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War and Justice

A global court's fight for peace
Originaltitel
War and Justice
Alternativ
War & Justice (Schreibweise);
Regie
Michele Gentile, Marcus Vetter
Darsteller
Angelina Jolie, Benjamin Ferencz, Karim Khan, Luis Moreno-Ocampo
Kinostart:
Deutschland, am 06.06.2024 bei Der Filmverleih
Genre
Dokumentarfilm
Land
Deutschland
Jahr
2023
Länge
90 min.
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
8,0 (Filmreporter)
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Marcus Vetter über die Ankläger von Den Haag
Mehr als 50 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs und der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse geht 1998 ein Menschheitstraum in Erfüllung. Kriegsverbrechen sollen fortan vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag verfolgt werden können. Das Gericht verpflichtet sich den grundlegenden Prinzipien des Völkerrechts und der Durchsetzung der Menschenrechte.

Von Anfang an hat der Internationale Gerichtshof einen Konstruktionsfehler, wie der Argentinier Luis Moreno-Ocampo, Chefankläger von 2003 bis 2012, zu Recht kritisiert. Nur Staaten, die sich der Rechtsprechung des Gerichtshofes unterwerfen, müssen sich auch vor diesem verteidigen. Und das tun weder die USA noch Russland, die Ukraine und zahlreiche andere Staaten. Wegen dieses Geburtsfehlers setzt sich in afrikanischen Staaten der Eindruck durch, dass sich die Aktivitäten des Gerichtshofs vor allem auf ihren Kontinent beschränken.

Für die Bestrafung der Gräueltaten im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist der Internationale Gerichtshof deshalb eigentlich nicht zuständig. Die westlichen Staaten erwägen deshalb die Einrichtung eines Sondergerichtshofes, was Moreno-Ocampo mit einem Lachen abtut. Er fordert die internationale Staatengemeinschaft auf, die Freiwilligkeit zu beenden. Der Argentinier war Richter bei der Verfolgung von Verbrechen der argentinischen Militärjunta im eigenen Land. Er erweist sich für den Film als Glücksfall. Für ihn gilt: Recht und Gerechtigkeit sind universelle Güter. Politiker keines Landes sollten sich sicher sein, mit Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit durchzukommen.
Mehrere Jahre hat Regisseur Marcus Vetter Luis Moreno-Ocampo, dessen Nachfolger Karim Khan sowie Benjamin Ferencz, Ankläger bei den Nürnberger Prozessen, dem der Film auch gewidmet ist, begleitet. Ihnen bleibt die philosophisch-politische Einordnung des Wirkens des Gerichtshofes vorbehalten. Außerdem ist die Kamera in entscheidenden Momenten des ersten großen Prozesses von Moreno-Ocampo gegen einen afrikanischen Warlord in Den Haag dabei. Immer wieder schlägt der Film den Bogen zu anderen Kriegsschauplätzen, was vom Zuschauer hohe Aufmerksamkeit fordert, um zu folgen und das Gesehene einzuordnen.

Durch den russischen Überfall auf die Ukraine hat der Film eine Brisanz gewonnen, die zu Beginn der Dreharbeiten nicht vorstellbar ist. Der Part ist nur klein, verdeutlicht aber das Dilemma des Geburtsfehlers des Internationalen Gerichtshofs. Denn wen interessieren in Westeuropa schon die Eindrücke afrikanischer Staaten.

Vetter bleibt in der Position des Beobachters und doch beweist er Haltung, indem er das westliche Publikum mit einer unangenehmen Wahrheit konfrontiert, die in vielen Ländern der Welt geteilt wird. Niemand darf ungestraft davonkommen, wenn er Kriegsverbrechen begeht. In der momentanen politischen und gesellschaftlichen Stimmung ist dies zumindest mutig - wer die Verfolgung amerikanischer Kriegsverbrechen fordert, wird allzu leicht als rechts oder Putinfreund abgestempelt.

Es ist auch gut, dass das Münchner Filmfest unbedingt die Premiere ausrichten will. Andererseits wird der herausragende Film damit auch weit unter Wert geschlagen. Er hätte eine Premiere auf einem großen A-Festival verdient.
2024