Marcel Hartmann
Anne Fontaine
Anne Fontaine über Erotik
Interview: Prinzen und Prinzessinnen
Seit jeher faszinieren uns Kaiser, Könige und Prinzessinnen. Sie strömen eine Aura aus, von der man sofort eingenommen wird. Diese Anziehungskraft wird noch stärker, wenn es sich um einen wunderschönen Hollywoodstar wie Grace Kelly handelt, die durch ihre Heirat zu Fürstin Gracia Patricia wurde. Das kleine Fürstentum Monaco bietet Stoff für Träume und Filme. Einen solchen drehte Anne Fontaine mit "Das Mädchen aus Monaco". Mit uns sprach die Regisseurin über die Komödie, aber auch über Erotik und Vertrauen.
erschienen am 30. 06. 2009
MFA+ Filmdistribution
Das Mädchen aus Monaco
Ricore: Warum spielt der Film ausgerechnet in Monaco?

Anne Fontaine: Als ich noch jung war, habe ich in Monaco als Model gearbeitet. Ich hatte stets das Gefühl, dass alle Komplikationen oder Probleme dort irreal waren, wie in einem Märchen. Monaco ist zwar ein Stadtstaat, es fühlt sich aber irgendwie an, als wäre man in einer anderen Welt.

Ricore: Normalerweise hat ein Rechtsanwalt nichts in einem Märchen verloren...

Fontaine: Ich dachte, dass ein Rechtsanwalt gut in eine Komödie hineinpassen würde. Jemand, der klare Ideen von seinem Leben hat, der Grenzen kennt. Aber schon nachdem er den ersten Schritt in dieses Land gesetzt hat, verliert er die Kontrolle. Das ist natürlich kitschig, aber Monaco ist nun mal so.

Ricore: Was sind Ihre Lieblingsplätze in Monaco?

Fontaine: Ich finde die Lage des Gefängnisses, in dem eine Szene aus unserem Film spielt, einfach traumhaft. Die Aussicht auf das Mittelmeer ist grandios.

Ricore: Warum ausgerechnet das Gefängnis?

Fontaine: Es gibt weit und breit keine anderen Gebäude. Aber es ist vor allem ein Gegensatz, der mich fasziniert: auf der einen Seite das Gefängnis, auf der anderen Seite die Schönheit der Natur. Das Beste daran ist, dass die Gefängnisinsassen diese wunderbare Sicht genießen können.
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Anne Fontaine
Ricore: Sie habe aber sicherlich noch andere Lieblingsplätze…

Fontaine: Klar, beispielsweise der Place du Casino, auf dem sich das Hôtel de Paris und das Casino befinden. Ein sehr belebter Ort, da Touristen in Strömen dorthin pilgern, aber ich liebe diesen Platz. Dort haben wir auch einige Szenen gedreht. Der Justizpalast ist auch wunderschön. Wenn man die Türen öffnet bekommt man im Gegensatz zu anderen, strengen Justizgebäuden einen fröhlichen, freundlichen Eindruck. Man ist ganz froh dort zu sein, auch wenn die Gründe nicht schön sein mögen.

Ricore: Durften Sie im Gebäude drehen?

Fontaine: Nein, wir durften nur außen drehen. Wenn der Rechtsanwalt in einer Szene den Gerichtssaal verlässt, sind es reale Kulissen, aber in den Sälen durften wir keine Aufnahmen machen.

Ricore: Ihre Protagonistin Audrey lebt in einer Art Märchenwelt, schwärmt von Prinzessin Diana und Gracia Patricia. Ist dies Ihr Einfluss?

Fontaine: Nein, ich habe mit Monarchien wenig zu tun. In Monaco ist man aber ständig umgeben von Prinzen, Prinzessinnen und Fürsten. Alles hier ist glamourös. Die meisten Menschen kennen dies nur aus dem Fernsehen oder aus Büchern. Aber in Monaco wächst man damit auf und diese Blaue-Blut-Atmosphäre lässt einem nicht mehr los. Ich dachte, es wäre lustig, dieses Thema auch in einen Film einzubinden. Denn schließlich geht es um ein Mädchen, das in Monaco geboren und aufgewachsen ist und sich mit Haut und Haar mit dem Fürstentum identifiziert.
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Fabrice Luchini mit Regisseurin Anne Fontaine
Ricore: Sie zeigen in Ihrem Film die Unfallstelle von Grace Kelly.

Fontaine: Ja, der Unfall passierte auf jener Straße, in der eine Szene aus "Über den Dächern von Nizza" spielt. Das ist auch der Grund, warum ich diese Szene in meinen Film einbaute. Audrey ist besessen davon.

Ricore: Ist Audrey ihr Lieblingscharakter?

Fontaine: Wenn ich ein Buch schreibe, habe ich nie einen Lieblingscharakter. Das wäre unmoralisch. Im fertigen Film gefällt mir der Bodyguard sehr gut, das ist jene Figur, die mich emotional am meisten bewegt. Am Anfang ist er einfach gestrickt, ruhig, redet nicht viel. Nach einiger Zeit wird er immer mysteriöser, zweideutiger. Audrey hingegen ist wunderschön, wenn auch oberflächlich, vielleicht sogar etwas dumm.

Ricore: Zu Beginn ist Ihr Film mehr eine Komödie mit erotischen Elementen, gegen Ende verwandelt es sich in ein Drama. Warum haben Sie diesen Weg gewählt?

Fontaine: "Das Mädchen aus Monaco" ist eine schwarze Komödie. Sie ist leicht, blickt man jedoch unter die Oberfläche, erkennt man schnell, dass nicht alles so gut läuft, wie es den Anschein hat. Denn der Anwalt, der zu Beginn alles zu kontrollieren scheint, verliert schnell die Oberhand. Sein Bodyguard möchte ihn mit aller Macht vor dem Übel dieser Welt beschützen. Seine Mittel dazu sind natürlich nicht komisch. Allerdings denke ich, dass das Ende sehr gut dazu passt, ohne zu viel verraten zu wollen. Denn schließlich handelt es sich ja um eine schwarze Komödie mit Erotik.

Ricore: Was bedeutet Erotik für Sie?

Fontaine: Das kann alles sein. Eine Stimme kann erotisch sein. Die Erotik bei Audrey macht für mich aus, dass der Zuschauer nicht genau weiß, ob das Mädchen weiß, was sie tut, oder manipuliert wird. Das ist für mich Erotik: Unsicherheit, Verletzlichkeit. Es ist aber mehr ein Gefühl. Erotik kann innerhalb von einer Sekunde vergehen, wenn man zu kritisch ist. Manchmal ist Erotik nur auf das Physische begrenzt, wie die Stimme oder der Charme eines Menschen. Erotik ist immer eine Mischung aus mehreren Komponenten. Was nicht heißt, dass diese Komposition auf alle Menschen gleich wirkt. Ich finde vielleicht etwas erotisch, was Sie gar nicht nachvollziehen können.

Ricore: Ist Audrey so jemand?

Fontaine: Ja genau. Ich wollte ein Mädchen haben, das diesen Effekt auslöst. Es war sehr wichtig, dass diese Schauspielerin einen tollen Körper hat, eine gewisse Vitalität und Frische besitzt, die es schafft, müden Körpern neue Energie zu verleihen. Aus all diesen Gründen ist Audrey für den Rechtsanwalt sexy.
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Anne Fontaine
Ricore: Zu Beginn waren Sie gar nicht sicher, ob Sie mit Louise Bourgoin, die Audrey verkörpert, arbeiten wollen?

Fontaine: Klar. Anfangs wollte ich mit einer richtigen Schauspielerin arbeiten. Ich habe mir also alle jungen, französischen Schauspielerinnen durch den Kopf gehen lassen, wir haben monatelang Castings gemacht. Aber wir waren nie wirklich zufrieden. Einige waren nicht hübsch genug, andere besaßen nicht die nötige Energie. Schließlich kamen wir auf Louise Bourgoin, die zu dieser Zeit Sketches im Fernsehen machte, aber keine ausgebildete Schauspielerin war. Ihre Shows waren lustig, was aber nichts aussagte. Wir haben uns getroffen und einige Proben gemacht. Danach wusste ich, dass sie Audrey besser verkörpern könnte, als jede Schauspielerin. Auch stimmte ihr Äußeres. Sie hat dem Team sehr gut getan, vielleicht gerade weil sie noch so frisch war und nicht viel Ahnung von Kameraarbeit hatte. Sie war sehr natürlich. Das hat sich auf uns alle ausgewirkt.

Ricore: Es wirkt tatsächlich so, als hätten Sie viel Spaß am Set gehabt…

Fontaine: Nun ja, ein Film zu drehen und zu produzieren ist immer kompliziert. Aber ich suche meine Darsteller immer genau aus und ich denke, dass die Beziehung zwischen mir und meinen Schauspielern sehr gut war. Gerade in diesem Film hatte ich den Eindruck, dass sie alle ihren Filmfiguren sehr ähnlich waren. Vor allem Fabrice Luchini. Bereits als ich seine Figur geschrieben hatte, wollte ich ihn als Darsteller haben.

Ricore: Hatten Sie Roschdy Zem, der den Bodyguard spielt, auch vorher schon im Kopf?

Fontaine: Auf jeden Fall. Gerade bei ihm war es schwierig. Denn ein Bodyguard hat normalerweise keine große Sprechrolle. Generell versuche ich aber viel mit den Schauspielern zu arbeiten, um ihnen ein gewissen Vertrauen zu geben, in mich und den Film.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 30. Juni 2009
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Anne Fontaines Karriere nimmt einen ungewöhnlichen Weg: Erst absolviert sie eine Tanzausbildung, dann wird sie von der Bühne weg für den Film entdeckt. In den 1980er Jahren arbeitet sie als Schauspielerin. Dann entdeckt sie aber ihre wahre Leidenschaft: schreiben und filmen. Seit Beginn der 1990er Jahre dreht Fontaine Filme, zu denen sie alle auch das Drehbuch geschrieben hat. 2009 wird die Branche auf sie aufmerksam: In Cannes wird "Coco avant Chanel" gezeigt. Mit Audrey Tautou als..
Maître Beauvois (Fabrice Luchini) ist einer der besten Anwälte Frankreichs. In Monaco verteidigt er eine Mandantin in einem Mordprozess. Als er die schöne Fernsehmoderatorin Audrey (Louise Bourgoin) kennenlernt, ist es um ihn geschehen. Die junge Frau verdreht dem Anwalt den Kopf und bringt seine Gefühlswelt gehörig durcheinander. Bald wird klar: Audrey führt etwas im Schilde. Gelungene Komödie, die durch Humor und gute Hauptdarsteller überzeugt.
2024