Das Erste
Alina Levshin als Kommissarin Johanna Grewe im MDR-"Tatort"
Der Wahrheit auf der Spur
Interview: Alina Levshin ermittelt
2012 gelang Alina Levshin mit "Kriegerin" der große Durchbruch. Sie wurde für die Rolle mit dem Deutschen Filmpreis als beste Darstellerin und weiteren Auszeichnungen bedacht. Wie dieser Preis das Leben der gebürtigen Ukrainerin veränderte, erklärt sie im Interview mit Filmreporter.de. Dieses führten wir anlässlich ihres neuen Films "Meister des Todes", der auf dem gleichnamigen Roman von Elisabeth Herrmann basiert. Zudem erfahren wir von Levshin, weshalb man niemals etwas bereuen sollte und was sie mit der Ukraine verbindet.
erschienen am 2. 11. 2015
ZDF/Julia Terjung
Alina Levshin und Anna Loos in "Das Dorf der Mörder"
Jürgen Tarrach legt seine Figur interessant an
Ricore Text: Kennen Sie die Vorlage von Elisabeth Herrmann?

Alina Levshin: Ja. Haben Sie das Buch denn nicht gelesen?

Ricore: Leider nicht. Deshalb würde ich gerne wissen, inwieweit sich der Film vom Roman unterscheidet.

Levshin: Es gibt tatsächlich einige Unterschiede. Ich habe den Roman sehr gerne gelesen, aber das Drehbuch ist ein wenig anders, da viele Figuren, die in der Vorlage so schön beschrieben wurden, im Film zu einzelnen Charakteren zusammengefasst wurden. Immer zwei bis drei Figuren zu einer. Aber dies hat ja dramaturgische Gründe, da die Sendezeit auf 90 Minuten begrenzt ist. Insofern ist das Drehbuch eine eigene Geschichte und die Vorlage sozusagen eine erste Fassung davon.

Ricore: Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Levshin: Es gibt einen Arzt, der für die Polizei Gutachten erstellt. Im Buch hat dieser noch einen Gehilfen, der im Film nicht vorkommt. Der Arzt und sein Gehilfe wurden im Drehbuch zu einer Figur zusammengefasst. Auch der Kommissar ist im Roman etwas anders angelegt als im Buch. Ich finde, dass Jürgen Tarrach seine Figur sehr interessant angelegt und hervorragend gespielt hat.

Ricore: Inwieweit hatten Sie die Möglichkeit Ihre Rolle noch zu verändern?

Levshin: Sanela war schon sehr gut angelegt, deshalb musste ich an ihr gar nicht mehr viel verändern.

Ricore: Wieviel von Kommissarin Sanela steckt in Ihnen?

Levshin: Sanela ist eine sehr neugierige Person, was für ihren Beruf ziemlich gut ist. Dieser Umstand trifft auch auf mich zu und ist in meinem Job ebenfalls sehr nützlich. Man hinterfragt Sachen und stützt sich nicht nur auf die Oberfläche. Man sucht ganz einfach nach der Wahrheit. Ich finde, das ist eine schöne Gemeinsamkeit zwischen mir und Sanela.
Filmfest München
Alina Levshin spielt einen Nazi in "Kriegerin"
Alina Levshin: viel Aufmerksamkeit
Ricore: Als Sie vor einiger Zeit diverse Preise für ihre Rolle in "Kriegerin" erhalten haben, gab es danach sicherlich einige Schulterklopfer, deren Aussagen man besser hinterfragt hat. Wie sind Sie damals mit der Situation umgegangen?

Levshin: Ès gab sehr viel Aufmerksamkeit und Zuspruch für das damalige Projekt sowie meine Rolle. Ich habe mich natürlich sehr darüber gefreut. Ebenso über die Anerkennung und die Vielzahl an Projekten, die ich danach angeboten bekommen habe, die glücklicherweise nicht nur auf einen Typ festgelegt waren. Den Eindruck, dass es dabei viele Leute gab, die falsches Lob aussprechen, nur um an mich heran zu kommen, hatte ich aber nicht.

Ricore: Waren die Auszeichnungen rückblickend eine Bürde für Sie, weil Sie den Druck hatten nur noch Top-Filme abliefern zu dürfen, oder waren die Preise ein Motor, der Ihnen schauspielerisch noch mehr Auftrieb gegeben hat?

Levshin: Es ist natürlich eine Ehre und es ist ein schönes Gefühl, wenn sich die Leute aufgrund dieses einen Films noch immer an dich erinnern. Aber ewig darauf ausruhen kann man sich natürlich nicht. Man muss sich neue Herausforderungen suchen. Ich gucke bei jeder Rolle von Neuem, ob sie zu mir passt und was mich an ihr interessiert. Aber wirklich aussuchen kann man sich seine Rollen ja nie, da man immer nur mit dem arbeiten kann, was einem von außen angeboten wird.

Ricore: In "Meister des Todes" spielt die Vergangenheit eine wichtige Rolle. Welches Ereignis aus Ihrem Leben würden Sie gerne rückgängig machen?

Levshin: Es gibt Lebensphasen in denen man vor allem damit beschäftigt ist Erfahrungen zu sammeln und nicht alles richtig macht. Aber aus diesen Fehlern lernt man ja und ich würde meine gemachten Erfahrungen auch nicht eintauschen wollen, da sie mich zu dem Menschen gemacht haben, der ich heute bin. Ich nehme das sehr gerne als Schatz mit und würde meine Vergangenheit niemals ändern wollen.

Ricore: Können Sie ein Beispiel nennen?

Levshin: Natürlich hat solche Dinge jeder Mensch, das man an bestimmten Dingen hängt oder sich einen Plan vorgibt und man meint man muss das genau so jetzt auch machen, auch wenn es anders vielleicht viel besser wäre. Zum Beispiel "Ich muss jetzt auf genau diese Schauspielschule. Da kommt keine andere für mich in Frage." Und dann schafft man es aber nicht und kommt auf eine andere Schule. Später stellt sich dann aber heraus, dass das die richtige Wahl war. So zieht sich die Kette immer weiter. Das heißt, was auch immer du tust in deinem Leben: Du solltest nicht bereuen!

Ricore: Sie sind als Sechsjährige aus der damaligen Sowjetunion mit ihren Eltern nach Deutschland gekommen. Wie leicht fiel es Ihnen hierzulande Fuß zu fassen?

Levshin: Ich kam als Sechsjährige direkt nach Berlin und fühlte mich dort sehr gut aufgehoben, weil ich mit meinen Eltern zusammen war. Wenn die Eltern einem wie in meinem Fall ein gutes Gefühl vermitteln, dann ist alles gut, da man in dem Alter noch nicht so genau mitbekommt, was um einen herum so passiert - vor allem die politischen Sachen. Man ist da noch sehr in seiner eigenen kindlichen Welt und insofern war meine Wahrnehmung sehr begrenzt. Von daher ist mein Gefühl ein gutes. In der Schule hat auch alles gepasst, ich konnte mich sehr schnell integrieren und wurde gut von den anderen aufgenommen.
Das Erste
Alina Levshin auf dem Set von "Tatort - Der Maulwurf
Im Tanzensemble im Friedrichstadt-Palast gelernt
Ricore: Wie ist Ihre Verbindung zur Ukraine heute?

Levshin: Ein Großteil meiner Verwandtschaft wohnt dort. Ich besuche sie ab und an. So bin ich auch heute der Ukraine immer noch sehr verbunden.

Ricore: Wollten Sie schon immer Schauspielerin werden, oder stand auch mal zur Debatte Polizistin zu werden?

Levshin: Wenn man noch klein ist, hat man sehr viele Vorstellungen davon was man später mal werden möchte. Ich habe mit sechs Jahren angefangen zu tanzen. Das war mein großes Glück. Ich bin im Friedrichstadt-Palast in ein Tanzensemble gekommen. Da habe ich viele Jahre meines Lebens verbracht und auch auf der Bühne gespielt. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Neben meinen anderen Ideen, was ich gerne später machen würde wenn ich groß bin, kristallisierte sich relativ schnell die Schauspielerei heraus. Mit acht oder neun Jahren dachte ich, dass es toll wäre, wenn ich später immer noch spielen könnte, auch wenn ich dann schon alt bin. Nein, Polizistin wollte ich im wirklichen Leben nie werden.

Ricore: Gab es einen konkreten Auslöser für Ihren Wunsch?

Levshin: Der Wunsch entstand aus mir selber heraus, weil ich mich so wohl gefühlt habe auf der Bühne. Es gab also keine bestimmte Person oder Ereignis, die mich zu dem inspiriert hat, was ich heute mache.

Ricore: Was bedeutet es für Sie auf der Bühne zu stehen? Was fühlen Sie dann?

Levshin: Man hat eine ganz große Freiheit. Man kann Dinge selber gestalten. Mit dem Körper, mit der Stimme. Man hat sich selbst als Instrument und das finde ich sehr bereichernd und befreiend.

Ricore: Was steht bei Ihnen als nächstes an?

Levshin: "Die Dasslers", ein Zweiteiler über die Gründer von Adidas: Adi und Rudi Dassler. Wir drehen gerade in Prag, Wann der Fernsehfilm ausgestrahlt wird, weiß ich allerdings noch nicht. Dieses Jahr jedenfalls nicht mehr.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 2. November 2015
Zum Thema
Alina Levshin wird 1984 in Odessa, Ukraine geboren. Als Sechsjährige kommt sie mit ihren Eltern nach Berlin. Bereits während des Studiums an der Dominik Grafs preisgekrönter Serie "Im Angesicht des Verbrechens". Ihren großen Durchbruch markiert das Drama "Kriegerin" von David Wnendt, in dem Levshin eine Neonazi verkörpert.
2024