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Blancanieves - Ein Märchen von Schwarz und Weiß

Blancanieves - Ein Märchen von Schwarz und Weiß

Originaltitel
Blancanieves
Alternativ
Snow White (intern.); Blancanieves - Ein Märchen von Schwarz und Weiss (Schreibweise)
Regie
Pablo Berger
Darsteller
Sergio Dorado, Emilio Gavira, Alberto Martínez, Jinson Añazco, Michal Lagosz, Jimmy Muñoz
Kinostart:
Deutschland, am 28.11.2013 bei AV Visionen
Genre
Drama
Land
Spanien, Frankreich, Belgien
Jahr
2012
FSK
ab 6 Jahren
Länge
104 min.
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
8,0 (Filmreporter)
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Meisterlicher Stummfilm von Pablo Berger
Es war einmal der berühmte Stierkämpfer Antonio (Daniel Giménez Cacho) und seine ihn über alles liebende Frau (Inma Cuesta). So beginnt das triste Märchen von Pablo Berger. Das Ehepaar ist in glücklicher Erwartung des ersten Nachwuchses, als das Unglück seinen Lauf nimmt. Während der Vater bei einem Stierkampf schwer verletzt wird, beginnen bei der werdenden Mutter die Wehen. Im Krankenhaus ringen beide um ihr Leben. Die Mutter stirbt bei der Geburt der Tochter, der Vater überlebt, ist fortan aber gelähmt.

Im Krankenhaus kümmert sich die Krankenschwester Encarna (Maribel Verdú) um den Verletzten - wohl berechnend, dass sie mal die Frau eines reichen Mannes werden könnte. Tatsächlich werden die beiden ein Paar und heiraten. Währenddessen wächst Antonios Tochter Carmen (Sofía Oria) bei ihrer Großmutter (Ángela Molina) auf. Als diese stirbt, kommt das kleine Mädchen unter die Obhut Antonios. Das Glück Carmens, endlich bei ihrem Vater zu sein, wird durch die Herrschsucht ihrer bösen Stiefmutter aber schnell gedämpft. Diese zwingt sie, hart zu arbeiten und verbietet ihr den Kontakt zu deren Vater Antonio.

Als Encarna ihren Mann tötet, möchte sie auch die mittlerweile erwachsene Carmen (Macarena García) beseitigen. Der Mordversuch scheitert - das Mädchen findet Obhut bei einer Truppe kleinwüchsiger Toreros. Ohne Erinnerung an ihr früheres Leben findet Carmen bald ihre wahre Berufung und wird eine berühmte Torera. Ihr Ruf dringt bis ins Domizil Encarnas. Getrieben von Eifersucht, will diese nicht zulassen, dass ihre Stieftochter sie an Ruhm übertrifft.
Nach dem sensationellen künstlerischen und finanziellen Erfolg von "The Artist" ist die Filmindustrie auf den Geschmack der in die Jahre gekommenen Stummfilmästhetik gekommen. Gerademal zwei Jahre nach Michel Hazanavicius' rührendem Drama inszeniert Pablo Berger mit "Blancanieves - Ein Märchen von Schwarz und Weiß" erneut einen Film ohne Dialoge. Diese Tendenz ist nicht nur Ausdruck des Überdrusses angesichts der jedes Maß sprengenden übertechnisierten und hochbudgetierten Blockbuster-Produktionen Hollywoods. Es spricht daraus auch die grundlegende Überzeugung ambitionierter Filmemacher, Geschichten mit einfachen formalen Mitteln erzählen zu können.

Zurück zur Einfachheit, diese Prämisse zeigt sich bei Berger auch in der Auswahl seines Stoffes. Der Regisseur greift in "Blancanieves" Motive des "Schneewittchen"-Märchens der Gebrüder Grimm auf und reichert diese mit Motiven aus spanischen Nationalmythen an. Dabei übertreibt es der Regisseur gelegentlich mit seinem Hang zur Reduktion. So ist die Stiefmutter - herrlich fies: Ángela Molina - bei ihm schon mal böser und hinterhältiger als jede Märchenstiefmutter, und auch das Leid der 'Prinzessin' übersteigt jedes Maß. Doch die Schwarz-Weiß-Malerei ist hier Prinzip und Berger hat sichtlich Spaß an der Inszenierung großer melodramatischer Gesten.

Diese Schwächen wiegen wenig, da Berger handwerklich so gut arbeitet, dass er diese letztlich gut ausbalanciert. Großartig sind die folkloristischen Elemente, wenn er etwa ein stimmungsvolles Bild des einfachen spanischen Dorflebens der 1920er Jahre zeichnet. Auch die Darstellung des Stierkampfes ist atmosphärisch dicht geraten, wobei Berger mühelos die Balance zwischen Folklore und Dramatik findet. Bei aller Tragik und Dynamik, die dieses Volksspektakels in seinem Film entfaltet, zeigt er nie die Gewalt, die damit einhergeht. Daraus spricht kein unkritisches Ausblenden der Wirklichkeit des Stierkampfes, vielmehr integriert Berger das Thema in sein erzählerisches Konzept. Zu viel Detail und Haltung hätte das geradlinig und harmonisch erzählte 'Märchen von Schwarz und Weiß', wie der Film im deutschen Untertitel passenderweise heißt, aus dem Gleichgewicht gebracht.

Berger ist in "Blancanieves" romantischer Erzähler und Maler, die Welt möchte er mit seinem Märchenmelodram nicht verändern. Es ist bezeichnend, dass er nach dem Motiv der unglücklichen Vater-Tochter-Beziehung im Verlauf der Erzählung mit dem zarten Verhältnis zwischen Carmen und ihrem kleinwüchsigen Retter eine weitere Liebesgeschichte einbaut. Dabei hat auch diese eine melodramatische Ausprägung, da die Gefühle des Mannes von Carmen nicht erwidert werden. Wie die unglückliche Beziehung des Mädchens zu ihrem Vater scheitert auch diese Liebe an den Umständen.

Die großen Gefühle verstärkt Alfonso De Vilallonga mit seiner Musik kongenial. De Vilallonga schafft ein plastisch tönendes Pendent zur Welt der Bilder, indem er für die melodramatische Geschichte und die stimmungsvolle Kameraarbeit von Kiko de la Rica den passenden Soundteppich findet. "Blancanieves" ist eine der schönsten Kinoerlebnisse des Jahres 2013.
Willy Flemmer, Filmreporter.de
Pablo Bergers "Blancanieves - Ein Märchen von Schwarz und Weiss" ist ein meisterhaft erzählter Stummfilm, dessen mitreißende Geschichte,...
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Blancanieves - Ein Märchen von Schwarz und Weiß
2024