Kinowelt
Goya in Bordeaux
Filmbiographien über berühmte Maler
Feature: Malerei als Film-Sujet
Die Geschichte der Malerei dient Filmemachern gerne als Fundgrube für packende Filmerzählungen. Biopics über bedeutende Maler erfreuen sich seit jeher einer großen Beliebtheit. Die Herangehensweisen an das Leben eines Künstlers unterscheiden sich hierbei beträchtlich. Während sich für den Mainstream produzierte Filme eher für den Menschen hinter dem Künstler interessieren, setzen Autorenfilmer ihren Fokus eher auf Kunst und Werk. Im Folgenden zeigen wir einige Beispiele aus dem breiten Spektrum von Künstlerbiographien.
erschienen am 18. 09. 2019
Warner Bros.
Vincent van Gogh - Ein Leben in Leidenschaft (Lust for Life, 1956)
Mainstreamfilm Hollywood'scher Prägung
Der Mainstreamfilm vor allem Hollywood'scher Provenienz sucht schon immer den Schulterschluss mit anderen Künsten. Dabei geht es weniger um überschneidende Formelemente, etwa das Erzählende eines Romans oder das Szenische des Theaters. Der Knoten wird vielmehr auf inhaltlicher Ebene geknüpft. Der Mainstream-Film interessiert sich vor allem für menschliche Schicksale. Oder konkreter: Er handelt mit Vorliebe von identifizierbaren Helden, die Schicksalsschläge überwinden oder eine aus dem Lot geratene Welt wieder geraderichten. Das ist die Brücke zu den anderen Künsten. Wenn sich die Filmemacher nicht die Mühe machen wollen oder können, ihre dem Schicksal trotzenden und weltrettenden Helden zu erfinden, dann plündern sie gerne die Geschichte. Dabei landen sie nicht selten bei den großen Heroen der Wissenschaft oder der Kunst.

Vincent Van Gogh und die 'Lust zu leben'
Mit besonderer Vorliebe klappern sie das Feld der Malerei ab, wo sie unweigerlich auf das spannende Leben eines gewissen Vincent van Gogh stoßen. Der niederländische Maler gilt als Inbegriff des gesellschaftlichen Außenseiters, der an seiner rohen Umwelt verzweifelt. Damit ist er ein dankbarer Held für ein Künstler-Biopic, was etliche Filmemacher erkannt haben. Eine der prominentesten Verfilmungen von van Goghs Leben und Schaffen ist Vincente Minnellis Klassiker "Vincent van Gogh - Ein Leben in Leidenschaft" mit Kirk Douglas in der Hauptrolle. Schon der Titel (englischer Originaltitel: "Lust for Life") signalisiert, dass nicht etwa der Künstler im Vordergrund steht, der die Kunstmoderne mit einläutete. Im Zentrum stehen vielmehr die 'Leidenschaften', die 'Lust' eines Menschen zu leben. Es versteht sich von selbst, dass sich die Filmemacher bei dieser Prämisse die Beziehung van Goghs zu seinem Freund und künstlerischen Rivalen Paul Gauguin nicht haben entgehen lassen. Die Begegnung und der tragisch endende Konflikt der beiden ebenso begnadeten Künstler wie schwierigen Menschen ist der Höhepunkt des Films.
Salzgeber
Caravaggio
Der Lebemann und Frauenheld Pablo Picasso
Auch Pablo Picasso und seine Kunst sind dem populären Künstler-Biopic oft bloß Vorwand für eine Erzählung über zwischenmenschliche Beziehungen. So zeigt sich auch James Ivory ("Wiedersehen in Howards End") in seiner Filmbiographie weniger an den genialen Künstler interessiert, der Meisterwerke wie "Les Demoiselles d'Avignon" und "Guernica" schafft. Er dreht mit dem bezeichnenden Titel "Mein Mann Picasso" einen Film, in dem Picasso (überzeugend dargestellt von Anthony Hopkins) vor allem ein großer Lebemann ist. Geliebten und Affären bestimmen säumen den Weg dieses Ausnahmekünstlers und -menschen. Die Kunst ist die Ableitung des Lebens. Denn die Erfahrung ist auch hier die Inspirationsquelle für ein Werk, das der Künstler wie nebenbei aus den Ärmeln schüttelt.

Caravaggio und seine Kunst
Filme können sich durchaus auch mit der Kunst und dem Werk eines Künstlers beschäftigen, nur findet man eine solche Herangehensweise eher abseits des Mainstreams. Bemerkenswert ist dieser Hinsicht Derek Jarmans "Caravaggio". Der britische Filmemacher und Maler hat mit seinem Meisterwerk aus dem Jahr 1986 nicht den Anspruch, Leben und Welt des Barock-Künstlers detailgetreu wiederzugeben. Wenngleich sich der homosexuelle Jarman durchaus an biographischen Eckpunkten wie die mutmaßliche Homosexualität Caravaggios interessiert zeigt, geht es in seinem Film vor allem um die Kunst und den künstlerischen Schaffensprozess. Formal ambitioniert erzählt, ist "Caravaggio" neben Filmdrama auch eine Filmstudie, die anhand des Verhältnisses zwischen Künstler und Model 'die Wechselwirkung zwischen Eros und Kunst' (Film-Dienst) untersucht.
Meisterdrucke
"Das Mädchen mit dem Perlenohrring" von Jan Vermeer
"Das Mädchen mit dem Perlenohrring" über "Das Mädchen mit dem Perlenohrring"
Dass die Leidenschaften eines Künstlers durchaus in den Hintergrund und sein Werk ins Zentrum eines Films rücken kann, das zeigt auch "Das Mädchen mit dem Perlenohrring". Auch dieses Drama von Peter Webber leugnet nicht die Wechselwirkung von Kunst und Leben. Der niederländische Maler Jan Vermeer van Delft (Colin Firth) ist durchaus angetan von seinem Model, was zu Spannungen mit seiner Frau führt. Die von Scarlett Johansson gespielte Griet ist schön und sinnlich und damit eine Inspirationsquelle für das Titelbild des Künstlers. Doch Webber bleibt zurückhaltend mit der Darstellung des persönlichen Verhältnisses zwischen Maler und Model. Das Gewicht der Erzählung, die übrigens an Vermeers Malstil angelehnt ist, liegt auf der Gefühlswelt Griets und der Entstehung des berühmten Gemäldes.

Eintauchen in die Welt des Bildes
Wenn sich ausdrucksstarke Filmemacher auf einen Maler und sein Schaffen einlassen, dann äußert sich das auch ästhetisch, indem sie auf formaler Ebene Stil und die Malweise des Künstlers aufgreifen. Das hat Webber eindrucksvoll mit Vermeer getan und das tat auch Julian Schnabel hochgelobt in "Van Gogh - An der Schwelle zur Ewigkeit". Einen Schritt weiter gehen die Filmemacher von "Shirley - Visionen der Realität" und "Loving Vincent". Hier kann nicht mehr von Zitat oder künstlerische Reflektion die Rede sein, man muss vielmehr von einer Stil-Imitation, einem kompletten Eintauchen in die Welt eines Kunstwerks sprechen. So stellt der Regisseur Gustav Deutsch mit "Shirley - Visionen der Realität" in 13 Tableaus jeweils ein bekanntes Werk von Edward Hopper nach. Jedes der Filmbilder ist in Sachen Handlung, Motive und künstlerische Gestaltung den Originalen exakt nachempfunden. Roter Faden zwischen den Einzelteilen ist eine Frau namens Shirley, die von Bild zu Bild geistert und im Off die gedrückte Stimmung ausspricht, die Hopper in seinen Bildern mit malerischen Mitteln zum Ausdruck gebracht hat.

Ähnlich gehen Dorota Kobiela und Hugh Welchman in "Loving Vincent" vor. Das Kriminaldrama erzählt von einem Mann, der sich auf die Spur des kürzlich verstorbenen Malers Vincent van Gogh begibt. Er glaubt nicht, dass der Künstler sich das Leben genommen hat, deshalb forscht er nach der Wahrheit. Interessanter als der Inhalt ist die Umsetzung des Films. Die Handlung von "Loving Vincent" wird in rund 65.000 einzelnen Ölgemälden aufgelöst, die mehr als 120 Künstler aus aller Welt dem Malstil van Goghs nachempfunden haben. Das Ergebnis ist nicht nur technisch beeindruckend. "Loving Vincent" ist methodisch der am langsamste entwickelte Film überhaupt. Hinzu kommt der Effekt. Es ist, als würde der Zuschauer in die gemalte Welt van Goghs eintauchen. "Loving Vincent" treibt den Realismus-Begriff auf die Spitze und verbeugt sich nebenbei ehrfürchtig vor dem Werk eines großen Künstlers. Was will man von einer Filmbiographie mehr erwarten?
erschienen am 18. September 2019
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Ein Künstler blickt auf sein Leben zurück. Die Nachwelt wird ihn zu den ganz großen Malern seiner Zeit zählen. Der 82jährige Francsco de Goya (Francisco Rabal) fristet das Ende eines langen Lebens im französischen Bordeaux. Carlos Saura ist nicht umsonst der Altmeister des spanischen Kinos. Er frustriert seine Zuschauer nicht mit einem weiteren braven und meist langweiligen Biopic, von denen es bereits so viele über Francsco de Goya gibt, nein, der Altmeister hat ein künstlerisch hoch..
Opulent bebilderte Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers, der die fiktive Entstehungsgeschichte des berühmten Vermeer-Gemäldes erzählt: Ein junges Mädchen (Scarlett Johansson) wird im 17. Jahrhundert als Magd des niederländischen Malers angestellt. Eigentlich soll sie nur dessen Arbeitszimmer putzen - doch dann entdeckt Vermeer ihr künstlerisches Talent, macht sie zu seiner Assistentin und lässt sie gar Modell stehen. Das gehört sich für ein Mädchen ihres Standes überhaupt nicht.
Caravaggio (Kinofilm)
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