Movienet Film
Götz Spielmann
"Die Realität liefert die besten Ideen"
Interview: Kurz und bündig: Götz Spielmann
Götz Spielmann sagte mal, Preise seien ihm nicht so wichtig. Doch da wusste der Österreicher noch nicht, dass sein neuester Film "Revanche" für den Oscar 2009 in der Kategorie "Bester nicht-englischsprachiger Film" nominiert war. Mit uns sprach der sympathische Regisseur über seine Recherchen im ukrainischen Rotlichtmilieu, seine Erfahrungen bei der Polizei und warum der Applaus des Publikums die größte Genugtuung für ihn ist. Allerdings dauerte es einige Zeit, bis Spielmann gesprächig wurde. Der Abend war wohl zu lang geraten!
erschienen am 13. 02. 2009
Movienet
Revanche
Ricore: Wie geht es Ihnen?

Götz Spielmann: Es ist ganz schön stressig derzeit. Viele Termine sind abends, die dauern dann manchmal etwas länger. Daher bin ich heute noch langsam…

Ricore: Sie sind Regisseur, Drehbuchautor und Produzent von "Revanche"…

Spielmann: Einer der Produzenten, es gibt mehrere…

Ricore: Ist diese Dreifachfunktion nicht ein enormer Kraftaufwand?

Spielmann: Ja.

Ricore: Können Sie uns etwas darüber berichten?

Spielmann: Die Verwirklichung des Projekts ging erstaunlich rasch von statten. Von der ersten Idee bis zum fertigen Film dauerte es nicht einmal zwei Jahre.

Ricore: Die Idee stammt ebenfalls von Ihnen?

Spielmann: Ja.
Movienet Film/Lukas Beck
Hannes Thanheiser und Ursula Strauss in "Revanche"
Ricore: Gab es einen bestimmten Anlass?

Spielmann: Wenn ich das wüsste… Das ist sehr schwer zu sagen. Würde ich sie jetzt beantworten, müsste ich lügen. Täglich schau ich mich um, erlebe Dinge, habe Ideen, die ich später wieder verwerfe, und irgendwann plötzlich ist dann eine Idee da, die sich für einen Film eignet. Denn Beginn kann ich aber nicht festmachen. Vielleicht hat es damit zu tun, dass ich vor längeren Jahren im Rotlichtmilieu unter anderem in der Ukraine recherchiert habe. In Wien konnte ich im Zuge dieser Recherche die Polizeiarbeit näher beobachten und erhielt so tiefere Einblicke als ein normaler Bürger. Ich bin jemand, der gerne wandert, ich spaziere gerne durch die Natur. Dadurch mache ich natürlich auch Erfahrungen, die irgendwie dann zu einer Idee werden.

Ricore: Basieren Ihre Filmfiguren auf Menschen, die Sie während Ihrer Recherche kennen gelernt haben?

Spielmann: Ja durchaus, zwar nicht eins zu eins, aber die Figuren wurden schon von meinen Erlebnissen beeinflusst. Beispielsweise der Bauer, der immer Kopfweh hat, basiert tatsächlich auf einem real existierenden Bauer, den ich oft auf seinem Bauernhof besucht habe. Er hat mir Geschichten erzählt, von denen kleine Elemente in meinem Film eingeflossen sind. Die Realität ist nämlich unglaublich reich an Geschichten. Wenn man sich da hineinbegibt, erhält man viel Inspiration, Wissen, Erfahrung. Das kann man natürlich alles gut für einen Film verwenden.

Ricore: Gibt es keinen Widerspruch zwischen der Arbeit eines Drehbuchautors, der so viel wie möglich hineinpacken will, und jener eines Regisseurs, der aussortieren muss?

Spielmann: Mir gefällt der extreme Unterschied zwischen diesen zwei Berufen. Wahrscheinlich brauche ich diesen Gegensatz. Denn das Drehbuchschreiben ist eine sehr einsame, zurückgezogene Arbeit, wo man es mit sich selbst oftmals sehr schwer hat. Es ist gewissermaßen eine Arbeit, bei der man mit sich selbst umgehen können muss. Die Regie ist das völlige Gegenteil. Als Regisseur muss man mit der Realität, mit der Außenwelt, Mit Witterungsbedingungen, mit Schauspielern, Kameraleuten, mit dem ganzen Team umgehen. So zurückgezogen man beim Schreiben ist, umso zentraler ist man als Regisseur. Das sind zwei extreme Gegensätze. Ich mag das! War ich lange in einem Bereich tätig, freue ich mich umso mehr auf den anderen.
Movienet Film/Lukas Beck
Toni Slama und Irina Potapenko in "Revanche"
Ricore: Dann schreiben Sie beim nächsten Projekt also das Drehbuch wieder selbst?

Spielmann: Definitiv!

Ricore: Im Fernsehfilm "Spiel im Morgengrauen" übernahmen Sie selbst eine Rolle. Ist das eine Zukunftsoption für Sie?

Spielmann: Nein. Ich finde mich nicht so wahnsinnig interessant als Schauspieler.

Ricore: In Österreich gehören Sie schon lange zu den großen und wichtigen Regisseuren. Ist es in einer solchen Situation einfacher, gute Filme zu drehen?

Spielmann: Ich habe jetzt nicht das Gefühl, so wahnsinnig viel Erfolg zu haben. Das ist natürlich sehr angenehm, da ich dadurch nicht so sehr unter Druck stehe. Es ist jedoch einfacher, wenn es um die Finanzierung geht. Wenn auch nur ein wenig, denn einfach ist es niemals. Die Mittel in Österreich sind sehr gering und beschränkt. Für jeden, der in Österreich Filme macht, egal welchen Namen er trägt, ist es schwierig.

Ricore: Wie war es bei "Revanche"?

Spielmann: Wir hatten sehr großes Glück, da alle Stellen, die man braucht, um so einen Film finanziert zu bekommen, gleich zugesagt haben. So stand die Finanzierung eigentlich sehr schnell.
Movienet Film
Götz Spielmann
Ricore: Wie sehen Sie das österreichische Kino heute und in der Zukunft?

Spielmann: Ich glaube, dass es vielfältiger ist, als es international wahrgenommen wird. Im Ausland glaubt man oft, der österreichische Film ist radikal gesellschaftskritisch. Aus der Innensicht kann ich sagen, dass Österreich eine sehr vitale, lebendige und differenzierte Filmszene hat.

Ricore: Wird Österreich durch Stefan Ruzowitzkys Oscar für "Die Fälscher" nach außen hin mehr wahrgenommen?

Spielmann: Das denke ich schon, ja. All diese Erfolge vergrößern die Wahrnehmung eines Filmlandes, grad eines derart kleines wie Österreich es ist. Wir machen jährlich nur wenig Filme, die sind kaum der Rede wert. Wenn sich Österreich auf der Landkarte des Weltkinos positionieren will, muss es darauf achten, als Filmland wahrgenommen zu werden.

Ricore: Zurück zu Ihrem Film "Revanche". An welche Szene erinnern Sie sich besonders gerne zurück?

Spielmann: Ach, es gab so viele herausstechende Erlebnisse. Einer der schönsten Momente war aber am letzten Drehtag am Bauernhof. Als wir dort angekommen sind, war alles in Nebel getaucht. Und genau diese Stimmung habe ich mir für die letzte Szene gewünscht. Während der ganzen Drehzeit war uns dies nämlich verwehrt geblieben, auch der Wetterbericht leugnete, dass Nebel kommen würde. Doch er war da und zwar genau dort, wo ich ihn haben wollte. Ich war sehr glücklich darüber und habe dem Kosmos ein großes Dankeschön geschickt.
Movienet Film/Lukas Beck
Johannes Krisch in "Revanche"
Ricore: Ist es vielleicht gerade für Österreich ein Problem, Filme im Dialekt zu drehen? Dadurch besteht die Gefahr, ein kleineres Publikum anzusprechen.

Spielmann: Jean Renoir hat einmal gesagt, nur ein Film der provinziell ist, wird überall auf der Welt verstanden.

Ricore: Sie haben auch ein Theaterstück geschrieben. Was war das für eine Erfahrung für Sie?

Spielmann: Es ist etwas ganz anderes. Ein Bühnenstück ist etwas viel fertigeres als ein Drehbuch. Das Drehbuch ist etwas vorübergehendes, das verschwindet, wenn der Film erst einmal gemacht ist. Im Theater kommt es vielmehr auf Sprache an, das heißt, das Theaterstück ist für sich schon ein fertiges Werk, auch wenn man es nicht aufführt. In dem Sinne ist es auch mehr befriedigend, fürs Theater zu schreiben. Wird ein Drehbuch nicht verfilmt, ist es verlorene Zeit. Beim Theater ist es nicht so.

Ricore: Was erwarten Sie vom Publikum?

Spielmann: Ich weiß es nicht. Aber jene, die ihn schon gesehen haben, also auch jene Österreicher waren angetan. Der Film ist recht gut angekommen glaube ich.

Ricore: Sie haben schon einige Preise erhalten. Wie wichtig sind Ihnen diese Preise?

Spielmann: Persönlich sind sie nicht so wichtig. Aber sie helfen natürlich, dass man weitermachen kann. Filmemachen ist eine teure Angelegenheit, man braucht Geld um einen Film zu formen. Dazu gehört natürlich eine gewisse Art von Erfolg. Insofern sind Preise wichtig. Für mich persönlich sind die Reaktionen von Menschen jedoch wichtiger, die mir das Gefühl geben, bei ihnen etwas erreicht zu haben. Wenn sie sagen, der Film hat sie berührt, dann ist das der Preis, den ich mir wünschen.

Ricore: Lassen Sie sich von Ihrem Umfeld beraten?

Spielmann: Ja, natürlich. Drehbücher werden von Freunden gelesen und kritisiert. Das mache ich auch bei Kollegen. Das ist ein sehr lebendiger Prozess.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 13. Februar 2009
Zum Thema
Der österreichische Regisseur, Drehbuchautor, Regisseur und Produzent zählt zu den derzeit wichtigsten deutschsprachigen Autorenfilmer. Und das, bevor er mit dem Drama "Revanche" für einen Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film nominiert wurde. Selbst bezeichnet er sich als jemanden, der die Abwechslung im Filmbusiness schätzt. Er liebt sowohl das einsame Drehbuch-Schreiben im dunklen Kämmerlein, als auch das hektische Leben eines Regisseurs.
2024