KOOL Filmdistribution
Alix Delaporte
Schmetterling gegen die Wand
Interview: Alix Delaportes Romantik
Mit "Angèle und Tony" gibt Alix Delaporte ihr Spielfilmdebüt. Das ruhig inszenierte Drama handelt von der zarten Romanze zwischen einem einfachen Arbeiter und einer vorbestraften Frau. Im Interview mit Filmreporter.de spricht die Regisseurin über Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Protagonisten und Schwierigkeiten bei den Dreharbeiten. Dabei verrät sie unter anderem, warum den Schauspielern übel wurde.
erschienen am 4. 08. 2011
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Angèle und Tony
Ricore: "Angèle und Tony" spielt an der französischen Küste im Fischermilieu. Warum haben Sie diese Lebenswelt für ihren Protagonisten ausgesucht?

Alix Delaporte: Weil Fischer meine Helden sind. Sie sind meine Cowboys, Menschen, die mich beeindrucken. Ich würde ihre Arbeit gerne machen können. Ich wäre auch gerne für eine Woche fort von allem - auf dem Meer - um die Stadt und die Welt zurücklassen. Ich könnte es nicht, weil es eine ziemlich harte Arbeit ist. Aber die Vorstellung rauszufahren ist wunderbar. Deshalb wollte ich die Geschichte dieser Menschen erzählen. Ich wollte selbst immer eine Fischerin werden.

Ricore: Was für eine Person ist Ihr Protagonist Tony?

Delaporte: Er ist eben ein Held. Keiner im Sinne eines Ritters der Tafelrunde. Das meine ich nicht. Für mich ist jemand ein Held, der Dinge tut, die andere nicht wagen oder nicht können. Er kämpft für die Frau, die es ihm angetan hat.

Ricore: Kennen Sie Fischer aus Ihrem persönlichen Umfeld?

Delaporte: Nein. Aber meine Mutter wurde an der Küste der Normandie geboren. Ich habe jeden meiner Urlaube dort verbracht und den Fischern zugesehen. Dieser Ort war eigentlich kein wirklich schöner Platz zum Leben, auch nicht um dort Ferien zu machen. Es ist nicht wirklich lustig für Kinder, denn es ist eine raue Gegend. Eigentlich ist es nichts für eine 15-Jährige, die ausgehen will. Dort gibt es keine Bars, keine Cafés, am Strand ist nichts los. In meiner Erinnerung habe ich einfach nur den Fischern zugesehen und dachte mir: "Die haben echt Glück, weil sie diesen Ort verlassen können".
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Innige Umarmung zwischen Clotilde Hesme und Antoine Couleau in "Angèle und Tony"
Ricore: Sind Sie mal mit den Fischern rausgefahren?

Delaporte: Ja. Manchmal fahren Sie schon ganz früh am Morgen raus. Aber das hängt natürlich sehr vom Wetter ab. Ich hätte den Film ohne diese Erfahrung nicht machen können.

Ricore: Wie war es, für die Dreharbeiten wieder ins Fischerboot zu steigen?

Delaporte: Wir waren zweimal unterwegs. Es war grauenhaft. Alle waren seekrank, auch die Schauspieler. Ich musste eine Szene mit den Hauptdarstellern Clotilde und Grégory abdrehen. Wir waren unter Druck, weil das Boot nur gemietet und ziemlich teuer war. Ich erinnere mich, dass es Clotilde schlecht ging. Aber wir hatten das Boot nun mal an diesem Tag gemietet. Ich habe also dem ganzen Team Reisetabletten ausgegeben. Was ich nicht wusste war, dass mein junges Team in der Nacht zuvor eine Party gefeiert hatte. Entsprechend sahen alle aus und waren auch so drauf. Ich sagte ihnen also: "Nehmt eure Reisepillen". Dann hatten wir auch noch ziemlich stürmischen Seegang und es fing an zu regnen. Aber es half alles nichts, wir mussten anfangen.

Ricore: Und Ihrer Hauptdarstellerin war speiübel?

Delaporte: Allerdings. Ich rief "Action" und sie begann, sich zu übergeben. Sie musste in die Kajüte und sich hinlegen. Dann musste ich eben mit Grégory drehen. Das ging besser. Aber kurz nachdem wir die Szene beendet hatten, ist auch er verschwunden. Wir haben die beiden dann nicht mehr gesehen. Aber es war der letzte Drehtag. Den werden wir alle in besonderer Erinnerung behalten.
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Clotilde Hesme in "Angèle und Tony"
Ricore: Was verbindet diese so unterschiedlichen Figuren - die verschlossene, seelisch verwundete Angèle und den einzelgängerischen Tony?

Delaporte: Einerseits ist die Liebe natürlich ein Bindeglied. Aber sie sind sich auch ähnlich, beides sind instinktiv handelnde Persönlichkeiten. Nur weil sie vieles gemeinsam haben, ist es nicht einfacher für sie. Sie sind sehr aufrichtig und empfindsam.

Ricore: Wie macht man aus so verschlossenen Charakteren wie Angèle und Tony für den Zuschauer Leitfiguren, denen er folgen will und für die er Empathie empfindet?

Delaporte: Tatsächlich ist Angèle am Anfang sehr verschlossen. Sie kämpft immer, auch mit Tony. Aber dieser Konflikt bringt sie weiter. Wenn man sich mit jemandem streitet, ist das nicht generell gut, in einer bestimmten Weise aber schon. Man kann aus dem Streit etwas mitnehmen. Man diskutiert, streitet, schreit, weint und trotzdem hat man am Ende etwas davon. Das gilt jedenfalls für Angèle. Sie wird stärker, unter anderem weil er sich so zurückhält und sich ihr anfangs verweigert. Sie ist wie ein Schmetterling, der gegen eine Wand fliegt und sich dabei verletzt. Diese Wand ist Tony.

Ricore: Sie stellen Ihre Protagonisten als verlorene und verletzte Seelen vor. Aber Sie erzählen nicht, was mit ihnen passiert ist, was sie so verletzt hat.

Delaporte: Das muss der Zuschauer auch nicht wissen. Ich gebe ihm nichts, was er nicht zu wissen braucht. Ich konzentriere mich auf die Person, die hier und jetzt da ist. Jeder will doch immer wissen, was der andere so gemacht hat, wo er herkommt. Aber bei mir wird es nicht erzählt, weil es für die Geschichte nicht wichtig ist.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 4. August 2011
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Angèle (Clotilde Hesme) lernt in einer Kneipe Tony Vialet (Grégory Gadebois) kennen. Zwischen dem einfachen Arbeiter und der vorbestraften Frau entwickelt sich eine zarte Romanze. Während Tony ihr eine Anstellung in seinem Internehmen verschafft, kämpft die Frau um das Sorgerecht ihres Sohnes. Der Kontakt zu ihm wird ihr nach dem Unfalltod des Vaters von den Schwiegereltern verwehrt. "Angèle und Tony" ist ein blasses Drama, das es nicht schafft, ihre Protagonistin und die Nebenfiguren..
2024