Concorde Filmverleih
Joel Hopkins
Alles dreht sich um die Liebe…
Interview: Joel Hopkins zweiter Streich
Zwischen seinen ersten beiden Filmen liegen sieben Jahre, in denen Regisseur und Drehbuchautor Joel Hopkins mit vielen Projekten beschäftigt hatte. Doch immer wieder kam etwas dazwischen. So dauerte es bis 2008 bis Hopkins seinen zweiten Film, "Liebe auf den zweiten Blick" drehen konnte. In der Stadt der Liebe sprechen wir mit ihm über den Mut, den es bedarf, sich im Alter auf eine neue Liebe einzulassen. Und wir erfahren einiges über seine Entwicklung zum Autor…
erschienen am 15. 04. 2009
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Liebe auf den zweiten Blick
Ricore: Sind Sie zum ersten Mal in Paris?

Joel Hopkins: Ich war bereits fünf Mal hier. Doch ich bin nicht wirklich ein Paris-Kenner. Ich könnte Ihnen jetzt nicht sagen, welches Viertel momentan das angesagteste ist. Doch in Paris kann man nicht viel falsch machen. Egal, wohin man geht - überall wird was geboten. Gestern Abend wurden wir vom Vertrieb zu einem Abendessen in einem Restaurant eingeladen, das sich in der zweiten Etage des Eiffelturms befindet.

Ricore: Können Sie sich vorstellen, einen Film hier in Paris zu drehen?

Hopkins: Ich würde liebend gerne einen Film in Frankreich drehen. In meinem ersten Film arbeitete ich mit einem französischen Schauspielkollegen. Ich bin ein Bewunderer des französischen Kinos. Deshalb würde ich gerne mit französischen Schauspielern arbeiten. Wenn ich eine Geschichte in die Hände bekäme, die funktioniert, würde ich auf der Stelle einen Film in Frankreich drehen.

Ricore: Zu Ihrem aktuellen Film: Warum fällt es älteren Menschen schwerer, sich zu verlieben?

Hopkins: Emma (Thompson d. Red.) könnte diese Frage besser beantworten. Sie kann das gut erklären. Wie sagte Sie doch gleich? Im Alter wagt man nicht mehr so viel, man will seine Routine nicht aufgeben, wie es der Fall ist, wenn man sich verliebt. Neu zu lieben ist kompliziert, darauf will man sich nicht einlassen. Liebe ist immer ein Wechsel. Und ich denke, wir fühlen uns alle wohl mit dem, was wir und erarbeitet haben, wollen nichts aufgeben. Im Alter gehört zu einem solchen Schritt viel mehr Mut. Dazu kommt, dass man mehr nachdenkt. Wenn Menschen jünger sind, verändern sie sich automatisch öfter, sie sind noch an Wechsel gewöhnt. Deshalb verursacht ein solcher Wechsel bei jüngeren Menschen lange nicht so viel Angst, wie es bei älteren der Fall ist. Ich denke an Emmas Aussage, wonach uns im Alter unsere Sterblichkeit viel mehr bewusst ist. Ich weiß nicht, warum wir deshalb mehr Angst vor Veränderung haben.
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Dustin Hoffman und Emma Thompson
Ricore: Was macht das Leben neben der Liebe noch lebenswert?

Hopkins: Das ist eine gute Frage. Ich bin kürzlich Vater geworden. Da sind wir zwar wieder beim Thema Liebe, doch es handelt sich hierbei natürlich um eine andere Form der Liebe. Es ist eine tief verwurzelte Liebe. An der Liebe zum Partner muss man immer arbeiten, wohingegen die Liebe zu den Kindern wie eine seltsame Droge ist. Sie ist immer da, ohne dass Du etwas dagegen machen könntest. Doch es gibt bestimmt noch etwas anderes als Liebe, was das Leben lebenswert macht. Doch wenn ich an die Dinge denke, die mir wichtig sind, komme ich immer wieder bei dem Thema Liebe an, so kitschig das jetzt klingen mag. Ob ich jetzt an meine Familie denke, oder an eine Dinner-Party mit all meinen Freunden. All das hat mehr oder weniger mit Liebe zu tun.

Ricore: Sie thematisieren in ihrem Film auch die Einsamkeit. Konnten Sie dabei aus ihrem eigenen Erfahrungsschatz schöpfen?

Hopkins: Ich denke Einsamkeit ist etwas, das jeder von uns kennt. Jeder fühlt sich an irgendeinem Punkt seines Lebens einsam. Und man kann dieses Gefühl nicht mit jemandem teilen. Ich bin wahrscheinlich das Gegenteil. (lacht) Ich bin gerne allein. Ich brauche viel Zeit für mich selbst. Doch glücklich kann man in diesen Momenten nur sein, wenn es eine Alternative gibt.

Ricore: Sind Sie beim Schreiben auch allein?

Hopkins: Ja. Es ist schwer für mich, denn ich bin kein schneller Schreiber. Ich empfinde das Schreiben eher als Verpflichtung und muss mich antreiben. Wenn ich fertig bin, fühle ich mich wie ein Schulkind, das seine Hausaufgaben erledigt hat - einfach großartig!
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Dustin Hoffman als liebestrunkener Mann
Ricore: Woher beziehen Sie beim Schreiben ihre Inspiration?

Hopkins: Ich beginne immer mit Charakteren, die mich interessieren. Dann denke ich darüber nach, wie diese Charaktere wohl interagieren würden. Anschließend suche ich verzweifelt nach einer Geschichte, in die sie hineinpassen könnten. Das ist meine Herangehensweise. Figuren erstellen kann ich ganz gut, die Herausforderung ist, eine passende Geschichte für sie zu finden. Ich habe zwei Geschwister. Beide sind älter als ich. Deshalb benutzte ich als Kind regelmäßig meine Einbildungskraft, verbrachte Stunden um Stunden, in denen ich mit Spielzeugsoldaten Krieg spielte. Ich finde es manchmal schade, wenn ich meine Nichten oder Neffen beim Spielen beobachten.

Ricore: Wie alt sind Ihre Neffen?

Hopkins: Meine Neffen sind etwa zehn und schämen sich für solche Spiele. Mit Spielzeugsoldaten spielen sie nur, wenn sie sich unbeobachtet fühlen. Sobald sie merken, dass jemand da ist, hören sie sofort auf und greifen sich ihr Skateboard. Ich habe mit Spielzeugsoldaten gespielt, bis ich mich mit 13 Jahren für Mädchen zu interessieren begann. Ich habe immer viel mit meiner Fantasie gearbeitet. Beispielsweise habe ich ständig Erwachsene beobachtet. Wenn auf einer Dinner-Party ein Gast vielleicht etwas ruhiger war, nicht so viel sprach, bin ich sofort zu meiner Mutter gerannt und habe darüber berichtet: "Siehst Du den da hinten? Ich mache mir Sorgen um ihn. Der hat bestimmt…" Ich habe dann eine komplette Geschichte über die Person erfunden. Ich habe viel Zeit alleine, und viel Zeit mit älteren Menschen verbracht. Das ist ein hervorragendes Training gewesen.

Ricore: Wie reagierten Sie, als Sie erfuhren, dass Dustin Hoffman in Ihrem Film mitspielen würde?

Hopkins: Das passierte alles sehr schnell, in einem Zeitraum von etwa zwei Wochen. Kurz nachdem ich Emma das Drehbuch geschickt habe, erhielt ich eine vierzeilige Email von ihr: "Wow! Fantastisch! Brillant! Soll ich Dustin das Drehbuch schicken? Soll ich es an Geldgeberweiterleiten?" Sie schickte es also Dustin, der ihr wiederum per Email antwortete. Ihm gefalle es, er habe sich schon eigene Gedanken dazu gemacht. Es verging dann zwar noch eine ganze Weile, bis alles fix war. Doch innerhalb dieser zwei Wochen wurde mir bewusst: "Das passiert wirklich. Das könnte wirklich hinhauen."
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Szene aus "Liebe auf den zweiten Blick"
Ricore: Ihr erster Film lief auf einem Independent Festival, in ihrem zweiten spielen bereits Emma Thompson und Dustin Hoffman mit. Wie geht es weiter?

Hopkins: Ich muss etwas schneller werden. Zwischen den ersten beiden Filmen ist zu viel Zeit vergangen, deshalb versuche ich nun, schnell mit einem neuen Projekt weiterzumachen. Ich habe eine Idee, an der ich momentan arbeite. Gleichzeitig versuche ich, Arbeit als Regisseur zu bekommen. Doch eigentlich will ich beides machen. Ich liebe das Schreiben und die Regie. Doch ich bin keiner dieser großen, bekannten Regisseure, denen gemäß der Hackordnung die besten Drehbücher geschickt werden. An den Drehbüchern, die ich bekomme, ist immer irgendetwas auszusetzen.

Ricore: Auch Emma Thompson meinte, es sei sehr schwer, an gute Drehbücher zu kommen.

Hopkins: Es ist erstaunlich, wie viele schlechte Drehbücher es da draußen gibt. Und noch erstaunlicher, wie viele schlechte Drehbücher aus dem Studio-System heraus entwickelt werden. Ich meine Drehbuchautoren, die von den Studios gut bezahlt werden, um eine Story zu schreiben.

Ricore: Dustin Hoffman meinte, eine Beerdigung wäre doch eine gute Idee für einen Film.

Hopkins: Das sagte er im Zusammenhang der Verleihung seiner Lebenswerk-Auszeichnung. Ich mag aber tatsächlich Geistergeschichten. Beispielsweise, dass jemand zurück zu den Lebenden kommt, um seiner eigenen Beerdigung oder was auch immer beizuwohnen. Etwas, das eigentlich nicht möglich ist, doch innerhalb einer Geschichte glaubhaft wird. Es kann sehr lustig sein, eine einzige unmögliche Idee in einer Geschichte zu haben, doch alles andere nach festen Regeln ablaufen zu lassen. Es ist interessant zu sehen, wie sich Menschen verhalten, die sich mit einer unglaublichen Sache auseinandersetzen müssen.

Ricore: Können Sie sich vorstellen, einen Actionfilm zu drehen oder sind Sie eingefleischter Fan von Komödien?

Hopkins: Was ich wirklich mag, sind charakterbezogene Komödien und Dramen. Ich möchte immer eine Balance zwischen Komödie und Drama erreichen, wenn ich einen Film drehe. Rein interessehalber würde ich gerne einen Actionfilm machen, um zu sehen, wie alles abläuft, die Technik zu erleben.
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Joel Hopkins im Gespräch mit Dustin Hoffman
Ricore: Warum gab es zwischen ihren ersten beiden Filmen eine so lange Pause?

Hopkins: Ich war als Regisseur für eine ganze Reihe von Filmen vorgesehen, die aber nicht gedreht wurden. Als Drehbuchautor adaptierte ich mehrere Bücher, die letztendlich auch nicht verfilmt wurden. Das Problem in Großbritannien, so denke ich, ist folgendes: Es ist viel Geld da, um Filme zu entwickeln, doch wenig, um Filme zu drehen. Besonders in England ist das der Fall. Ich bekomme eine Menge Aufträge, Bücher zu adaptieren oder Drehbücher zu adaptieren. Um einen Film letztendlich auch zu drehen, ist verhältnismäßig wenig Geld da. Und so verfliegt die Zeit. Aber erinnern Sie mich nicht daran! (lacht)

Ricore: Im Gegensatz zu Ihrem ersten Film stand Ihnen für "Liebe auf den zweiten Blick" wesentlich mehr Geld zur Verfügung. War die Arbeit dadurch einfacher oder kann mehr Geld die Dinge auch komplizierter machen?

Hopkins: Es ist interessant, denn die Arbeit ist mit mehr Geld weder schwieriger noch ist sie einfacher. Für meinen ersten Film standen eine Million Dollar zur Verfügung, was für mich immer noch sehr viel Geld ist. Damit könnte man sich immerhin ein riesiges Haus oder sonstwas kaufen. Für "Liebe auf den zweiten Blick" stand viel mehr Geld zur Verfügung, jedoch nicht so viel, wie für einen richtig großen Film. Jedes Projekt bedeutet harte Arbeit. Mit mehr Geld kommt man vielleicht an bekannte Schauspieler heran und hat dadurch dann wieder einen engeren Zeitplan. Generell gilt: Man har niemals zu viel Zeit. Egal, wie groß das Budget ist. Jeder Film ist zeitlich eine Herausforderung.

Ricore: Erinnern Sie sich an ein bestimmtes Problem während der Dreharbeiten?

Hopkins: Ja. (grinst und sagt nichts)

Ricore: Und wollen Sie darüber berichten?

Hopkins: Nun, wir hatten einige Szenen, die im Flughafen spielen. Und gerade in Zeiten des Terrorismus ist es schwierig, auf einem Flughafen zu drehen. Es dauert gute drei Stunden, bis alle durch die Sicherheitskontrollen zum Drehort durchkamen und vielleicht vier oder fünf Stunden, bis wir tatsächlich anfangen konnten, zu drehen. Das war zeitlich sehr schwierig. Deshalb gab es einige Szenen, die nicht so wurden, wie ich es ursprünglich wollte. Wir mussten teilweise sehr kreativ werden. Doch es gibt immer Herausforderungen. Ich bin froh, dass jeder so gut mitgearbeitet hat. Dustin Hoffman beispielsweise ist regelrecht besessen von Arbeit. Er ist immer hochkonzentriert und auf die Arbeit fokussiert.
erschienen am 15. April 2009
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2024