Jean-François Martin/Ricore Text
Norah Jones wirbt für ihren ersten Film
Norah Jones über ihr Schauspieldebüt
Interview: "Ich war völlig planlos"
Im Musikbusiness zählt US-Sängerin Norah Jones zu den größten. Das erkannte auch Starregisseur Wong Kar-wai, der die 28-Jährige prompt mit der Hauptrolle für seinen Kinofilm "My Blueberry Nights" besetzte. Das Werk ist in mehrerer Hinsicht außergewöhnlich. Es ist nicht nur Jones Debütfilm, sondern auch Kar-wais erster US-Film. Neben der Sängerin versammelte der Regisseur mit Jude Law und Natalie Portman ein außergewöhnliches Starensemble um sich. Das Besondere dabei war, dass weder Mrs. Jones noch ihr Partner Law ein Drehbuch erhielten.
erschienen am 27. 01. 2008
Jean-François Martin/Ricore Text
Norah Jones stellte "My Blueberry Nights" auch bin Cannes vor
Ricore: Mrs. Jones, Sie haben den Film in Cannes zum ersten Mal gesehen. Welche Gedanken beschäftigten Sie während der Premiere?

Norah Jones: Ich war hochnervös, immerhin ist "My Blueberry Nights" mein erster eigener Film. Da war es schon etwas seltsam, mich in meiner ersten Rolle gleich vor so vielen Menschen zu sehen. Ich muss den Film wohl noch ein zweites Mal sehen, alleine in einer stillen Kammer. (lacht)

Ricore: Sie geben in dem Film Ihr Schauspieldebüt. Wie nervös waren Sie vor dem ersten Drehtag?

Jones: Ich war natürlich sehr aufgeregt, aber auch in heller Vorfreude auf den Dreh. Ich bin ein Mensch, der gerne Neues ausprobiert, auch wenn die Chance groß ist, dass man versagt.

Ricore: Wie haben Sie sich auf diese Herausforderung vorbereitet?

Jones: Um innerlich ausgeglichen zu sein, habe ich viel Yoga gemacht. Außerdem nahm ich anfangs Schauspielunterricht. Aber dann bat mich Wong Kar-wai, keine weiteren Stunden zu nehmen. Also habe ich damit aufgehört. Er wollte mich auf seine Art und Weise auf die Rolle vorbereiten.

Ricore: Der Regisseur hielt es für den besten Ansatz, Ihnen vorab kein Drehbuch zu zeigen. Wussten Sie während dem Dreh wirklich nicht, wohin Sie die Story am Ende führen wird?

Jones: Ich war völlig planlos und erfuhr den Verlauf der Geschichte wirklich erst im Laufe der Dreharbeiten. Die Folge war, dass Jude Law und ich sehr genau aufpassen mussten, wenn Wong Kar-wai uns Vorgaben machte. Die Charaktere entwickelten sich so wie von selbst im Laufe der Geschichte.
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Jude Law und Norah Jones in Cannes (2007)
Ricore: Wie würden Sie grob die psychische Reise Ihrer Person beschreiben?

Jones: Sie startet mit starken Selbstzweifeln und erkennt am Ende, wie stark sie in Wirklichkeit sein kann.

Ricore: Sie kannten Jude Law vor den Dreharbeiten nicht. Was erwarteten Sie sich vor dem ersten gemeinsamen Treffen?

Jones: Meine Freundinnen waren so nervös, dass ich mit Jude Law drehen würde, dass ich auch immer nervöser wurde. (lacht) Meine Erwartungen wurden schließlich weit übertroffen: Er war völlig normal und behandelte mich dermaßen liebevoll, dass mir das Spielen dadurch sehr viel leichter viel. Ich wüsste nicht, ob ich den Film wirklich hätte drehen können, wenn er sich nicht so fürsorglich um mich gekümmert hätte.

Ricore: "My Blueberry Nights" ist Wong Kar-wais erster Film in Amerika. Gefällt Ihnen die Art und Weise, wie er Ihre Heimat in Szene gesetzt hat?

Jones: Er verleiht den Orten seinen ganz persönlichen Stil. Es ist landschaftlich schon ein großer Unterschied, wenn man von New York nach Nevada fährt. Ihm ist es auf wirklich beeindruckende Art und Weise gelungen, die einzelnen Orte in Szene zu setzen.
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Norah Jone mit Regisseur Wong Kar-wai und dem smarten Jude Law
Ricore: Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen der Musik- und der Filmindustrie?

Jones: Allenfalls auf kreativer Ebene. Auch technischer Sicht ist ein Film sehr viel aufwendiger. Was ich in der Musik sehr schnell und mit einigen wenigen Mitarbeitern auf die Beine stellen kann, kostet bei Filmen enorm viel Zeit und Engagement von allen möglichen Seiten. Was die Kreativität angeht, kann allerdings beides sehr inspirierend sein.

Ricore: Nun halten Sie als erfolgreiche Solokünstlerin alle Fäden Ihrer Karriere selbst in der Hand. Wie schwierig ist es Ihnen gefallen, das Gesamtkunstwerk für diesen Film in andere Hände zu legen?

Jones: Es stimmt: Als Musikerin habe ich mich wirklich zu einem Kontrollfreak entwickelt, weil ich sicherstellen möchte, dass alles richtig läuft. Ich hatte auch vorab Bedenken, ob ich mich wirklich gut in dieses Filmprojekt einreihen könnte. Aber als ich Wong Kar-wai näher kennenlernte, vertraute ich ihm sofort. Ich begab mich gerne in seine Hände, und siehe ja, am Ende machte es sogar Spaß, einmal keine Kontrolle über das zu haben, was man gerade macht. (lacht)

Ricore: Auf Ihrem letzten Album entfernen Sie sich von Ihrem Image als romantische Schmusesängerin, doch Wong Kar-wai spielt erneut mit diesem Klischee. Hatten Sie diesbezüglich keine Bedenken?

Jones: Nein. Ich wollte mit Kar-wai drehen und habe das akzeptiert, was er von mir wollte. Es war auch keine bewusste Entscheidung, mich musikalisch von der Romantik loszulösen. Es hat sich mehr oder weniger aus dem kreativen Prozess ergeben.

Ricore: Haben Sie durch den Film etwas über die Liebe dazugelernt?

Jones: Die Art und Weise, wie Wong Kar-wai das Thema behandelt, ist wirklich eine ganz besondere. Ich kann zwar nicht in Worte fassen, inwiefern mich der Dreh verändert hat, aber er hat mit Sicherheit Einfluss darauf, wie ich über Liebe im Allgemeinen denke. Es gibt in dem Film einfach Momente, die dich einfach dazu zwingen, über das Leben im Allgemeinen nachzudenken. Mit diesem Film durchlebt man eine ganz besondere Form des Reisens.
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Norah Jone hübsch anzusehen in "My Blueberry Nights"
Ricore: Werden Sie Ihre Erlebnisse nun in einigen Songs aufarbeiten?

Jones: Vielleicht. Ich wollte das eigentlich schon während des Drehs machen, aber dafür blieb einfach keine Zeit. Als ich vor den Dreharbeiten am Flughafen ankam und mich mit Wong Kar-wai traf, lachte der nur über die Gitarre, die ich dabeihatte. "Dafür wirst du keine Zeit haben", kicherte er. (lacht) Er sollte Recht behalten.

Ricore: Apropos Zeit: Wie finden Sie zwischen Musik- und Filmkarriere noch freie Momente für ein ausgeglichenes Privatleben?

Jones: Die nehme ich mir einfach! Ich habe Gott sei Dank sehr viele enge Freunde, die mir Halt geben. Auch meine Bandmitglieder, mit denen ich immer auf Tour bin, sind so etwas wie meine besten Kumpels. Ich bin wirklich eine sehr glückliche Frau.

Ricore: Werden Sie auch in Zukunft als Schauspielerin arbeiten?

Jones: Vielleicht. Ich bin offen für das, was das Leben mir anbietet. Ich bin bestimmt nicht die Art von Frau, die Dinge von vornherein ausschließt.
erschienen am 27. Januar 2008
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