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Vanessa Jopp beim Drehbuchstudium am Set von "Komm näher"
Vanessa Jopp zu Berliner Klischees
Interview: Schildern, nicht werten
Liebeshungrige Polizisten, Taxi fahrende Langzeitsingle, verklemmte Mütter und schmachtende Pubertätsgören: In "Komm näher" erzählt Vanessa Jopp ("Engel + Joe") mit sieben verwobenen Schicksalen von der Einsamkeit der Großstadt und der verzweifelten Suche nach Liebe. Im Interview erklärte uns die 34-jährige Regisseurin das Ziel Ihres Schaffens.
erschienen am 11. 02. 2006
Szene aus: Komm näher
Ricore: Frau Jopp, ist "Komm näher" ein typischer Film über Berlin? Vanessa

Jopp: In den meisten Berlin-Filmen geht es um junge, hippe Leute und die abgefucktesten Ecken der Stadt. Um coole Musik und Jugendkultur. Mein Film soll zwar ganz offensichtlich in der Hauptstadt spielen, aber eher klassische Figuren beleuchten. Was nicht heißen soll, dass ich das typische Prenzlauer Berg-Klischee nicht auch bedient hätte.

Ricore: Wollen Sie den Sprachlosen in unserer Gesellschaft eine Stimme geben?

Jopp: Als Filmemacherin habe ich wenig Interesse an Menschen, denen es so gut geht, dass ihre Probleme sich immer nur um ihre eigene Person drehen. Mich interessiert es auch nicht, einen Film über die Branche zu machen, in der ich tätig bin. Ich recherchiere gerne und tauche in fremde Welten ein. Für "Engel + Joe" habe ich viel Zeit mit Straßenkindern verbracht. Kurzum: Mich interessieren Menschen, die nicht so sind wie ich.

Ricore: Wie sahen die Recherchen für diesen Film aus?

Jopp: Dieses Mal vertraute ich auf ein neues Konzept: Aus der gemeinsamen Beobachtung realer Menschen habe ich mit den Schauspielern zusammen die Figuren entwickelt. Wir haben unsere Erlebnisse zusammengetragen und so die einzelnen Rollen konstruiert.

Ricore: Sie verpflichteten Schauspieler, hatten aber keine Geschichte?

Jopp: Rein gar nichts. Mein einziger Wunsch war, dass sich der Film um Sex und Einsamkeit drehen sollte. Dann habe ich die Schauspieler verpflichtet und mit jedem einzelnen an seiner Figur gearbeitet. Ich habe dabei noch nicht einmal eine Richtung vorgegeben, es blieb jedem selbst überlassen. Mit der Zeit ergaben sich dann wie von selbst die unterschiedlichen Konstellationen und der finale Plot der Story. Als wir mit der Vorbereitung fertig waren, habe ich eine Art Zusammenfassung geschrieben, die ich den Schauspielern aber nie gezeigt habe. Sie kamen ans Set und mussten alle Dialoge improvisieren.

Ricore: Ist dieses verzahnte Arbeiten auch der Grund, warum Sie oft auf dieselben Schauspieler vertrauen?

Jopp: Genau. Marek Harloff ist mein Haus- und Hofschauspieler und mit Jana Pallaske habe ich bereits an "Engel + Joe" gearbeitet. Ich finde es angenehm, wenn man in einem Film immer einige Konstanten hat, auf die man sich verlassen kann.
Szene aus Vanessa Jopps "Komm näher"
Ricore: Gibt es diese Konstanten auch in Ihrer Art zu Inszenieren?

Jopp: Ich habe ein Gespür für präzises Schauspiel und weiß, wann eine Szene funktioniert oder nicht. Ich sehe viel und bin grundsätzlich kein Mensch, der schnell wertet. Ich sage nicht wenn etwas negativ oder positiv ist, sondern betrachte alles sehr zuerst sehr offen und schildere es in meinen Filmen ohne Wertung. Ich schaue liebevoll auf die Menschen und führe sie nicht vor, auch wenn sie sich seltsam benehmen.

Ricore: Sehr passionierte Worte für eine Frau, die doch eigentlich Wirtschaftswissenschaften studieren wollte...

Jopp: Ach, ich wusste nach dem Abi einfach nicht wohin, und mein Freund hielt dieses Studium für interessant. War es aber nicht, zumindest nicht für mich.

Ricore: Wie kamen Sie dann zum Film?

Jopp: Zuerst wollte ich Schauspielerin werden, aber in einer Theatergruppe habe ich dann gemerkt, dass rumkommandiert zu werden auch nicht mein Ding ist. Es war trotzdem hilfreich, denn in dieser Zeit habe ich überhaupt von der Existenz von Filmhochschulen erfahren. Ich drehte einen Kurzfilm zur Probe - und dieses Erlebnis war so was wie meine Erleuchtung. Es hat mich so gekickt, dass ich wusste: Das ist es. Die Hochschule für Fernsehen und Film hat mich dann sofort aufgenommen.

Ricore: Inzwischen sind Sie seit zehn Jahren im Geschäft. Ist Ihr Anspruch ans Filmemachen derselbe geblieben?

Jopp: Ich möchte noch immer Filme drehen, um Menschen zu berühren. Meine Lieblingsfilme sind die, wo man mitfühlt, wo man lachen und weinen kann. Ich fände es toll, wenn meine Filme dazu anregen, über sich selbst und sein eigenes Verhalten nachzudenken. Ich will etwas schaffen, das den Zuschauer weiterbringt.

Ricore: Haben die ersten Reaktionen auf "Komm näher" diese Kriterien erfüllt?

Jopp: Menschen haben mir erzählt, dass sie noch drei Tage nach dem Film darüber nachdenken mussten. Würde auch nur ein Pärchen durch meinen Film daran erinnert werden, wie wichtig ihnen ihre Beziehung eigentlich ist, und würden sie sich dadurch einander wieder ein Stück weit nähern, wäre das für mich der schönste Dank.
erschienen am 11. Februar 2006
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Geboren in Leonberg, BW.
2024