Andrea Niederfriniger/Ricore Text
Dušan Milić entspannt beim Interview.
Traditionsreiche Trompetenmusik
Interview: Das Herz und die Seele Serbiens
Serbische Trompetenmusik erfüllt nicht nur Dušan Milićs neuestes Werk, sondern auch die gemütliche Gartenterrasse in einem Münchner Hotel. Diese traditionellen Klänge spielen die zentrale Rolle in dem leichten Musikfilm "Gucha". Die an Shakespeare angelehnte Liebesgeschichte mit Happy End lässt die Frage zu, ob der Regisseur an die wahre Liebe glaubt. Ja, das tut er, obwohl die Zeiten schwer geworden sind. Nichts desto trotz, genießt der Schützling von Emir Kusturica seinen morgendlichen Kaffee im angenehmen sommerlichen Wetter.
erschienen am 6. 09. 2007
Kinowelt
Das Plakat zum Kinofilm "Gucha".
Ricore: Wie entstand die Idee zu diesem Film?

Dušan Milić: Schon seit jeher gefallen mir Musikfilme. Irgendwann wollte ich auch einen drehen. Aber in meiner Heimat Serbien existiert die Tradition des Musicals nicht. Schließlich stieß ich auf die Geschichte über den jungen Trompeter. Diese ganz spezielle serbische Musik kennen wir alle, sie ist weltweit bekannt. Das war die ideale Gelegenheit, einen Musikfilm zu machen, von dem ich immer schon geträumt habe.

Ricore: Sind sie eng mit der Tradition der serbischen Musik verbunden?

Milić: In Serbien ist diese traditionelle Trompetenmusik sehr beliebt und weit verbreitet. Alte und junge Leute fühlen sich davon angesprochen. Sie wird sowohl auf Hochzeiten als auch auf Beerdigungen gespielt. Die Musik ist tief mit unserer serbischen Kultur verwurzelt. Daher wollte ich sie auch in meinem Film verwenden.

Ricore: Spielen Sie auch Trompete?

Milić: Nein, ich bin total unmusikalisch. Als wir am Anfang der Produktion standen, hat uns der bekannte, serbische Jazz-Trompeter Dusko Gojkovic unterstützt. Er ist 75 Jahre alt und lebt seit knapp 40 Jahren in München. Er ist einer der besten Trompeter der Welt und hat bereits mit Miles Davis und anderen Berühmtheiten gespielt. In den Anfangsstunden des Skripts habe ihn dann kontaktiert und wollte, dass er die Musik zum Film macht. Das hätte sehr gut gepasst, denn im Moment experimentiert er mit Jazz und Balkan-Sounds. Leider war eine Zusammenarbeit terminlich nicht möglich, er ist sehr beschäftigt und ständig unterwegs. Aber er hat mir sehr viel über die Philosophie des Trompetenspiels beigebracht. Was wichtig und unwichtig ist, worauf man achten muss. Ich habe sehr viel von ihm gelernt.

Ricore: Wie stehen junge Mensche in Serbien zu dieser doch sehr traditionellen Musik? Marko Markovic, der Hauptdarsteller, ist ja einer der besten Trompeter Serbiens?

Milić: Ja, er ist ein ausgezeichneter Trompeter. Er ist der Sohn von Boban Markovich, einer der besten und anerkanntesten Roma-Trompeter. Während unserer Dreharbeiten war Marko gerade mal 16 Jahre jung. Er ist extrem talentiert. Ich glaube, in den nächsten Jahren wird er zu einem der besten Trompeter. Junge Leute brauchen immer einige Jahre, um mit dieser Musik zu wachsen, man muss sich erst entwickeln, der Körper muss sich ausbilden.

Ricore: Kann man sagen, dass diese Musik das Herz und die Seele Serbiens ist?

Milić: Ja, natürlich. In allen Momenten unseres Lebens begleitet uns diese Musik. Es gibt schnelle und langsame Lieder, für alle Lebenslagen. Die Musik ist in unseren Genen, nicht nur in den serbischen, sondern sie ist präsent in den ganzen Balkanstaaten.
Kinowelt
Marko Markovic bei seinem unvergleichlichem Trompetenspiel.
Ricore: In ihrem Film beschreiben Sie den Konflikt zwischen zwei Volksgruppen? Wie würden Sie die reale Situation heute beschreiben?

Milić: Wie überall auf der Welt gibt es auch in Serbien Rassenprobleme. Bei uns leben Romas und weiße Serben schon seit vielen Jahrhunderten zusammen. Das ist sehr wichtig für die Musik. Irgendwann haben die Weißen begonnen, Trompete zu spielen. Die Romas, von Natur aus sehr talentiert, haben begonnen, diese Musik zu imitieren. Daraus entwickelte sich ein eigener Stil. So gibt es nun diesen Wettbewerb zwischen den beiden Volksmusik-Arten.

Ricore: Dieser Wettbewerb gipfelt im traditionellen Trompeten-Festival in Gucha...

Milić: Ja genau, Serben spielen den "weißen Stil", wenn man so will. Aber am Ende vereinen sie sich mit den Romas und spielen wie in einem großen Orchester. Dies geschieht allerdings nur in meinem Film. Auf dem wahren Gucha-Festival gibt es einen großen Kampf zwischen weißer Musik und jenem Spiel der Roma. Ein Jahr gewinnen diese, ein anderes Jahr jene. Die Stilrichtungen sind sehr verschieden, das Zusammenspiel der beiden gibt es nur in meinem Film, das habe ich erfunden. Das war meine Idee von Gleichheit. Daher habe ich auch eine Liebesgeschichte zwischen einem weißen Mädchen und einem Roma gesponnen.

Ricore: Shakespeare inspirierte Sie offensichtlich zu dieser Liebesbeziehung. Sind Sie ein Fan des britischen Dichters?

Milić: Ja, auf jeden Fall. In meinen Augen ist er der beste Literat, den es jemals gegeben hat. Als ich das Drehbuch begann, fiel mir natürlich die verbotene Liebe zwischen Romeo und Julia ein, das ließ sich sehr gut mit meiner Geschichte verbinden. Der Kampf zwischen zwei Familien, eine untersagte Liebe, ein Vater der nicht will, dass sich seine Tochter in einen Mann einer anderen Hautfarbe verliebt. Aber ich wollte meiner Geschichte ein Happy End geben, da dies besser zu einem Musikfilm passt.

Ricore: Die Liebe zwischen ihren Protagonisten muss viele Hürden überwinden. Glauben Sie an die wahre Liebe?

Milić: Natürlich glaube ich an die wahre Liebe, aber heutzutage ist sie schwer zu finden. Trotzdem bin ich ein romantischer Kerl und glaube, dass sie jeder finden kann, aber die Zeiten sind schwer geworden. Das Medium Film ist jedoch nicht die Kopie der realen Welt. Im Film gibt es nicht soviel Realität, wie man sich das vielleicht wünscht. Für mich ist Film mehr wie ein Traum, wo man Realität in höhere Gefilde transportiert.
Jean-François Martin/Ricore Text
Emir Kusturica
Ricore: Bereits in Ihrem ersten Film arbeiteten Sie mit Emir Kusturica zusammen. Wie wichtig ist er für Ihre Arbeit?

Milić: Er ist sehr wichtig für mich. In meinem ersten Film wirkte er als Produzent, in "Gucha" als Koproduzent mit. Ich liebe seine Filme, und habe sehr viel von ihm gelernt. Ich war bei vielen seiner Shootings dabei und habe ihn bei seiner Arbeit beobachtet. Er hat mir gelehrt, dass Film sehr viel mehr bedeutet als das, was ich am Ende auf der Leinwand sehe. Ich kann sagen, er ist so eine Art Mentor für mich. Ich habe ihn vor rund 15 Jahren kennen gelernt und gab ihm mein erstes Drehbuch, das er sehr mochte. Er wollte mir helfen den Film zu realisieren.

Ricore: Hat er Sie in ihrem Stil beeinflusst?

Milić: Ich weiß es nicht, vielleicht im Unterbewusstsein. Er hat mir vieles beigebracht. Vielleicht kopiere ich ihn hier und da, aber unbewusst. Mir gefallen auch viele andere Regisseure, die total anders arbeiten als er.

Ricore: Schreckt sie Kusturicas Ruhm und Erfolg manchmal ab?

Milić: Ich denke er ist momentan einer der besten lebenden Regisseure. Nicht umsonst hat er zwei Mal die Goldene Palme in Cannes gewonnen. Er hat alles gewonnen was es gibt, bis auf den Oscar. Aber mich beeindruckt mehr seine Person und sein Charakter. Er ist nicht nur Regisseur, sondern auch Philosoph. Wenn man auf jemanden Großes trifft, erkennt man mehr in ihm als nur die Arbeit, die er macht.

Ricore: Sie haben für "Gucha" den Publikumspreis auf dem Festival von Sofia erhalten...

Milić: Ja, der Preis bedeutet mir sehr viel, vor allem da es der Publikumspreis ist. Film ist etwas, was ein Kollektiv zusammenbringt. Hat man ein Publikum in einem Kino, welches das Werk gut aufnimmt, ist es besser, als die Goldene Palme zu gewinnen. Dort sitzt nämlich nur jemand in der Jury der sagt, das ist ein guter Film. Publikumspreise sind für mich daher viel bedeutsamer.

Ricore: Welche Reaktionen erwarten Sie vom deutschen Publikum?

Milić: Ich weiß nicht, aber ich hoffe mein Film wird als eine Art exotisches Drama aufgenommen. Es ist ein leichter, musikalischer Film. Ich hoffe, dass mein Werk die Herzen der Menschen trifft.
Andrea Niederfriniger/Ricore Text
Dušan Milić mit schicker Sonnenbrille.
Ricore: Werden Sie in Zukunft weiterhin musikalische Filme drehen?

Milić: Ich weiß es nicht. Im Moment arbeite ich an einem ganz anderen Drehbuch, mit einigen Science-Fiction-Elementen. Mir gefallen Geschichten, wo die Menschen sich erst entwickeln. Kleine Leute, die versuchen, in die nächste Stufe ihres Lebens zu gelangen, und dadurch allerhand durchmachen. Der nächste Film wird etwas in dieser Art...

Ricore: Was wünschen Sie sich für Ihre Zukunft?

Milić: Ich hoffe, ich kann so weiterarbeiten, und dass meine Filme von Mal zu Mal besser werden. Ich mag nicht einer von diesen Regisseuren sein, bei denen der erste Film ein Riesenhit ist, und danach hört man nichts mehr von ihnen. Auch ich möchte mit meinem Beruf wachsen.

Ricore: Wie war Ihre Zusammenarbeit mit den zwei Hauptdarstellern? Denn für beide war es die erste Schauspielerfahrung.

Milić: Nach dem Casting hab ich mich sehr gefürchtet. Für Aleksandra Manasijevic war es das erste Mal vor der Kamera. Allerdings hatte sie bereits einige Erfahrung auf der Bühne. Ich freute mich sehr auf Marco, da ich wusste, welches Talent er besaß, ein bisschen Angst war allerdings auch dabei. Aber nach dem ersten Drehtag waren all meine Ängste verschwunden. Beide waren sehr gut. Ich hatte sehr viel Glück.

Ricore: Wie sehen Sie den serbischen Filmmarkt und die Filmproduktion heute?

Milić: In Serbien gibt es so gut wie keine Filmproduktion. Die Produktionen sind sehr teuer, und das Land hat keine Geldmittel für solche Dinge übrig. Wir müssen uns an wohlhabende Länder wie Frankreich, Deutschland und Italien wenden, um Produzenten zu finden. Die Zukunft unserer Filmproduktion und auch jene von Europa liegt sicherlich in Kooperationen mit anderen Ländern. Auf andere Weise können wir nicht mit Filmproduktionsländern wie den USA mithalten.

Ricore: Vielen Dank für das nette Gespräch.
erschienen am 6. September 2007
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Gucha (Kinofilm)
Dušan Milić erzählt die Geschichte von Romeo (Marko Markovic) und Juliana (Aleksandra Manasijevic) und ihrer schwierigen Liebe. Den frei interpretierten Shakespeare-Stoff "Romeo und Julia" inszeniert Milić als Komödie. Sein zweiter Spielfilm ist etwas Trompetenlastig und kitschig geraten, dennoch ist es eine erfrischende Abwechslung. Als Produzent fungiert Cannes-Gewinner Emir Kusturica.
2024