Barnsteiner Film
Gängsterläufer

Gangsterläufer

Originaltitel
Gangsterläufer
Regie
Christian Stahl, Christian Mueller-Stahl
Darsteller
Faruk Abdullayev, Hayat, Maradona Akkouch
Kinostart:
Deutschland, am 02.02.2012 bei barnsteiner-film
Genre
Dokumentarfilm
Land
Deutschland
Jahr
2011
FSK
ab 12 Jahren
Länge
93 min.
IMDB
IMDB
Homepage
http://www.gangsterlaeufer.de
|0  katastrophal
brillant  10|
6,0 (Filmreporter)
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Dokumentation über einen Möchtegern-Gangster
Yehya ist Sohn palästinensischer Flüchtlinge und ein Schüler der in die Schlagzeilen geratenen Berliner Rütli-Hauptschule. Trotz guter Leistungen in der Schule denkt der Teenager weder an eine reguläre Ausbildung, noch an einen normalen Job. Sein Traum ist es, Gangster zu werden - und zwar der größte. Die ersten Straftaten lassen denn auch nicht lange auf sich warten. Als 17-jähriger wird er schließlich nach einem Raubüberfall verhaftet und zu drei Jahren ohne Bewährung verurteilt.

Regisseur Christian Stahl hat den Jugendlichen für seine Dokumentation "Gangsterläufer" über die Jahre mehrfach im Gefängnis besucht. Dabei entsteht das Bild eines jungen Kriminellen, der in der Gefängnishierarchie zwar schnell aufsteigt, dessen Weltbild jedoch nach und nach ins Wanken gerät. Parallel dazu besucht der Regisseur die Familie des Jugendlichen in Neukölln, die über die Taten des Sohnes verzweifelt. "Ich hatte nicht mal eine U-Bahn-Strafe in 17 Jahren", sagt der Vater. "Und was machen die Kinder?" Durch eine Pilgerfahrt nach Mekka hofft er alle Probleme zu lösen, während seinem Sohn nach Absitzen seiner Strafe die Abschiebung droht.
Christian Stahl will mit seiner Dokumentation "Gangsterläufer" mehr als das Porträt eines Straftäters mit Migrationshintergrund zeichnen. Er möchte auch den Ursachen für die Verhaltensweise seines Protagonisten nachgehen. Yehya ist allem Anschein nach ein kluger junger Mann. Er ist nicht nur in der Lage, seine eigenen Probleme zu analysieren, sondern auch die gesellschaftlichen Realitäten zu erfassen. In der Schule gehört er zu den Klassenbesten.

Das vielgescholtene deutsche Bildungssystem kann demnach kaum als alleiniger Sündenbock für die gesellschaftliche Ausgrenzung von Migrationskindern herhalten. Die Ursache steht vielleicht auch mit den ethnischen Wurzeln und der Religion der Betroffenen im Zusammenhang. "So bin ich aufgewachsen", sagt Yehya an einer Stelle. "Selbst wenn ich es falsch finden würde, ich würde mich gar nicht trauen, anders zu denken". Die herkunftsbedingte Prägung, die der Jugendliche mit diesen Sätzen impliziert, kann sicher nicht für seine kriminelle Energie verantwortlich gemacht werden - dagegen spricht das Beispiel seiner gesetzestreuen Eltern. Sie kann indes als Erklärung für die Herausbildung einer unter Umständen gefährlichen fatalistischen Weltanschauung herhalten...

Christian Stahl erzählt seine Spurensuche in ruhigen Bildern. Der hypnotisch inszenierte Vorspann spiegelt die innere Zerrissenheit seines Protagonisten wider. Geschickt durchbricht Stahl die Versuche Yehyas, sich zu inszenieren. Wenn der junge Palästinenser den starken Mann markiert, zeigt ihn Stahl in einem Moment der Schwäche. Trotz des freundschaftlichen Umgangs zwischen Filmemacher und Porträtiertem bewahren Kamera und Szenenauswahl die nötige Distanz zum Geschehen.
Michael Domke, Filmreporter.de
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2024