Wesh wesh, was geht hier ab?
Packender Debütfilm über Schicksal muslimischer Immigranten
Feature: Leben im Teufelskreis
In Frankreich lief "Wesh wesh, qu' est-ce qui se passe?" im letzten Jahr zwischen den beiden Wahlgängen der Präsidentenwahl. Dadurch rückte die Aktualität der Thematik dort auf völlig unvorhersehbare Weise ins öffentliche Bewusstsein: Der Debütfilm von Rabah Ameur-Zaïmeche schaffte es auf die Titelseiten und zieht im Nachbarland bis heute einen Strom von Besuchern an. Mit Recht. Vermittelt er doch mit einfachen Mitteln ein differenziertes, aufrüttelndes Bild der komplizierten, teils aussichtslosen Situation afrikanischer Immigranten in den tristen Wohnsilos französischer Städte.
erschienen am 21. 03. 2003
Wesh wesh, was geht hier ab?
Der 30-jährig Kamel (dargestellt vom Regisseur) hat mehrere Jahre im Knast gesessen; in Algerien, wohin man ihn - Verdopplung der Strafe - gleichzeitig ausgewiesen hatte. Nun kehrt er ohne Papiere nach Frankreich zurück. Hier lebt seine Familie, hier ist er aufgewachsen, hier gehört er hin. Doch in Bosquets à Montfermeil, einer gigantischen Plattenbausiedlung in der Pariser Banlieu, ist es schwer, Fuß zu fassen, ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit zu entwickeln. Kamel bemüht sich dennoch um eine angepasste Existenz, Arbeit, Wiedereingliederung. Bruder Mousse (Ahmed Hammoudi), ein hübscher Hitzkopf, versucht dagegen mit einer Gang im Drogengeschäft sein Glück.
Wesh wesh, was geht hier ab?
Der Gegenüberstellung von legalem und illegalem Weg ordnet der Film weitere hinzu: Den Zusammenprall zwischen den Kulturen und nach Geschlechtern getrennten Sozialwelten, die sprachliche Kluft, den Konflikt zwischen den Generationen und den Gegensatz zwischen den hässlichen, trostlosen Ghettogebäuden draußen und den liebevoll gestalteten Räumen innen. Auf der Erzählebene korrespondiert dieser Gegensatzstruktur eine präzise Balance zwischen dokumentarischen und fiktiven Sequenzen, harter Sozialkritik und poetischen Fluchtpunkten, schonungslos trostlosen Szenen und diskretem Humor.
Wesh wesh, was geht hier ab?
Der kritische und anklagende Gestus des Films, den der Regisseur zusammen mit seiner Familie und Freunden gedreht und produziert hat, ist unübersehbar. Aber er entgeht einer schlichten Schwarzweißzeichnung, weil er die Härte von Hackordnung und (Vor)Urteilen innerhalb der Gruppe nicht unterschlägt. Selbst die muslimischen Geschäftsleute, denen Kamel die bürgerlichen Tugenden Zuverlässigkeit und Ausdauer anbietet, schrecken zurück: Mit einem Illegalen lässt man sich nicht ein. Auch für die Ambivalenz mancher sozialer Riten, vor allem den ungebremsten Machismo, findet er eindringliche Szenen. Unterstrichen wird Ameur-Zaimeches realitätsgesättigte Milieuschilderung durch Rap- und Raimusik, deren starke Rhythmen die heftigen und zugleich ohnmächtigen Gefühle der Figuren aufgreifen.
Wesh wesh, was geht hier ab?
In wenigen Einstellungen wird die komplizierte Dynamik deutlich, die das Verhältnis zwischen entwurzelten Afrikanern und französischen Polizisten bestimmt: Gewalt erzeugt Gewalt, Demütigungen und Ausgrenzung treiben die Jugendlichen - anfangs Kinder, Träumer, deren Sehnsüchte an den beschmierten Hauswänden der Siedlungsblöcke abprallen - in die Kriminalität. "Wesh wesh" (übersetzt etwa: "Was geht hier ab?") ist ein engagiertes und facettenreiches Plädoyer. Bestürzend auch mit Blick auf die Situation von Ausländern in Deutschland, deren Existenz zwar einen anderen historischen Hintergrund hat, deshalb jedoch oft nicht weniger schwierig und deprimierend ist.
erschienen am 21. März 2003
Zum Thema
Der algerische Regisseur Rabah Ameur-Zameche verfolgt das Schicksal nordafrikanischen Einwanderer mit Sinn für Authentizität und Einfühlungsvermögen. Kamel hat seine Strafe in französischen Gefängnissen abgesessen und wurde ausgewiesen. Heimlich kehrt er zu seiner Familie nach Frankreich zurück. Es gelingt ihm weder Papiere noch Arbeit zu finden.
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