News: Festivalticker
Andrea Niederfriniger/Ricore Text
Regisssuer Jaime Rosales mit Schauspieler Ion Arretxe
Jaime Rosales sorgt für Zündstoff
ETA-Drama erregt Gemüter
Das Festival von San Sebastián feiert Halbzeit, Zeit für die Zwischenbilanz. Der Wettbewerb verlief bisher eher ruhig. Bei manchen Filmen wurde brav applaudiert, bei anderen die Nase gerümpft, wenige sorgten erwartungsgemäß für mehr Gesprächsstoff. Der große Knüller blieb aus - bis am gestrigen Montag, dem 22. September 2008.
23. Sep 2008: Ausgerechnet ein spanischer Film von Hoffnungsträger und bisherigem Stolz der Nation, Jaime Rosales, sorgt hierzulande für gehören Zündstoff. Die Rede ist von "Tiro en la cabeza", der am gestrigen Montag in San Sebastián aufgeführt wurde. Erstmals waren nach einer Vorstellung Pfiffe und enthusiastisches Klatschen gleichzeitig zu hören. Das Drehbuch fust auf einem ETA-Attentat in Südfrankreich vor einigen Jahren.

Dass der Film nur einen Tag nach den ETA-Anschlägen in der baskischen Küstenstadt Ondarroa, in Vitoria und im kantabrischen Santoña für besonders große Emotionen sorgte, ist verständlich. Der Film nähert sich auf eine besondere Art und Weise dem Thema. Ohne Dialoge, lediglich von Hintergrundgeräuschen untermalt, begleitet die Kamera einen scheinbar normalen Mann (Ion Arretxe). Dieser geht einkaufen, trifft sich mit Freunden, verliebt sich. Sein Handeln wird jedoch aus sicherer Distanz gezeigt, ohne dass es dem Betrachter möglich ist, sich emotional an ihn zu binden. Mit gutem Grund. Denn er entpuppt sich als Anhänger der baskischen Separatistenorganisation ETA, der kaltblütig zwei Polizisten erschießt.

Bei der anschließenden Pressekonferenz ging es hoch her. Dem Regisseur wurde vorgeworfen, mit den Gefühlen der Menschen und dem eingesetzten öffentlichen Geld leichtfertig umzugehen. Rosales erklärte jedoch sein tiefes Mitgefühl und seinen Respekt vor den Opfern und Angehörigen der Getöteten durch die ETA. Sein Ziel sei es, die Absurdität von Gewalt und Terrorismus aufzuzeigen. Rosales ist nicht für leichte Filmkost bekannt. 2007 gewann "La Soledad" den spanischen Filmpreis Goya für die beste Regie, den besten Film und den besten Nachwuchsdarsteller. Ob Rosales mit "Tiro en la cabeza" dasselbe gelingt, und ob das Drama eine Chance auf die Goldene Muschel der Filmfestspiele von San Sebastián hat, wird sich am Ende dieser Woche zeigen. Eines hat er jedoch schon erreicht: eine Diskussion, inwieweit ein Regisseur dem Geschmack des breiten Publikums entsprechen sollte.
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Ion Arretxe Jaime Rosales
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