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Wenn das Fernsehvolk den Kandidaten wählt
K-Frage auf Amerikanisch
Wenn Popularität über Kompetenz geht, würde Günther Jauch Bundeskanzler. Ein schöner Gedanke des Kandidat gebliebenen Edmund Stoiber. Wie wäre das, wenn die deutsche Bevölkerung jede Woche den unbeliebtesten Politiker per Votum von der Politbühne fegen könnte, bis am Ende der Populärste übrig bliebe - und Kanzlerkandidat wird. Ein Duell wäre unnötig, Westerwelle schon in der Vorrunde ausgeschieden, des Volkes Kanzlerkandidat wäre der immergrüne Joschka. Alles reine Spekulation? Eher Medienrealität - die in den USA bald Politrealität werden könnte, wenn Murdochs Kabelsender FX ab Januar 2003 die Gameshow "American Candidate" ausstrahlt.
01. Okt 2002: Hundert Möchtegern-Präsidentschaftskandidaten sollen um die Gunst des Publikums kämpfen, vor Mount Rushmore Reden schwingen, den Geist von Camp David ein- und ausatmen, möglicherweise auch beim Pretzel-Wettessen politisches Talent beweisen. Die Zuschauer wählen, Big Brother lässt grüßen, ihre Favoriten, bis im Juli 2004 der Sieger feststeht. Der darf wenige Monate später bei den Präsidentschaftswahlen antreten - und auf manche Stimme hoffen. Schließlich wird er fast ebensoviel Zeit im Fernsehen verbracht haben wie die "echten" Kandidaten. Vom Container ins Weiße Haus? Kanzler Schröder sollte aufpassen - möglicherweise muss er ab 2004 mit einem Yankee-Zlatko die deutsch-amerikanische Freundschaft kitten.

Das dürfte dem deutschen Medienkanzler nicht schwer fallen. Denn hierzulande ist diese Art der "Medienpolitik" so unbekannt nicht. Schröder war sich nicht zu schade, in der RTL Vorabend-Soap "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten" aufzutreten. Guido Westerwelle hat im Container Erfahrungen gesammelt, als er bei "Big Brother" auftrat und ein Bierchen mit den Kandidaten trank. Zum Kanzlerkandidaten hat er es zumindest geschafft. Zum Wahlsieg reichte es nicht ganz.

Ein Schicksal, das auch den American Candidate ereilen könnte. Weiße Zähne, gestählter Oberkörper, angenehme Singstimme und schöne Augen werden nicht ausreichen, das höchste Amt der Vereinigten Staaten zu erlangen. Da gehört schon ein wenig mehr dazu. Intelligenz, Kompetenz und Fachwissen? Eher überflüssig. Vor allem braucht der Kandidat viel Geld. 180 Millionen Dollar hat sich George W. Bush seine Kampagne 2000 kosten lassen. Da wird der American Candidate nicht mithalten können, denn Murdoch wird ihn zwar medial, aber nicht finanziell unterstützen.

Ob eine solche Sendung, vielleicht unter dem Titel "Wer wird Koalitionär", in Deutschland zum Quotenrenner taugt? Spannend wäre das allemal, das hat man schon bei der K-Frage der Union sehen können. Da gab es nur zwei Kandidaten - aber jede Menge mächtigen Medienrummel. Mögliche Disziplinen in der deutschen Ausgabe: Wet-Rubberboot-Contest am Elbufer, Weißwurstfrühstück in Wolfratshausen, Fallschirmspringen auf Usedom, Polit-Theater im Bundesrat oder auch das beliebte Spiel: Wer kann den amerikanischen Präsidenten (oder wahlweise einen beliebigen jüdischen Mitbürger) am nachhaltigsten beleidigen.

Allerdings: In Deutschland gibt es ja schon eine alternative Version von "American Candidate". Sie heißt "Sabine Christiansen" und läuft sonntags im Ersten. Dort präsentieren sich ebenfalls Kanzlerkandidaten und Menschen, die es gern würden. Leider können die Zuschauer hier aber nicht jede Woche einen Kandidaten per Votum hinausbefördern.
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