Senator
Szene aus: Paris, je t'aime - Eine Stadt. Eine Leidenschaft. Eine Sprache: Liebe
Leidenschaft Paris
Interview: 21 Episoden, 1 Streit
Volle fünf Jahre brauchte "Paris, je t'aime" von der ersten Idee bis zur Weltpremiere in Cannes. Zwanzig hochkarätige Regisseure erzählen in persönlichen Geschichten mit Bezug zu den 20 Arrondissements (Verwaltungseinheit) der französischen Hauptstadt und liefern ein schillerndes Kaleidoskop aus der Stadt der Liebe. Doch in Cannes ist die Stimmung trotz erfolgreicher Weltpremiere getrübt. Weil Produzentin Claudie Ossard eigenmächtig und ohne Zustimmung ihres Kollegen Emmanuel Benbihy zwei der fertigen Kurzfilme aus dem Gemeinschaftsprojekt schneiden ließ, verbot ein Gericht per einstweiliger Verfügung den Kinostart. In Cannes sprachen wir mit acht der Beteiligten über den Vorfall, den Film und Hauptdarstellerin Paris.
erschienen am 20. 05. 2006
Senator
Paris, je t'aime - Eine Stadt. Eine Leidenschaft. Eine Sprache: Liebe


Vincenzo Natali (Regisseur): Es war irrsinnig schwer, die Reihenfolge unserer Kurzfilme festzulegen. Fast wie bei einer CD, die man einer geliebten Person zusammenstellt: Da weiß man auch nie, was als erstes kommen soll.

Simon Jacquet: (Schnitt) Ich war für den Schnitt verantwortlich und fühlte mich teilweise wie ein Koch. Eine falsche Zutat und das ganze fertige Produkt ist verdorben. Entsprechend schwer war es für mich, auf die beiden Kurzfilme der Regisseure Raphaël Nadjari und Christoffer Boe nachträglich zu verzichten. Aber die Produzentin war der Meinung, sie hätten den Erzählfluss gestört. Ich finde, man sollte den ganzen Streit nicht so ernst nehmen: Francis Ford Coppola hat erst Jahre nach seinem Welterfolg mit "Apocalypse Now" in einer Redux-Version die vollständige Fassung seines Films präsentiert. Manchmal muss man solche Entscheidungen treffen, auch wenn sie wehtun. Auch wir planen, die beiden geschnittenen Filme als Zusatz auf die DVD zu packen.

Oliver Schmitz (Regisseur): Durch die vielen beteiligten internationalen Regisseure bietet "Paris, je t'aime" die unterschiedlichsten Sichtweisen auf die Stadt der Liebe. Ich widme mich in meiner Episode nicht ohne Grund dem 19. Arrondissement, dem Bezirk der Immigranten. Gerade weil ich aus Südafrika stamme, mache ich Rassenfragen und Diskriminierung von Minderheiten zum Thema, und dafür war die Gegend bestens geeignet. Es war schon immer ein Viertel voller Energie: Hier wurden die ersten Kinos erbaut, hier lebten Revolutionäre, es ist auch Edith Piafs Arrondissement. Was will man mehr?

Richard LaGravenese (Regisseur): Ich habe für die Vorbereitung meines Kurzfilms im Bezirk Pigalle einen Sexshop besucht und für 50 Euro Gage die Mitarbeiterinnen nach den Vorlieben der Bewohner befragt. Herausgekommen ist ein Kurzfilm, für den ich sogar Elijah Wood gewinnen konnte. Seine blauen Augen und seine sanften Gesichtszüge passen perfekt zu meiner eher getragenen Erzählweise.
Tiger/ricore Text
Elijah Wood in Cannes 2006


Alexander Payne (Regisseur): Man hat mich per E-Mail gefragt, und ich habe geantwortet: Mach ich! Warum? Weil mir Kurzfilme einfach mehr zusagen als abendfüllende Spielfilme. Ich mag damit vielleicht Erfolge einfahren und Geld verdienen, aber es dauert ewig und ist immer eine Tortur. Hier dagegen war der Dreh leicht, inspirierend, charmant. Nach zwei Tagen war alles im Kasten. Wenn ich an Paris denke, kommen mir immer unbegrenzte Möglichkeiten in den Sinn. Nur das Essen - das ist eine Katastrophe.

Gaspard Ulliel (Darsteller): Unser Film setzt sich aus so vielen unterschiedlichen Geschichten zusammen, die bis auf das Thema Paris keine Gemeinsamkeit haben. Man, dachte ich, das könnte richtig langweilig werden. Von dem Ergebnis, das ich bei den Filmfestspielen zum ersten Mal gesehen habe, war ich dann positiv überrascht. Bis vor fünf Jahren war Paris für mich noch nichts besonderes, es war meine Heimat, und ich konnte die Magie, die andere empfanden, einfach nicht erkennen. Dann bekam ich als Schauspieler internationale Aufträge, ich war viel auf Reisen, und erst als ich den Kontrast zu anderen Städten hatte, konnte ich die Schönheit Paris' wirklich begreifen. Ich mag es besonders, wie nachts die historischen Gebäude beleuchtet sind, es vermittelt einen ganz speziellen Charme. Ich finde es schade, wie Paris in "The Da Vinci Code - Sakrileg" inszeniert wurde. Der Louvre ist nun wirklich nicht das Essentielle, was Paris ausmacht. Es sind die kleinen Gassen, die Kaffee-Häuser, die Dinge zwischen den Zeilen. Was ich allerdings an meiner Heimat hasse, ist der auffallend starke Snobismus. Man sagt nicht Danke, nicht Bitte, kein Gruß, gar nichts. Vielleicht ist das der Grund, warum ich trotz meiner tiefen Zuneigung zu der Stadt manchmal einfach genug habe und raus muss. In die Natur, sonst wohin. Nur nicht Paris.

Ludivine Sagnier (Darstellerin): Paris ist meine Heimat, und obwohl ich es durchaus als "meine" Stadt bezeichnen würde, kann ich noch immer nicht nachvollziehen, warum sie den Beinamen "Stadt der Liebe" trägt. Dazu kommt, dass ich den verdammten Verkehr in Paris einfach nicht mehr ertrage. Als leidenschaftliche Autofahrerin nerven mich die immer stärker zunehmenden Busspuren gnadenlos.

Marianne Faithfull (Darstellerin): Ich lebe zwar in Irland, treffe mich privat aber derzeit regelmäßig mit einem Mann aus Paris. Insofern lebe ich den Film. Kein Wunder. Ich habe schon in den 60er Jahren das Leben aus vollen Zügen genossen. Einige behaupten, diese goldene Ära würde überbewertet. Diesen Leuten möchte ich sagen: Ihr habt keine Ahnung! Ich bin durch diese Zeit gerasselt - und es war der absolute Wahnsinn!
erschienen am 20. Mai 2006
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Alexander Payne, 1961 in Nebraska geboren, schloss die Stanford University mit einem Bachelor-Titel in Geschichte und spanischer Literatur ab und studierte anschließend Filmwissenschaft an der UCLA. 1996 gab der Filmemacher, der mit der Schauspielerin Sandra Oh verheiratet ist, sein Spielfilmdebüt mit dem Kritikerliebling "Citizen Ruth", einer provokanten Satire über die Abtreibungskontroverse. 1999 folgte die Oscar-nominierte Komödie "Election" mit Matthew Broderick als Biedermann-Pauker und..
Mit neun Jahren stand Ludivine Sagnier zum ersten Mal vor der Kamera. Mit sechzehn machte sie ihr Abitur und studierte Schauspiel am Konservatorium in Versailles. Mit "8 Frauen" und "Swimming Pool" gelang ihr der internationale Durchbruch, heute gilt die Mutter als Frankreichs heißester Exportschlager.
2024