En Garde

En Garde

Originaltitel
En Garde
Regie
Ayse Polat
Darsteller
Maria Kwiatkowsky, Pinar Erincin, Antje Westermann, Geno Lechner, Julia Mahnecke, Jytte-Merle Böhrnsen
Kinostart:
Deutschland, am 09.12.2004 bei X Verleih
Genre
Drama
Land
Deutschland
Jahr
2004
FSK
ab 12 Jahren
Länge
94 min.
IMDB
IMDB
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brillant  10|
5,0 (Filmreporter)
10,0 (1 User)
Als Alices (Maria Kwiatkowsky) Großmutter stirbt, wird sie von ihrer Mutter in ein Heim gebracht. Sie selbst sieht sich außerstande, das Mädchen zu lieben und weiß nichts mit ihr anzufangen. In der neuen Heimat trifft Alice auch schon bald auf ihre Zimmergenossinnen Martha (Julia Mahnecke) und Josefine (Jytte-Merle Böhrnsen). Die machen ihr das Leben nicht gerade leicht und nerven sie unentwegt. Doch auch die aufgeschlossene Berivan (Pinar Erinicin) wohnt im Heim. Sie ist voller Leben und genau wie Alice ein Außenseiter. Von den anderen wird sie nur "Tüte" gerufen, da sie eine solche überall mit herum trägt. In ihr befinden sich die wichtigsten Habseligkeiten. Ihr Ausweis, Briefe und Fotos von der Familie. Sie ist auch die einzige Person, die Alices Geheimnis mit den Ohren kennt. Genau darum ist Alice auch immer in ihrer Nähe. Sie hat Angst, dass auch die anderen von ihrem psychosomatisch hypersensiblen Hörvermögen erfahren. Langsam freundet sie sich aber auch richtig mit Berivan an. Doch durch Alices schwierige Natur und Berivans Gefühle für Ilir (Luk Piyes) droht die Freundschaft zu zerbrechen. Auch steht Berivans Aufenthaltsgenehmigung auf der Kippe.
In ihrem zweiten Werk zeichnet die Hamburger Regisseurin Ayse Polat eine Geschichte über Träume, Sehnsüchte und Freundschaft. Bei ihrer früheren Arbeit in einem internationalen Kulturzentrum für Mädchen und Frauen begegneten ihr viele Heimkinder. Diese Begegnungen waren die Inspirationsquelle für "En Garde". "Mir fiel auf, dass Freundschaften für sie heilig sind, da sie ihre Familien ersetzen, die sie - unfreiwillig oder freiwillig - verloren haben. Auf der einen Seite finden sie Halt und Geborgenheit in der Freundschaft, aber gleichzeitig überschattet die Angst vor einem erneuten Verlassenwerden jede Beziehung." Die Unfähigkeit zur Nähe in verschiedensten Variationen zeigt sie durch die tief gezeichneten Figurenporträts. Sie selbst bezeichnet das Werk auch als Frauenfilm. Kein Wunder, es gibt nur eine männliche Rolle und auch die Produktion war überwiegend in weiblicher Hand. Bei ihrem Werk orientierte sich die junge Regisseurein an Jane Campions "Sweetie". Für sie gibt es einen Unterschied zwischen dem Blick eines Mannes und dem "weiblichen Blick". Der Umgang mit Gewalt sei beim "weiblichen Blick" weniger nach außen und mehr nach innen gerichtet. Auch sei der Umgang mit Körper und Beziehungen anders. Die meisten männlichen Vorstellungen haben wenig mit dem gemein, wie es sich in der Realität wiederfindet. Polat will aber genau das wiedergeben. Ein Bild der Realität. Keine schöne Realität. Eine Welt, wo Liebe erkämpft und Freundschaft verdient werden muss. Aber es herrscht auch eine Komplexität, durch die eine Weiterentwicklung beobachtet werden kann. So sind die Figuren man Ende allesamt ein Stück gereift und haben etwas für ihr Leben gelernt. Polat bietet sicher ein realistisches Bild, doch für welches Zielpublikum? Wollen Teenager wirklich zusehen, wie ein Mädchen versucht, den eigenen Weg zu finden, sich anderen Personen zu öffnen und akzeptiert zu werden, wenn sie doch jeden Tag genau das gleiche durchmachen?
Heike Maleschka/Filmreporter.de
2024