem Morgenmantel nicht mehr heraus. Ich kann den ganzen Tag faulenzen, lesen und Nichtstun. Tatsächlich beherrsche ich die hohe Kunst des Faulseins par excellence. Wenn ich mehr Zeit am Stück hätte, würde ich sehr gerne Studienreisen machen, Paragleiden oder Fallschirmspringen. So ein paar Gedanken habe ich durchaus noch im Kopf. Und natürlich möchte mein Freundeskreis mich mal wieder zu Gesicht bekommen.

Ricore: Was ist ihr Lieblingsreiseziel?

Herbst: Das kann ich jetzt so nicht sagen. Da es in den deutschen Landen immer kühler wird, zieht es mich spontan in die Wärme. Im Frühjahr würde ich gerne irgendwo in die Südsee fliegen um mich ein, zwei oder auch drei Wochen an den Strand zu knallen und mich bedienen zu lassen. Das Ziel ist bislang noch in meinem Kopf, aber ich hätte nichts dagegen, wenn es Gestalt annehmen würde.

Ricore: Sie sind Vegetarier?

Herbst: Ich bin kein richtiger Vegetarier, das ist nicht der korrekte Ausdruck für mich, weil ich zuweilen auch Fisch esse. Fleisch und Wurst esse ich jedoch gar nicht mehr.

Ricore: Wie kam es dazu?

Herbst: Der Grund liegt in ethischen wie auch in gesundheitlichen Aspekten. Schmecken würde es mir wahrscheinlich. Der Ausschlaggebende Punkt war wohl der Höhepunkt der BSE-Krise. Ich habe mir sehr bewusst diese Reportagen angeguckt und Rinder gesehen, die verfeuert wurden. Das tat einfach weh. Das war auch der Punkt, wo ich die ganze Sache bewusst an mich rangelassen habe. Irgendwann habe ich dann zu mir gesagt: "Aus Fleisch habe ich mir eh noch nie was gemacht, dann ist das jetzt ein willkommener Anlass, einen Schlussstrich zu ziehen."

Ricore: Was ist ihr Lieblingsgericht?

Herbst: Ich habe kein richtiges Gericht, aber worauf ich schlecht verzichten kann, ist viel frisches und reifes Obst. Das sind immer tolle Mahlzeiten für zwischendurch. Es kann auch Trockenobst sein, gerade wenn man dreht gibt einem das unmittelbare Energie. Ansonsten mag ich die asiatische und mediterrane Küche sehr gerne. Jede Variation an Nudeln und Reisgerichten sind schon was Tolles, gerade auch in der asiatischen Küche, wo viel und geschickt mit Obst und Gewürzen gearbeitet wird. So ist es immer wieder ein Erlebnis neue Gerichte auszuprobieren. Ansonsten habe ich immer eine selbst gemachte Pesto im Eisfach, wenn mich nachts der Hunger überkommt, ist das sehr schnell aufgetaut.

Ricore: Herr Herbst, ich danke Ihnen für das Gespräch.
erschienen am 18. Februar 2007
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