20th Century Fox
Terence Stamp
Geld zu haben bedeutet alles
Interview: Terence Stamp, der Snob
Es ist nur eine kleine Rolle, die Terence Stamp in Bryan Singers neuem Kinohit "Operation Walküre - Das Stauffenberg Attentat" spielt. Doch es ist eine Rolle von großer geschichtlicher Bedeutung, wenngleich die realen Geschehnisse zugunsten der Filmdramaturgie verändert wurden. Er spielt General Ludwig Beck, der nach einem zweifach gescheiterten Selbstmordversuch am Abend des 20. Juli 1944 hingerichtet wurde. Im Film gelang die Selbsttötung auf Anhieb. Warum und wieso solche Änderungen notwendig sind, das erzählt uns die Ikone des britischen Kinos in einem Berliner Hotel.
erschienen am 27. 01. 2009
Capelight Pictures, United Artists Production Finance
Tom Cruise & Kenneth Branagh In "Operation Walküre - Das Stauffenberg Attentat" ("Valkyrie", 2008)
Ricore: Was hat Ihnen an Berlin am Besten gefallen?

Terence Stamp: Ich war ja in den 1960er Jahren regelmäßig hier. Zuletzt besuchte ich Berlin im Jahr, als die Mauer fiel. Heute bin ich wirklich beeindruckt, wie schön alles ist, wie alles restauriert wurde. In London haben wir immer noch Kriegsschäden vom Blitzkrieg. Berlin ist eine schöne Stadt, besonders was die Architektur betrifft. Das hat mich persönlich am meisten beeindruckt.

Ricore: Kennen Sie deutsche Wörter?

Stamp: (auf Deutsch:) "Ich bin ganz allein".

Ricore: Wie traurig!

Stamp: Ich bin ein trauriger Mann. (lacht) Ich kann ein paar Worte, doch ich habe nie die Grammatik beherrscht. Das geht mir mit jeder Fremdsprache so.
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Terence Stamp
Ricore: "Operation Walküre - Das Stauffenberg Attentat" ist ein Historienfilm. Sie sind eher bekannt für Science Fiction oder Action. Was fasziniert Sie mehr, die Zukunft oder die Vergangenheit?

Stamp: Es geht darum, die Zukunft oder die Vergangenheit für den Moment einzufangen. Was damals geschehen ist, sind historische Ereignisse, aber wir haben sie jetzt mit der Kamera eingefangen. Die Herausforderung für Schauspieler ist, das Leben eines Charakters zu würdigen. Das ist anstrengender, als bei einem fiktiven Stoff. Aber letztendlich versucht man als Filmschauspieler zwischen "Action" und "Cut" präsent zu sein. Das war hier besonders relevant. Wie geht ein Mann mit den möglichen Konsequenzen seines Scheiterns um. Dabei ging es nicht nur ums Sterben. Es ging darum, dass deine Frau, Eltern, Kinder, Hunde getötet würden. Wer kann so etwas verantworten? Bestimmt nicht Cheney oder Bush oder Blair. Es ist eine andere Art Mann, der so etwas kann. Und wie macht man das im Film? Man mag zwar vage Vorstellungen haben, doch sofern man diese Ideen nicht in den Film bringen kann, bleiben sie nichts als Vorstellungen. Das war die Herausforderung hier.

Ricore: Was ist für Sie demnach ein Held?

Stamp: Ein Held ist jemand, der andere so behandelt, wie er sich selbst behandelt. Oder jemand, der die Würde von allem Leben anerkennt.

Ricore: Also war Stauffenberg ein Held?

Stamp: Ja, ich denke, das kann man sagen. Stauffenberg war ein Held. Er verstand die Heiligkeit des Lebens, war eine Person, die sich opferte. Er dachte an das Größere, die künftigen Generationen in Deutschland. Dafür opferte er sein Leben und das seiner Familie. Dass künftige Generationen einmal sagen können "Nicht alle haben Hitler gefolgt, es war nicht jeder so".
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Terence Stamp und Tom Cruise in "Operation Walküre - Das Stauffenberg Attentat"
Ricore: Wussten Sie vom deutschen Widerstand?

Stamp: Ich war während des Krieges ein kleiner Junge. Wir alle wussten vom Attentat. Aber Tatsache war, dass es gescheitert ist. Und das bedeutete für uns nur, dass die Bomben weiter auf uns fielen. Also vergaßen wir es. So ging es den meisten Briten. Dieser Film ist wie eine Enthüllung für mich. Das war nicht nur eine bedeutende Bewegung. Das Attentat scheiterte so denkbar knapp! Die Welt wäre heute eine komplett andere. Es ist immer aufregend, wenn man mehr als nur seine eigene Meinung sieht.

Ricore: Welcher Film, in dem Sie mitgespielt haben, ist Ihr Lieblingsfilm?

Stamp: Ich habe für jede Ära meines Schaffens einen Lieblingsfilm. Da wäre als erstes "Die Verdammten der Meere". Der hat mich bekannt gemacht. Dann mein erster Hollywoodfilm "Der Knochenjäger", mit dem großartigen William Wyler. Weiter ging es mit "Toby Dammit", vor und nach Fellini. Der gesamte Film dauerte nur 50 Minuten. Aus der neueren Zeit würde ich "The Limey" und "Priscilla - Königin der Wüste" nennen.

Ricore: Gehen Sie mit Ihrer Erfahrung heute anders in Dreharbeiten, als vor 20 Jahren?

Stamp: Es gibt bei Dreharbeiten manchmal wundervolle Momente, wenn man nicht mit dem Auge sondern mit dem Herzen dabei ist. Ich habe festgestellt, dass diese Momente häufiger vorkommen als früher. Ich kann sie jedoch nicht beeinflussen. Man weiß nicht, wann sie kommen. Das Einzige, was ich vor jedem Dreh mache, ist mich zu sammeln, voll und ganz im Jetzt sein.
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Operation Walküre - Das Stauffenberg Attentat ("Valkyrie", 2008)
Ricore: Ist es die Suche nach solchen Momenten, die Ihre Rollenwahl leitet?

Stamp: Man weiß nie, wann diese Momente passieren. Sie können jederzeit eintreten. Als ich in "Priscilla - Königin der Wüste" mitspielte, war dieser Film das Letzte, worauf ich Lust hatte. Doch bei den Dreharbeiten passierte folgendes: Wir machten unseren ersten Song. Plötzlich stand ich auf dem Tresen einer Bar mit lauter Statisten. Jeder angepisst. Ich hatte dieses schreckliche Trikot an und neben mir standen Guy Pearce und Hugo Weaving. Ich erinnere mich noch genau an diesen Moment. Ich habe mich gefragt: "Was zum Teufel machst du hier? Du bist ein Mann mittleren Alters, ein Toilettenphilosoph. Du bist der bestgekleidete Mann Großbritanniens. Was machst Du hier?" Und ganz plötzlich haben wir gegroovt. Wir machten das Take, ich machte das Take! Ich konnte es nicht fassen. Und in genau diesem Moment fühlte ich mich, als wäre ich auf dem Mond.

Ricore: Was ist dann geschehen?

Stamp: Nach dieser Szene wurde es lustig. Aber davor war der Film einfach nur schrecklich. Damit will ich sagen: Ich weiß nie genau, welche Filme ich machen soll und welche nicht. Ich bin ein Snob. Also mach ich keine Scheiße, solange ich es mir leisten kann. Wenn ich nicht genug Geld habe, mache ich alles. Ich bin schließlich ein arbeitender Schauspieler. Habe ich genug Geld, kann ich mir die Rollen aussuchen. Und wenn ich ein Drehbuch lese, habe ich ein Gefühl dafür. Als ich das Drehbuch für "Operation Walküre - Das Stauffenberg Attentat" bekam, hatte ich keine Lust einen Film zu machen. Ich hatte gerade "Get Smart" gedreht, ich war erschöpft. Ich war also überhaupt nicht bereit für diesen Film. Doch als ich das Drehbuch las, dachte ich mir "Mein Gott, das ist sagenhaft." Diese Rolle kann ich nicht ablehnen. Also machte ich es. Es ist keine große Rolle, doch es ist ein bedeutender Teil der Geschichte.

Ricore: Vielen Dank für das interessante Gespräch.
erschienen am 27. Januar 2009
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2024