Ricore

Petrov's Flu

Originaltitel
Petrovy v grippe
Alternativ
Familie Petrov hat Fieber
Regie
Kirill Serebrennikov
Darsteller
Semyon Serzin, Chulpan Khamatova, Vladislav Semiletkov, Yuriy Kolokolnikov, Aleksandr Ilyin Jr., Nikolai Kolyada
Kinostart:
Deutschland, am 26.01.2023 bei farbfilm verleih
Kinostart:
Schweiz, am 23.06.2022 bei Xenix Film
Genre
Komödie, Krimi
Land
Russland, Frankreich, Deutschland, Schweiz
Jahr
2021
Länge
145 min.
IMDB
IMDB
|0  katastrophal
brillant  10|
6,0 (Filmreporter)
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Kafkaesk anmutender und provokanter Film
Automechaniker Petrov (Semjon Sersin) ist am Silvesterabend auf dem Weg durch ein spärlich beleuchtetes Neubauviertel Jekaterinburgs. Plötzlich wird der Fiebernde aus dem Bus voller rassistischen, versoffenen und gleichgültigen Passanten gerufen. Ihm wird eine Waffe in die Hand gedrückt, um ihm nicht bekannte Menschen zu erschießen. Emotionslos kehrt er zurück, es war offensichtlich nur ein böser Traum.

Seine Frau (Chulpan Khamatova) ist Bibliothekarin. Sie hält in einem Lesezirkel die Schätze der russischen Literatur hoch und spioniert ihren Lesern nach. Zugleich beobachtet sie die ständigen sexuellen Übergriffe der Männer. Ihre aufgestaute Wut richtet sich zunehmend nach außen und trifft auch den gemeinsamen Sohn. Oder ist ihr liebloses Verhalten gegenüber dem Jungen, der trotz hohen Fiebers zum Kostümfest geht, auch ein Symptom der Krankheit?
Der kafkaesk anmutende und provokante Film ist eine Reise durch eine verrohte Gesellschaft und basiert auf einem Roman von Alexei Salnikow. Er reflektiert die Gefühle, die Regisseur Kirill Serebrennikow während des Prozesses gegen ihn im Jahre 2019 bewegen. Damals habe er wenig geschlafen, der Effekt dürfte ähnlich dem eines Fieberdeliriums gewesen sein.

Petrov überschreitet ständig die Grenze zwischen Wahn und Realität. Er streut mehrfach Erinnerungen an seine Kindheit ein. Sein Delirium wird zu einer schonungslosen Bestandsaufnahme der verletzten russischen Seele, die vom Ruhm der Vergangenheit genährt wird, um die triste, von Gewalt und Rücksichtslosigkeit geprägte Gegenwart zu ertragen. Selbst das Theater verkommt zur billigen Jahrmarktsnummer. Serebrennikow übersetzt diesen Zustand, mit dem er der russischen Gesellschaft den Spiegel vorhält, in ein wildes Bilderspektakel mit sarkastischen und surrealen Elementen, die manchmal schwer zu ertragen sind.
Katharina Dockhorn/Filmreporter.de
2024