Peter Gaal/Ricore Text
Hans Horn
Nichts als Köpfe im Wasser
Interview: Simpel aber spannend
Hans Horn könnte man nachsagen, dass er mit "Open Water 2" nur eine Kopie des Taucherdramas "Open Water" geschaffen hat. Das wäre aber etwas unfair. Schließlich packt er seine recht simple Geschichte in ein packendes Psycho-Drama mit Biss. Wir trafen den deutschen Regisseur in München und sprachen mit ihm über seinen eigenwilligen Film.
erschienen am 11. 08. 2006
Universum Film
Open Water 2
Ricore: Hatten Sie Angst, "Open Water 2" könnte schwierig zu drehen sein?

Hans Horn: Die ganze Machart - auch visuell - war schwierig. Du hast nichts als Köpfe im Wasser. Das war für mich eine große Herausforderung. Es war mir bewusst, dass es nicht einfach wird und ich bin froh, dass der Film so geworden ist wie er jetzt ist. Es gab einige Problem beim Drehen. Die Leute drehen nicht wirklich gerne im Wasser. Wenn man normal dreht, hat man schon genug Schwierigkeiten, aber wenn du dich auf dem Wasser bewegst, lernst du plötzlich Sachen kennen, die du noch nie mitbekommen hast.

Ricore: Wie war es für die Schauspieler im Wasser zu drehen?

Horn: Die längste Zeit die wir im Wasser gedreht haben, war sieben Stunden an einem Tag. Die sind natürlich oft raus und rein, aber das Wasser hatte immer eine Temperatur zwischen 26 und 30 Grad, weil immer Wasser nachgefüllt wird und dadurch kühlt sich das Wasser immer weiter ab. Die Schauspieler haben im Vorfeld gewusst, dass sie im Wasser drehen. Emma Callfield, die ursprüngliche Lauren, hat diese Rolle nur angenommen, weil eine andere Schauspielerin abgesagt hatte. Beim ersten Test ist sie aber nicht ins Wasser gegangen. Da haben wir gefragt, was denn los sei. Die hat echt angefangen zu zittern. Sie hat eine Wasserphobie und das haben wir vier Tage vor Drehbeginn herausgefunden. Ich musste innerhalb von drei Tagen eine neue Lauren finden. Das war ziemlich schräg. Aber ich war froh, weil die Lauren, die ich jetzt habe, wahnsinnig gut ist. Jeder hat mal seine Grenze erreicht. Die sind irgendwann alle mal physisch und psychisch an die Wand gefahren.

Ricore: Wie haben die Schauspieler die psychische Belastung ertragen?

Horn: Nach ungefähr einer Woche kam die erste Krise. Es geht los, wenn du dich eine Woche lang viel im Wasser bewegst. Die Muskeln im Oberarm drücken die Nerven ab und dann spürt man plötzlich seine Finger nicht mehr. Ich habe das auch nicht gewusst und am Anfang sind dann natürlich alle ziemlich durchgedreht. Aber wir hatten einen Kampfschwimmer von der GSG 9 - unser Stunt Koordinator - der hat gleich gesagt was das ist. Er hat sie alle beruhigt. Der Wolfgang Raach war wie ein Papi für die Schauspieler. Bei jedem gab es einen Tag, wo er in seinem Kapuzenjäckchen versteckt durch die Gegend gelaufen ist und kein Wort mehr gesagt hat. Das war meistens nach den heftigen Szenen. Richard Speight Jr. war der coolste, der hat das am besten im Griff gehabt. Er war der Älteste vom Cast und hat den Rest immer beruhigt.
Peter Gaal/Ricore Text
Hans Horn auf dem Filmfest München
Ricore: Gab es für die Schauspieler Stuntleute?

Horn: Nein, jeder hat alles selbst gemacht. Es war einen unglaublich gute Stimmung zwischen uns. Emma Callfield war die Einzige, die da nicht reingepasst hat und zum Glück hat Sie sich selber rausgekickt. Die anderen haben gut zusammen gehalten. Natürlich gab es auch hier und da einen Streit, aber die haben das echt gut gemacht. Die finden den Film auch alle super und sind schwer begeistert. Da freue ich mich sehr drüber. Ich wollte etwas machen, dass die Schauspieler herzeigen können. Für einige der Schauspieler ist das der beste Film, den sie bis jetzt gemacht haben, schauspielerisch auf jeden Fall.

Ricore: "Open Water 2" ist Geschmacksache, weil der Film den Zuschauer an die Grenzen seiner Psyche treibt.

Horn: Es ist immer so, wenn du so einen Film machst. Es gibt Leute die gehen einen Schritt zurück, die wollen nicht. Ich habe keine Lacher in den Screenings gehabt, die sich über den Film lustig gemacht haben. Es war eher so, dass die Leute versuchen über gewisse Sachen zu lachen, um aufzuatmen. Ab einem gewissen Moment geht es ja gar nicht mehr. Wir haben mit dem Anfang wahnsinnige Schwierigkeiten gehabt. Der ist ganz anders als im Drehbuch, weil der Ausfall von Emma Callfield Verzögerungen und Ausfälle verursacht hat. Ich konnte gewisse Dinge nicht drehen. Ich musste auf ganze Einleitungen von Charakteren verzichten. Das hat sich alles umgestellt. Wir sind ein Low Budget Film. Da kannst du nicht einfach lässig etwas nachdrehen. Da musst du schauen, wie du damit zurecht kommst.

Ricore: Mussten Sie bei den Dreharbeiten viel improvisieren?

Horn: Der Film war schon komplett auf dem Brett entworfen und das ist jede Einstellung vorher geplant. Was abgefahren war, ist dass die Schauspieler so super gespielt haben, obwohl wir vorher nie geprobt haben. Wir haben ein kleines Modell gehabt, haben kleine Männchen auf Pennies geklebt mit Namensbeschriftungen. So haben wir den Schauspielern gezeigt wie sie sich bewegen müssen und wo die Kamera ist, damit sie sich orientieren können. Du hast im Wasser keine Marks und musst genaue Anweisungen geben, weil du im Wasser komplett verloren bist. Die Schauspieler mussten sehr genau schwimmen, weil der Tank klein war und bei einer falschen Bewegung halb Malta im Hintergrund aufgetaucht ist. Wir haben während des Drehs noch einige Sachen verändert. Das Drehbuch haben wir sehr schnell geschrieben. Der erste Entwurf war nach zwei Monaten fertig. Wir haben wirklich weniger als ein Jahr nach dem Startschuss gedreht. So schnell bis zum Dreh, das muss mir erstmal einer nachmachen. Alles was beim Drehen passiert ist, hat den Film besser gemacht. Da sind Unfälle passiert. Mein Kameramann hat sich nach zehn Tagen das Bein gebrochen, wurde operiert und war vier Tage nach der OP wieder am Set. Der hing in 35 Meter Höhe bei Windstärke sechs im Mast. Es war wichtig, dass er sich das Bein gebrochen hat, weil er nicht mehr ins Wasser konnte. Der hat nur noch überwacht und den Kran gesteuert. Hätte er ins Wasser gemusst, hätten wir nie so gut kommunizieren können.

Ricore: Wie ist die Idee zu "Open Water 2" entstanden?

Horn: Meine Frau hat mir die Geschichte erzählt. Der Witz ist, dass eine Freundin meiner Frau den Bootsbesitzer gekannt hat, dem das passiert ist. Sie hat erzählt, dass sechs Leute bis zum Ertrinken ums Boot geschwommen seien. Das ist in den 1970ern in der Adria passiert. Die haben neben den Leichen zusammengebundene Bikinis gefunden. Davon war ich total mitgenommen. Ich bin zwar eine Wasserratte, aber ich habe trotzdem keinen Bock auf lange schwimmen. Das war für mich eine Horrorvorstellung. Ich weiß genau, dass ich früher abgesoffen wäre als meine Frau. Da habe ich gedacht das will ich machen und habe Produzenten in Amerika angesprochen. Nur wollte keiner den Film machen. Das ist kein Film, haben sie mir erzählt. Vor zwei Jahren habe ich den Trailer zu "Open Water" gesehen. Ich habe gedacht ich spinne. Jeder ist begeistert davon, aber meine Story war ihnen zu wenig. Ich habe gedacht unser Film ist besser. Das sind sechs Leute, da gibt es richtig was zu tun. Da gibt es Psychoterror und da geht es ab. Ich habe auf einem Kindergartenfest Dan Maag getroffen und habe ihm von meiner Idee erzählt. Das hat fünf Minuten gedauert und er hat angebissen. Das Wichtigste an dem Film ist, er ist so simpel, dass ihn jeder versteht.
erschienen am 11. August 2006
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Stellen sich vor, sie machen einen Segeltörn, springen zum Spaß von Bord ins kühle Nass, vergessen aber die Einstiegsleiter auszufahren. Sie treiben hilflos im Meer, versuchen vergeblich wieder an Bord zu gelangen und Hilfe ist auch nicht in Sicht. Wo liegen die Grenzen der psychischen und physischen Belastbarkeit des Menschen? Wie geht er mit Extremsituationen um, in denen er mit dem Tod ringt? Diese Fragen versucht Regisseur Hans Horn in seinem nervenaufreibenden Thriller zu beantworten.
2024