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Maggie Peren
Maggie Peren zu "Stellungswechsel"
Interview: Männer sind oft selbst Schuld
Maggie Peren ist eine Regisseurin, deren Namen man öfter lesen wird. Während des Studiums schrieb sie ihr erstes Drehbuch ("Vergiss Amerika"), das 1999 verfilmt und gleich mehrfach ausgezeichnet wurde. Es folgten weitere Bücher, die allesamt Auszeichnungen erhielten. Mit uns sprach die junge Regisseurin über ihre erste Spielfilmregie "Stellungswechsel" und erzählt warum Männer für ihre Niederlagen selbst verantwortlich sind, warum sie nie einen Horrorfilm machen wird, wie sie die bekannten deutschen Schauspieler für ihr Projekt begeisterte und wie das Drehbuch entstanden ist.
erschienen am 7. 10. 2007
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Stellungswechsel
Ricore: Sie hatten mit Christian Bayer das Drehbuch zu "Stellungswechsel" geschrieben, wussten sie von Anfang an, dass Sie bei dem Film auch die Regie übernehmen werden?

Maggie Peren: Als Christian mir von der Idee erzählte, dachte ich eigentlich gleich, dass es auch ein schönes Regieprojekt ist. Der Stoff hat eine Leichtigkeit, die den Streifen auch leichter finanzierbar macht, als ein Drama. Ich hatte auch ein wenig Angst, dass ich als ersten Spielfilm ein kleines Drama mache und das auf HD drehe. Wenn man so anfängt, kommt so schnell nicht mehr aus dieser Arbeitsweise heraus. Aber bei meinem ersten Film wollte ich auch die Herausforderung eines richtigen Drehs haben. Ich wollte mit einem 50 Mann starkem Team und einer 35 Millimeter Kamera drehen. Mann sollte groß anfangen, kleiner werden kann man dann ja immer noch.

Ricore: War der Grund für einen männlichen Co-Autor, dass bei "Stellungswechsel" alle Hauptfiguren männlich waren?

Peren: Also letzten Endes hatte sich Christian mich ausgesucht. Ich als Frau hätte es zwar auch komisch gefunden, darüber zu schreiben, aber vielleicht ist es auch nur ein Klischee, dass man als Frau nicht darüber schreiben kann. Ich fand es gut, dass ein Mann dabei ist, von dem die Idee kommt und der das alles auch angeschoben hat. Zwischendrin kamen mir auch Zweifel, ob ich es wirklich inszenieren soll, aber ich habe dann mit Dennis Gansel gesprochen, der "Mädchen Mädchen!" gemacht hat, das ist ja auch ein echter Mädchenfilm. Da dachte ich mir, das ist ja eigentlich egal wer es inszeniert, wieso sollte es nicht auch eine Frau machen.

Ricore: Für Ihren ersten Film haben Sie viele bekannte Darsteller begeistern können, wie kam es dazu?

Peren: Das stimmt. Eigentlich kam einer nach dem anderen. Ich habe Florian Lukas bei der Berlinale umkreist und mir überlegt, ob er auch alt genug aussieht. Ehrlich, er erscheint so extrem jung und wird auch immer so jung besetzt. Ich fand ihn schon immer ganz toll und er hatte das Drehbuch bekommen und zugesagt. Dann haben wir mit ihm ganz viele Gys gecastet. Die Gys waren wirklich nicht so einfach und dann kam Sebastian Bezzel und ich wusste - das ist er. Bei der Figur vom Lasse habe ich eigentlich immer gedacht, dass ist jemand, der bisher noch nie eine Frau hatte und nicht so gut aussieht wie Kostja Ullmann. Doch dann war Kostja beim Casting so gut und man kann auch nicht jemanden dafür diskriminieren, dass er hübsch ist, also bekam er die Rolle. Wir mussten dann überlegen, wie wir es erzählen können, dass er trotzdem noch nie eine Frau hatte und so kam ich auf die dominante Mutter. Dann fanden wir Adriana Altaras, die ihrer Figur Zunder gibt und man versteht sofort, wieso der Junge so zurückhaltend ist. Beim Herbert Knaup war ich bei einer Lesung und habe ihn einfach gefragt, ob er Lust hat. Ich hatte schon Angst, denn seine Rolle des Giselher ist anders, als was er bisher immer gespielt hat und die meisten älteren Schauspieler wollen nicht gerne alte Männer spielen. Die Figur des Giselher ist nun aber mal alt und ihm wird gesagt, dass er wegen seinem Alter auch keinen Job mehr bekommt. Aber ich konnte den Herbert überzeugen und er hat das auch sehr gut gemacht. Es ist auch sehr spannend, weil man ihn in solch einer Rolle so selten sieht.

Ricore: Sie sind auch Schauspielerin, gehen Sie anders mit Ihren Darstellern um?

Peren: Für mich ist jeder Schauspieler ein eigenes Land. Nur weil man in Schweden war, weiß man nicht, wie es in Italien aussieht. Ich war als Schauspielerin auch anders. Ich habe schneller Angst gekriegt und bin anders mit meiner Angst umgegangen. Es hat mir aber in dem Sinne geholfen, dass ich weiß, dass man als Regisseur eine klare Vorstellung haben muss und man sich auch schützend vor seine Darsteller stellen und ihnen ein gutes Gefühl geben muss. Sie sind ja keine Maschinen. Aber eigentlich ist man noch lange kein guter Regisseur, nur weil man selbst gespielt hat. Eher intoleranter. (lacht)
Indra Fehse/Ricore Text
Stellungswechsel, Sebastian Bezzel, Herbert Knaup, Maggie Peren
Ricore: In "Stellungswechsel" geht es um Männer zwischen 20 und 50 Jahren, ohne Frau mit Geldproblemen. Warum verpackten Sie die Story als Komödie?

Peren: Als Christian mir von der Geschichte erzählte, fand ich sie so schön, weil es auch um Niederlagen geht und wie man damit umgeht, während es in dem meisten Filmen darum geht, wie Leute etwas erreichen. Im Leben und in der Filmbranche geht es oft genug darum, wie man mit Niederlagen und Ablehnungen umgeht. Das fand ich toll und es hat mich gerührt, dass die Männer im dritten Akt die Hosen runterlassen mussten.

Ricore: Stammt die Grundidee von Christian Bayer?

Peren: Ja.

Ricore: Wie kam er darauf? Erzählt er aus eigener Erfahrung?

Peren: Nein. Christian hatte mit der Idee schon mehrere Anläufe gemacht und wollte daraus ein Buch machen. Eine männliche Bridget Jones, durch die er zeigt, dass es Männern auch nicht gut geht, nicht nur Frauen Gewichtsprobleme haben und Frauen den Männern gegenüber auch immer anspruchsvoller werden. Es stimmt nicht, dass Männer älter und älter werden können. Immer öfter suchen sich Frauen auch jüngere Männer, verlassen ihren Mann für einen Jüngeren. Ein Mann Anfang 50 kann sehr wohl arbeitslos werden und keinen Job mehr finden.

Ricore: Gibt es einen Unterschied zwischen arbeitslosen einsamen Männern mit Niederlagen und Frauen in gleichen Situationen?

Peren: Ich glaube dass es für Männer sehr, sehr schwer ist, keine Arbeit zu haben und sehr schwierig, kein Geld zu verdienen. Ich glaube, dass es für sie sehr wichtig ist. Wie beim Giselher brauchen sie es - im Sinne von potent sein, Geld und Macht zu haben. Das fand ich sehr spannend. Gerade die Figur von Giselher ist sehr spannend, da es auch die einzige Figur ist, die sich nicht weiterentwickelt. In amerikanischen Filmen entwickeln sich die Figuren immer, aber ich finde das ist eine Lüge. Es gibt auch Leute, die sich nicht entwickeln.

Ricore: Die Frauen im Film dagegen sind ziemlich starke Persönlichkeiten. Da ist die erfolgreiche Redakteurin, die taffe Mutter...

Peren: Das ist etwas, was von Christians Buch "Mister Right" mit hinein geflossen ist. Aber dort waren die Frauen noch viel böser und gemeiner, die hatten die Männer richtig tyrannisiert. Ich habe mich dann dafür eingesetzt, dass die Figur der Redakteurin auch Stress hat und unter Druck steht und dass alles ein wenig ambivalenter macht. Oder die Frau, bei der Gy am Ende landet, die von ihrem Mann verlassen wurde. Aber das stimmt schon, die Frauen sind schon echte Persönlichkeiten.
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Ricore: Ist eine Frau immer an den Niederlagen der Männer schuld?

Peren: In keinster Weise. Null. (lacht) Ich finde das wird in dem Film auch nicht behauptet. Nein, ich glaube, dass Männer teilweise unter solch hohem Erfolgszwang stehen, dass sie das auch ein wenig selbst kreieren. Ich kenne etliche Leute die an ihrer Doktorarbeit schreiben und es trotzdem schaffen, nebenher berufliche Erfahrungen zu sammeln. Ich kenne aber auch einige Männer, die eine Doktorarbeit schreiben und nichts anderes machen, nix anderes machen können, da sie sich so hineinsteigern.

Ricore: Wie kam es zu dem doppeldeutigen Titel?

Peren: Der ist von Christian - er liebt gute Titel. Das Team hatte dann mal die Idee, es "Deutsche Feinkost" zu nennen, was ich auch witzig finde, aber "Stellungswechsel" mochte ich noch lieber.

Ricore: Macht auch neugierig...

Peren: Macht es?

Ricore: Schon weil man nicht ganz genau weiß, einem erwartet. Die Regie führte eine Frau, aber es spielen nur Männer in den Hauptrollen.

Peren: Ich fand das auch lustig.

Ricore: Die Idee mit dem Zeichentrickanfang, kam die auch von Ihnen?

Peren: Ganz ehrlich? Wir hatten nur 29 Drehtage und wir wollten eigentlich die Figuren am Ende mehr auserzählen. Dafür hat aber einfach das Geld nicht gereicht. Im Schneideraum merkten wir, dass wir mit wahnsinnig viel Dialog beginnen und das Ende so abrupt ist, dass wir beschlossen, den Film besser einzubetten. Weil ich Zeichentrick liebe, habe ich ein Expose dafür geschrieben und da wir gut über die Musikrechte verhandelten, hatten wir noch etwas Geld übrig. Es ist ein wenig aus der Not geboren, aber ich bin sehr froh, dass wir es so gemacht haben. Man kann im Comic auch viel mehr übertreiben. Man kann die Frauen wie bei der Sixtinischen Kapelle um drei Ecken anstehen lassen und das ist okay. Wenn man das mit richtigen Darstellern gemacht hätte, hätte das vielleicht auch eher kitschig ausgesehen.
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Ricore: Sie habe schon einige Genres ausprobiert, wann kann man denn den ersten Horrorfilm von Ihnen erwarten?

Peren: Ich glaube nie. Das ist eine witzige Frage, aber ich glaube, dass ich nie einen Horrorfilm machen werde. Das würde mich wundern. Das ist eines der Genres, die ich nicht schreiben kann. Da bin ich mir sehr sicher. Vielleicht einen Thriller. Ich habe mit Dennis Gansel den Thriller "Das Phantom" geschrieben, in dem Jürgen Vogel die Hauptrolle spielt. Das war zwar nicht einfach, aber einen Thriller würde ich schon noch mal schreiben. Aber einen Horrorfilm, dass könnte ich nicht. Ich schaue mir auch keine Horrorfilme an.

Ricore: Ist Ihr nächstes Projekt der englische Fußballfilm?

Peren: Nein. Der englische Film, der während der Fußballweltmeisterschaft 1996 spielt, wird wegen der Fußballrechte sehr teuer werden. Ich glaube nicht, dass ich ihn so schnell drehe. Wenn wir ihn 2009 drehen, wäre das wirklich toll. Als nächstes möchte ich gerne einen kleinen Film machen, der von den Flüchtlingen handelt, die von Afrika nach Gran Canaria kommen. Da habe ich auch schon das Drehbuch geschrieben.

Ricore: Sie sind sehr vielseitig. Sie produzieren, schreiben Drehbücher, stehen selbst vor der Kamera und führen Regie, wo liegt für Sie der Schwerpunkt?

Peren: Also Schauspielen möchte ich nicht mehr. Das ist schon seit ein paar Jahren her - ich bin eines Morgens aufgewacht und das Bedürfnis war weg. Schauspielen, das hat etwas mit Liebe zu tun. Viele denken, Schauspieler sind solche Rampensäue, die unbedingt gesehen werden wollen. Stimmt aber nicht. Schauspieler können sich auch im Moment verlieren. Das war an jenem Morgen aber irgendwie weg. Dafür kam die Lust hinzu, selbst Regie zu führen. Ich habe das Uli Putz erzählt und dann haben wir zusammen einen Film gemacht. Dabei habe ich gemerkt, wie schön es ist, Regie zu führen und das möchte ich auch gerne weiterhin machen. Ich würde auch gerne mal Regie führen, wenn ich nicht das Drehbuch dafür geschrieben habe. Dann ist der Abstand auch etwas größer und man ist nicht so kurzsichtig.

Ricore: Sie habe schon viel erreicht, viele Auszeichnungen bekommen, hatten Sie immer konkret diese Karriere vor Augen?

Peren: Nein, eigentlich nicht. Ich komme aus einer Kleinstadt in der Nähe von Stuttgart und als ich dort mal eingeladen wurde, um über das Filmemachen zu erzählen, ist mir bewusst geworden, wie viel eigentlich durch Zufall entstanden ist. Vanessa Jopp, für die ich "Vergiss Amerika" geschrieben habe, kannte ich noch vom Ballett. Hier in München habe ich sie wieder getroffen und ihr dann von der Idee für "Vergiss Amerika" erzählt. Ich habe das dann geschrieben und zwei Jahre später wurde der Film gedreht. Bei einer Party von Vanessa habe ich dann Dennis kennen gelernt, mit dem ich später "Das Phantom" machte. Ich habe schon sehr viel Glück gehabt und war einfach oft zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Ricore: Was macht einen guten Film aus?

Peren: Ich finde ein guter Film ist immer authentisch. Ich liebe "Einer flog übers Kuckucksnest". Der Film hätte auch schnell ziemlich blöd werden können, doch er ist einfach authentisch und so schön anzusehen. Ich finde es auch irre, was der Regisseur Pedro Almodóvar mach. Bei "Alles über meine Mutter" denkt man doch, wie kann man das nur erzählen. Ein Transvestit, der eine Nonne schwängert? Trotzdem glaubt man ihm alles.

Ricore: Wer ist ihr Regievorbild?

Peren: Ich habe zwei große Vorbilder. Ang Lee und Milos Forman.

Ricore: Große Namen.

Peren: Das sind Vorbilder, die müssen groß sein. (lacht)
erschienen am 7. Oktober 2007
Zum Thema
Mit Stoffen, die in das aktuelle oder das historische Zeitgeschehen eingreifen, hat die 1974 geborene Regisseurin Maggie Peren Erfahrung. Als Drehbuchautorin liefert sie unter anderem die Vorlage zu Dennis Gansels "Napola - Elite für den Führer", wofür sie 2004 mit dem Mädchen Mädchen!" (2001), dem harmlosen Spaß "Freche Mädchen" (2008) sowie Detlev Bucks viel gelobtem Kinderfilm "Hände weg von Mississippi" (2007). Mit "Stellungswechsel" wechselte Peren 2007 erstmals ins Regiefach.
Ihre unerwartete Arbeitslosigkeit und die daraus resultierende Geldknappheit bringen Frank (Florian Lukas), Olli (Gustav-Peter Wöhler) und Gy (Sebastian Bezzel) auf die Idee, ein Begleitservice für Frauen zu gründen. Zwei Partner sind schnell gefunden: der alternde Giselher (Herbert Knaup) und der junge Lasse (Kostja Ullmann). Bevor sie ihre Idee realisieren können, muss noch einiges getan werden. Maggie Perens Komödie profitiert von der guten Rollenbesetzung und dem intelligenten Wortwitz.
2024