Warner Bros. Pictures
Jennifer Lopez
Ich fühlte mich provoziert
Interview: Vergessene Schicksale
In "Bordertown" spielt Jennifer Lopez eine Journalisten die im amerikanisch-mexikanischen Grenzgebiet einer exorbitant hohen Anzahl von Frauenmorden nachgeht. Um die Grenzstadt Juárez herum fokussieren sich die Aktivitäten des mutmaßlichen Serientäters. Zu unserem Gesprächstermin erscheint die Schauspielerin und Sängerin sichtlich gelöst.
erschienen am 22. 02. 2007
Falcom Medien
Bordertown
Ricore: Was halten Sie von den Filmfestspielen in Berlin?

Jennifer Lopez: Ich mag die Atmosphäre hier und habe nur gute Erinnerungen an das Festival. Es ist ein bisschen chaotisch, aber das finde ich nicht schlimm. Hier in Berlin stehen die Filme im Vordergrund.

Ricore: Haben Sie sich vor dem Film bereits mit der Problematik der Frauenmorde im amerikanisch-mexikanischen Grenzgebiet befasst?

Lopez: Erst Regisseur Gregory Nava hat mich darauf aufmerksam gemacht. Ich hatte zuvor keine Ahnung davon, was in Juarez vor sich geht. Als ich mich dann mehr damit beschäftigt habe, entwickelte sich bei mir eine Leidenschaft für das Thema. Gregory und ich haben viel über das Drehbuch gesprochen und uns intensiv mit der Geschichte auseinandergesetzt.

Ricore: Was hat Sie an der Rolle gereizt?

Lopez: Die Frauen in "Bordertown" wurden von der Gesellschaft komplett übersehen. Keiner hatte ein Auge auf diese Frauen und keiner hat sich um sie gekümmert. Es ist, als hätte es sie nie gegeben. Das hat mich ärgerlich gemacht und provoziert.

Ricore: Fällt es schwerer einen ernsthaften Charakter glaubhaft darzustellen, wenn man Jennifer Lopez heißt?

Lopez: Kann schon sein. Natürlich verbinden mich viele mit der Popkünstlerin und nicht mit einer Schauspielerin, die in einem Film mit ernster Thematik auftaucht. Ich bin nicht unglücklich über mein Image, denn ich arbeite sehr hart für meinen Erfolg. Manche erkennen nicht, dass ich auch in meinen Texten als Sängerin immer wieder variiere oder dass ich versuche, verschiedene Filmcharaktere zu spielen. Ich spiele in "Bordertown" eine unkomplizierte und uneitle Frau, die sich nicht viel um ihr äußeres Erscheinungsbild sorgt. Ich wollte sie so authentisch wie möglich zeigen.

Ricore: Wünschen Sie sich manchmal, nicht im Rampenlicht zu stehen?

Lopez: Manchmal, wenn ich zum Beispiel einkaufen gehe, dann wäre es einfacher, wenn man mich nicht sofort erkennen würde. Ansonsten kann ich gut damit leben.
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Jennifer Lopez und Antonio Banderas in "Bordertown".
Ricore: Wie war das Treffen mit den Müttern der ermordeten Frauen?

Lopez: Das war eine sehr schwierige und intensive Erfahrung für mich. Man kann das nur schwer wiedergeben. Mit Müttern zu sprechen, die ihre Töchter verloren haben, ist unbeschreiblich. Man möchte die ganze Zeit Dinge sagen oder tun, die sie aufheitern, aber das ist unmöglich. Das einzige was man tun kann, ist auf ihre Schicksale aufmerksam zu machen und darauf hinzuweisen, dass immer noch Frauen vermisst werden. Es ist eine große Tragödie die sich dort abspielt. Hinzu kommt, dass es kaum jemanden interessiert, was dort passiert. Das ist der Grund, weswegen wir "Bordertown" gemacht haben. Ich hoffe, wir können damit etwas ändern.

Ricore: In "Bordertown" kommen Sie in gefährliche Situationen. Wie gehen Sie privat mit bedrohlichen Situationen um?

Lopez: Ich war privat noch nie in einer vergleichbaren Situation wie meine Figur. Aus diesem Grund ist die Frage schwer zu beantworten. Allerdings kenne ich das Gefühl vor etwas Angst zu haben. Ich bin mir bewusst, dass Männer stärker sind als Frauen und Einige imstande sind, mit der daraus resultierenden Macht Missbrauch zu treiben. Als Schauspielerin merkt man das deutlich, wenn man mit einem männlichen Kollegen agiert. Ich habe jedoch den beteiligten Schauspielern in "Bordertown" immer gesagt, dass sie keine Angst haben sollen mich zu verletzen. Ich wollte ein bisschen so empfinden, als wenn es mir in der Realität passiert. In manchen Szenen konnte ich dann ansatzweise nachempfinden, was es bedeutet, wenn jemand einen ernsthaft attackiert und fühlte mich komplett hilflos.

Ricore: Wie gehen Sie mit der Kritik an "Bordertown" um?

Lopez: Ich habe über 20 Filme gemacht und einige Erfahrung in dem Geschäft. Es ist immer das Gleiche: Der eine mag etwas, der andere mag es nicht. Ich akzeptiere das. Geschmäcker sind eben verschieden. Nachdem wir den Film auf der Berlinale präsentiert haben, war es ganz ruhig im Auditorium. Alle waren sehr berührt und ergriffen. Ich bin stolz auf den Film, weil ich denke, dass er gut geworden ist.

Ricore: Welche Erfahrungen konnten Sie als Produzentin sammeln?

Lopez: Zunächst muss man sich als Produzentin um alles kümmern. Woher kommt das Geld, weshalb wird die Szene umgestellt und so weiter. Als Schauspielerin lernt man einfach seinen Text und versucht, es dem Regisseur Recht zu machen. Das hat man selbst in der Hand. Als Produzentin muss man mit anderen kooperieren, was manchmal ganz schön hart sein kann. Etwa wenn es darum geht, einen Kompromiss zu finden. Es war jedoch eine tolle Erfahrung ein Filmprojekt aus einem anderen Blickwinkel zu erleben. Zudem begleitet man als Produzentin ein Projekt von der Idee bis zur Präsentation, was die Verbindung zur Thematik intensiviert.

Ricore: Inwieweit unterscheiden sich Interviews zu Filmen zu Ihrer Tätigkeit als Sängerin?

Lopez: Die Gespräche unterscheiden sich nicht sonderlich voneinander. Natürlich weichen die Fragen je nach Themenbereich ab. Es kommt immer darauf an. Es gehört einfach dazu. Da ich in der Zukunft sowohl weiterhin Musik und Filme machen will, genieße ich es einfach jetzt hier zu sitzen und mit Ihnen zu sprechen.

Ricore: Auch ich habe das Gespräch genossen. Vielen Dank, Frau Lopez.
erschienen am 22. Februar 2007
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