Tzveta Bozadjieva/Ricore Text
Marcus H. Rosenmüller
Zuhause ist es am Schönsten
Interview: Rosenmüllers Welt
Seit "Wer früher stirbt, ist länger tot" ist die kleine oberbayerische Gemeinde Hausham der Ort, der mit einem der interessantesten jungen Regisseure in Verbindung gebracht wird - Marcus H. Rosenmüller. Nun präsentiert der Bayer mit "Beste Zeit" bereits seinen dritten Spielfilm. Zum Interview erscheint er gut gelaunt. Im unverwechselbaren, aber noch verständlichen Dialekt reflektiert er über Freundschaft und Heimat. Seine Berufung hat er schon gefunden: Geschichten mit und von den Menschen, die er kennt und liebt, zu erzählen. Rosenmüllers Energie ist ansteckend und das Gespräch mit ihm macht Laune - genau wie seine Filme.
erschienen am 22. 07. 2007
Constantin
Anna Maria Sturm (in "Beste Zeit")
Ricore: Es ist ein bisschen überraschend, dass Sie nach "Schwere Jungs" einen Mädchenfilm machen. Was interessierte Sie an diesem Thema?

Marcus H. Rosenmüller: Ich habe das Drehbuch schon vor "Wer früher stirbt, ist länger tot" gelesen. Ich habe sofort gemerkt, dass die Autorin da was getroffen hat, was ich sehr gut kenne. Ich kannte jede Figur und jedes Dilemma im Film. Ich dachte mir. "Sie schreibt über meine Zeit!" Deswegen hat es mir sehr gut gefallen - ich wollte das unbedingt machen.

Ricore: Haben Sie sich auch zwischen Heimat und der Fremde entscheiden müssen?

Rosenmüller: Das nicht. Ich habe mich eher in den Burschenfiguren gesehen. Rocky, der immer mit jemandem sein wollte und immer der Kumpel war, oder Mike, der arrogant hergeredet hat, ich kannte all die Figuren. Es ging nicht um Amerika, sondern um das Ziel, wegzugehen. Das war das Studieren bei mir dann später. Deswegen konnte ich alles so gut nachvollziehen.

Ricore: Bei ihnen dreht sich vieles um Bayern. Haben Sie nicht Bedenken, als Heimatfilmregisseur abgestempelt zu werden?

Rosenmüller: Nein, diesbezüglich habe ich keine Bedenken. Es ist nämlich so, dass ich Drehbücher lese. Wenn sie mir gefallen und ich sie machen darf, dann bin ich froh. Wenn das gute Geschichten sind, ist es mir egal, ob die als Heimatfilme gelten.

Ricore: Es wird von "Nouvelle Vague" des Heimatfilms gesprochen...

Rosenmüller: (lacht) Nouvelle Vague - das ist nicht mein Ziel. Obwohl Truffaut ein Riesenvorbild für mich ist. Leider eins, das ich nicht erreichen kann. Ich kapiere schon, wie groß meine Filme sein werden. Sie sind kleine Geschichten, die mir sehr gut gefallen. Ich finde es toll, dass solche Geschichten ins Kino kommen.
Constantin Film
Beste Zeit
Ricore: Haben Sie darüber nachgedacht, "Beste Zeit" zu untertiteln?

Rosenmüller: Während der Produktion haben wir gedacht, dass der Film irgendwo in Bayern laufen wird. Ich fand es wichtig, dass er in Dialekt ist, weil es stimmiger ist. Die Geschichte kommt ehrlicher rüber. Es entsteht sofort ein Regionalbezug, es ist etwas Kleines, Bescheidenes. Ich fände es komisch, wenn der Film im Dachauer Hinterland auf Hochdeutsch wäre. Das würde ja nicht stimmen. Außerdem muss man ja nicht jedes Wort verstehen. Die Szenen sind wichtig. Wenn sich zwei streiten, dann weiß man sofort: "Aha, Vater, Tochter!" Das hat schon jeder erlebt.

Ricore: Würden Sie "Beste Zeit" als Coming-of-Age-Geschichte beschreiben?

Rosenmüller: Ich weiß nicht, ob Coming-of-Age das Richtige ist. Mir ging in erster Linie um die Loslösung von Heimat und Familie, um die Momente, in denen man intensiv lebt. Dann gibt es Momente, in denen dieses Lösen schwer fällt.

Ricore: Wie haben Sie ihre Hauptdarstellerinnen gefunden?

Rosenmüller: Durch Castings. Ich habe wieder mal eine wunderbare Casterin. Für die ersten zwei Filme hatte ich Nessie Nesslauer. Jetzt war es Franziska Aigner-Kuhn. Die bringt mir immer so tolle Talente. Anna Maria Sturm finde ich schon eine Neuentdeckung. Rosalie Thomass ist auch der Wahnsinn. Sie hat aber schon was gemacht, die kennt man schon ein bisschen. Anna Maria Sturm war noch nie vor der Kamera gestanden. Ich mochte die zwei wahnsinnig gern, finde sie super. Ricore: Ihre Filme haben eine gewisse Ähnlichkeit mit Gerhard Polts Filmen. Würden Sie dem zustimmen?

Rosenmüller: Bei "Beste Zeit" finde ich das nicht. Die anderen zwei vielleicht. Es kommt ein bisschen Gerhard Polt-Humor rein. Es kann sein. Er wohnt nicht weit weg von mir. Wir kennen uns persönlich nicht. Ich kenne seine Sachen und vielleicht rede ich so ähnlich wie er.

Ricore: Sein Humor ist jedoch bissiger, Sie gehen mit viel Liebe mit den Bayern um...

Rosenmüller: Naja, er ist Kabarettist. Er muss härter zutage gehen als ich. Es geht mir nicht so sehr um Bayern, sondern um die Menschen. Es ist meine Liebe zum Menschen. Ich möchte nicht den bayerischen Heimatpfleger machen. Es geht mir um die Art und Weise, wie ich dieses Zueinader empfinde oder wie es sein sollte. Ich möchte vielleicht zeigen, wie die Welt sein sollte und wie man miteinander umgehen müsste. Das ist ein Ziel meiner Filme.
Constantin
Marcus H. Rosenmüller am Set von "Beste Zeit"
Ricore: Sie pendeln zwischen München und Hausham...

Rosenmüller: Beruflich bin ich in letzter Zeit in München. Ich bin aber auch oft in Hausham, das ist meine Heimat. Wahrscheinlich muss ich irgendwann wegen dem Beruf ganz nach München kommen. Oder nach Berlin, oder nach Düsseldorf (lacht).

Ricore: Wo wären Sie am liebsten?

Rosenmüller: Arbeitsmäßig und lebensmäßig wäre München durchaus super. Aber ich kann mir auch vorstellen, ganz wegzugehen. Aber immer für eine Zeit. Ich glaube, ich möchte immer zurückkommen. Ich bin schon sehr gern daheim.

Ricore: Werden Sie immer noch mit dem Regisseur Marcus O. Rosenmüller verwechselt?

Rosenmüller: Natürlich gab es schon Verwechslungen. Aber wir haben uns dann diesen Trick einfallen lassen. Er hat sein "O" und ich das "H" vor den Familiennamen eingefügt. Es wird immer seltener, dass wir verwechselt werden. Wir haben uns vor ungefähr vier Jahren auf dem Münchner Filmfest kennen gelernt und es war total interessant. Wir haben den gleichen Namen und den gleichen Beruf. Er ist ein ganz Sympathischer. Irgendwann müssen wir was Gemeinsames machen. Dann würde es heißen: "Von Marcus O. und Marcus H. Rosenmüller". (lacht)

Ricore: "Beste Zeit" ist der Anfang einer Trilogie. Wie geht es weiter?

Rosenmüller: Genau. Zentrales Thema in zweiten Teil ist die Freundschaft zwischen Kati und Jo. Sie müssen lernen von der Idealvorstellung loszulassen, dass man immer Freunde bleibt und immer alles gemeinsam erlebt. Das haut nicht hin, man geht auseinander und trotzdem kann man die Freundschaften pflegen.

Ricore: Gibt es Unterschiede zwischen Jungs- und Mädchenfreundschaften?

Rosenmüller: Das glaube ich nicht. Ich denke da emanzipiert. Es gibt keine großen Unterschiede. Gewisse biologische Differenzen vielleicht, wann man in die Pubertät kommt oder ähnliches. Ich denke, die Mädels können genauso gut sich treffen und Bier trinken. Wenn die zwei da vom Berg herunterschauen, empfinden die Mädels eine Sehnsucht, die ich genauso nachvollziehen kann. Ich habe mich aber auf mein Gefühl verlassen. Ob Mann oder Frau macht es keinen Unterschied. Ich habe mir gedacht: "Hätte ich Angst vor Wegfahren? Wie würde ich mit so einer Situation umgehen?"
Constantin
Nachwuchsdarstellerinnen Anna Maria Sturm und Rosalie Thomass
Ricore: Kleine Filme mit Lokalkolorit sind im Kommen. Sehen Sie das auch so?

Rosenmüller: Ich glaube schon, dass kleine Filme mit regionalem Bezug gut ankommen, weil sich die Leute besser identifizieren können. Wegen der Angst vor der Globalisierung, dass alles gleich wird, finden das die Leute umso besser, wenn man so eine Art Enklave findet. Für mich war es "Lang lebe Ned Devine". Er ist ein englischer Film, der von zwei Alten auf einer Insel handelt, die im Lotto gewinnen. Er schildert eine Gemeinschaft, die überschaubar ist und die man will. Man will dann einfach dazu gehören. Das muss nicht die eigene Gemeinschaft sein. Bei "Lang lebe Ned Devine" habe ich mich auch zugehörig gefühlt. Weil es nicht so beliebig war.

Ricore: Haben Sie sich viele Filme auf dem Filmfest angeschaut?

Rosenmüller: Nein, wir befinden uns in der Postproduktion. Vor zwei Wochen haben wir die Dreharbeiten zum zweiten Teil abgeschlossen. Dazu bereite ich einen neuen Film vor. "Räuberkneisl". In Bayern ist er ein bekannter Räuber um die Jahrhundertwende gewesen, er wurde dann geköpft. Eigentlich hat er eine tolle Geschichte.

Ricore: Ein Kostümfilm?

Rosenmüller: Kostüme werden eine entscheidende Rolle spielen, um Authentizität zu verbreiten. Ich könnte mir vorstellen, dass es eine anstrengende Sache wird.

Ricore: Ist der Druck inzwischen gewachsen?

Rosenmüller: Bei mir ist der Druck immer hoch genug, weil ich immer gut sein möchte. Mein Ehrgeiz ist sehr groß, einen schönen Film zu machen. Wenn ich das Drehbuch lese, will ich die Bilder, die dabei in meinem Kopf entstehe auch so zustande bringen. Der Druck kann nicht höher werden.

Ricore: Werden Sie auf der Straße erkannt?

Rosenmüller: Manchmal, leider. Ich bin ja hinter der Kamera, wenn ich erkannt werden möchte, dann wäre ich vor der Kamera. Nein, das stimmt so nicht. Aber mir ist es schon lieber, wenn ich meine Privatsphäre habe.

Ricore: Vielen Dank für das nette Gespräch!
erschienen am 22. Juli 2007
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Beste Zeit (Kinofilm)
Kati (Anna Maria Sturm) und Jo (Rosalie Thomass) sind beste Freundinnen. Wie alle Mädchen in ihrem Alter träumen die Siebzehnjährigen von Freiheit und der großen Liebe. Marcus H. Rosenmüller inszeniert mit "Beste Zeit" eine warmherzige, humorvolle und nachdenkliche Hommage an die Jugend. Wie in "Wer früher stirbt, ist länger tot", findet der Zuschauer wieder die für Rosenmüller typische Spanne von Komik bis Tragik.
2024