UFA
Anna Unterberger in "Mein Kampf"
Mehr Bühne als Film
Interview: Anna Unterberger legt sich nicht fest
Anna Unterberger kommt von Theater. Auf der Bühne spielt sie in Stücken von Sophokles und Friedrich Dürrenmatt. Einem Theatermacher bleibt sie auch in ihrem ersten Film treu. In der Verfilmung von George Taboris "Mein Kampf" - einer bissigen Satire auf Hitler und das Dritte Reich - ist sie an der Seite von namhaften Schauspielern wie Götz George und Tom Schilling zu sehen. Im Interview berichtet uns die 1985 in Bozen geborene Newcomerin von ihren Eindrücken des Filmsets und wie sie die Arbeit mit George fand.
erschienen am 3. 03. 2011
UFA
Götz George und Anna Unterberger in "Mein Kampf"
Ricore: Wann haben Sie beschlossen, Schauspielerin zu werden?

Anna Unterberger: Ich wusste schon sehr früh, dass ich Schauspielerin werden will. In der Volksschule hatte ich einen Lehrer, der mir diesbezüglich viel geholfen hat. Er hat mit uns viel gearbeitet und da entschloss ich mich, dass zu machen. Als ich mit 13 in die Oberschule kam, war ich zunächst mit meiner Pubertät beschäftigt. Später wolle ich zuerst meine Matura [österr. Abitur] schaffen, um dann das zu machen, was ich will, nämlich die Schauspielerei.

Ricore: Auf den Beruf sind Sie auch durch den Einfluss Ihrer Mutter gekommen. Stimmt das?

Unterberger: Ja, meine Mutter macht mit behinderten Menschen Theater. Durch sie habe ich diesen Beruf kennengelernt. Dennoch ist das, was meine Mutter macht, eine andere Art von Theater. Es geht mehr in Richtung Pädagogik. Aber das stimmt schon, was das Theaterleben und die Stimmung angeht, so habe ich dort zum ersten Mal einen Vorgeschmack davon gekriegt. Aber diese Begegnung war nicht der ausschlaggebende Punkt, wieso ich letztlich Schauspielerin geworden bin.

Ricore: Sie haben zuerst am Theater begonnen. Welches Rollenrepertoire hatten Sie?

Unterberger: Auf der Bühne spielte ich unter anderem die Antigone sowie Gott im "Faust". Außerdem war ich in Friedrich Dürrenmatts "Der Besuch der alten Dame" in der Rolle der Tochter zu sehen.

Ricore: Gibt es einen Rollentypus, den Sie besonders mögen?

Unterberger: Wenn ich an einer Rolle arbeite, dann bereite ich sie so vor, dass sie in dem Moment meine Lieblingsrolle ist. Insofern kann ich nicht sagen, welchen Rollentypus ich am liebsten habe. Im Augenblick des Arbeitsprozesses ist jede Rolle für mich die spannendste.
UFA
Anna Unterberger in "Mein Kampf"
Ricore: Gibt es dennoch eine Rolle, die Sie unbedingt auf der Bühne spielen möchten?

Unterberger: Ich würde sehr gerne das Gretchen in "Faust" spielen oder die Lulu in Frank Wedekinds "Lulu".

Ricore: "Mein Kampf" ist Ihr Filmdebüt. Warum sind Sie zum Film gegangen?

Unterberger: Ich würde nicht sagen, dass ich zum Film gegangen bin. Ich spiele immer noch Theater. Daneben habe ich in zwei Filmen mitgewirkt. Außer in "Mein Kampf" war ich auch in "Jud Süß - Film ohne Gewissen" zu sehen. Dass ich diese Rollen bekommen habe, war Zufall. Es hat sich einfach so ergeben. Ich hatte nie geplant, ins Filmgeschäft einzusteigen, ich wollte immer nur Theater machen.

Ricore: Worin unterscheiden sich Film und Theater aus Sicht einer Theaterschauspielerin?

Unterberger: Es besteht tatsächlich ein Riesenunterschied zwischen Film und Theater. Allein die Vorbereitungsphase ist ganz anders. Im Theater bereitet man sich mit dem Ensemble ganze sechs Wochen auf das Stück vor. Im Film hat man bestenfalls einige Leseproben. Dann kommt man am Set zusammen und trägt das, was man vorbereitet hat, vor. Im Theater lerne ich viel mehr über den Beruf, was ich auf der Bühne anwenden kann. Beim Film hat man viel weniger Zeit, um Sachen auszuprobieren. Jedenfalls ist das die Erfahrung, die ich bei den zwei Filmen gemacht habe. Insofern ist es sehr wichtig für mich, dass ich am Theater bleibe, damit ich dort ausprobieren, experimentieren und lernen kann.

Ricore: Hat man als Theaterschauspieler nicht auch Angst, dass im Film die Rollen vergleichsweise flacher ausfallen?

Unterberger: Man kann sich im Film die Rollen tatsächlich nicht immer aussuchen. Andererseits man muss auch nicht Sachen machen, die einem nicht gefallen. Wobei es sicher ein Luxus ist, wenn man sich die Rollen aussuchen oder solche, die einem nicht gefallen, ablehnen kann.
UFA
Götz George und Anna Unterberger in "Mein Kampf"
Ricore: Was reizte Sie an "Mein Kampf"?

Unterberger: Ich liebe die Arbeit von George Tabori. Ich mag die Leichtigkeit, mit der er schreibt und seinen jüdischen Witz. Natürlich hat mich auch die Rolle sehr fasziniert. Es war reizvoll, damit die Leichtigkeit und den Witz Taboris zu suchen und zu finden. Es war eine schöne Suche. Ich habe sehr gerne an der Rolle gearbeitet.

Ricore: Ihre Figur erliegt im Film der Verführung und der Suggestion Hitlers. Können Sie nachvollziehen, dass so viele Menschen Hitler damals zu Füßen lagen?

Unterberger: Als ich das Drehbuch das erste Mal gelesen habe, stellte ich mir die Frage, wie ich diese Rolle für mich glaubhaft spielen soll. Wie wird dieses Mädchen so grausam? Ich konnte nicht einfach plötzlich ein böses Mädchen spielen. Ich musste an den Wandel glauben, um ihn glaubhaft rüberzubringen. Trotz der Bosheit musste ich diese Figur lieben. Je mehr ich mich mit Gretchen beschäftigt habe, umso deutlicher wurde mir, dass sie aus Naivität nicht nach Gründen und dem Warum fragt. Und gerade eine naive Figur geht mit dem Nationalsozialismus mit. Ihre Naivität schützt sie vor der Reflexion, was gut oder was böse ist. In dieser Veranlagung repräsentiert Gretchen die Masse. Sie geht dorthin, wo sie einen Vorteil und eine Zukunft für sich sieht.

Ricore: "Mein Kampf" behandelt ein brisantes Thema. Glauben Sie, dass er in Deutschland die Gemüter erhitzen und Diskussionen auslösen wird?

Unterberger: Im besten Fall wird er Diskussionen provozieren. Ich hoffe aber, dass man die Leichtigkeit und die Satire erkennt. Der Film hat es geschafft, den Ton der Vorlage auf die Leinwand zu bringen. Das hat hoffentlich zur Folge, dass man mit mehr Distanz bzw. ganz anders auf das Thema blickt.

Ricore: Wie Sie eben sagten, wagt der Film einen leichten und komödiantischen Blick auf den Nationalsozialismus. Ist das vielleicht die richtige, wenn nicht gar die einzige Form der Herangehensweise an dieses Tabuthema?

Unterberger: Ich würde nicht sagen, dass das die richtige Form ist, es ist eine Form. Es ist wichtig, dass man auf das Thema auch mit Humor herangeht und es überzogen darstellt. Aber es wäre zu wenig, es nur auf diese Weise darzustellen.
UFA
Anna Unterberger und Tom Schilling in "Mein Kampf"
Ricore: Man hat den Eindruck, dass in Deutschland auf eine realistische Herangehensweise an den Nationalsozialismus und Hitler sehr viel empfindlicher reagiert. Das hat man zuletzt etwa am Beispiel von "Der Untergang - Hitler und das Ende des 3. Reichs" gesehen.

Unterberger: Vielleicht ist es dafür noch immer zu früh. Aber irgendwann muss die Zeit kommen, in der man sich auch auf diese Art damit auseinandersetzen muss.

Ricore: Wie war eigentlich die Stimmung am Set angesichts des Themas?

Unterberger: Zunächst einmal war ich persönlich sehr nervös. Es war mein erster Film und ich wusste nicht, wie das alles funktioniert. Wenn jemand mit etwas schwerem an mir vorbei ging, bin ich gleich hinterhergelaufen, weil ich helfen wollte. Daraufhin habe ich nur ein Schmunzeln zurückgekriegt (lacht). Das heißt, ich musste erst einmal verstehen lernen, wie die Arbeit an einem Set überhaupt funktioniert. Mit der Zeit ging es aber immer besser. Ab und zu hat es auch mal gekracht, weil an die fünfzig bis hundert Leute über Monate hinweg wahnsinnig gestresst sind. Aber wegen des brisanten Themas herrschte keine besondere Ausnahmestimmung.

Ricore: Sie sagten, dass sie anfangs sehr nervös waren. Macht es die Arbeit mit erfahrenen Kollegen wie Götz George leichter oder setzt es einen noch mehr unter Druck?

Unterberger: Bevor ich meine Kollegen gesehen habe, war ich natürlich wahnsinnig aufgeregt. Aber als ich dann mit ihnen gespielt habe, änderte sich das und ich konnte mich fallen lassen. Ich konnte mich jederzeit an sie wenden, wenn ich Fragen hatte. Götz hat mir auch öfters einen Rat gegeben. Er hat mir sehr geholfen und ich hatte das Gefühl, dass er es auch gerne tat. Es war eine Bereicherung, mit ihm zusammenzuarbeiten. Ich habe sie alle ins Herz geschlossen.

Ricore: Was haben Sie von Herrn George gelernt?

Unterberger: Ich kann mich an einen Satz erinnern, als er sagte: "Jetzt sei nicht so schüchtern und dreh' dich nicht ständig von der Kamera weg. Wenn du einen Fehler machst, dann mach' ihn ordentlich und das voll in die Kamera" (lacht). Auch auf meine Frage, ob ich beim Film bleiben oder mehr Theater spielen soll, hat er mir sehr geholfen. Es waren viele kleine Dinge, die ich von ihm lernte. Dabei habe ich seine Ratschläge oder Verbesserungsvorschläge niemals als Angriff verstanden, sondern als Hilfe.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch
erschienen am 3. März 2011
Zum Thema
Anna Unterberger wird 1985 in Bozen geboren. Von 2005 bis 2009 studiert sie Schauspiel am Konservatorium Wien. Nach ihrem Abschluss bekommt sie ein Engagement am Salzburger Landestheater, wo sie unter anderem Sophokles' Antigone gibt und in Johann Wolfgang von Goethes "Faust" Gott spielt. Ihren ersten Auftritt vor der Kamera hat sie an der Seite von Götz George und Tom Schilling in der Verfilmung von George Taboris Hitler-Groteske "Mein Kampf" (2009). 2010 ist sie zudem in einer Nebenrolle in..
Mein Kampf (Kinofilm)
Als der junge Adolf Hilter (Tom Schilling) aus der österreichischen Provinz nach Wien zieht, hat er nur den Wunsch, Künstler zu werden. Von der Kunstakademie der Metropole wird er jedoch abgelehnt. In einer Männerpension findet er Unterschlupf und lernt hier den Juden Schlomo Herzl (Götz George) kennen. Dieser schreibt an seiner Autobiografie mit dem Titel "Mein Leben". Als das Werk nach reiflicher Überlegung in "Mein Kampf" umgetauft wird, ist der psychisch labile Hitler hellauf begeistert...
2024