Universum Film
Justus von Dohnányi nimmt sein Gegenüber in die Mangel
Zufrieden und Ehrgeizig
Interview: Justus von Dohnányi souverän
Justus von Dohnányi ist als Schauspieler, Regisseur und Drehbuchautor aktiv. Der 47-Jährige steht im Dauerstress: Ist ein Film abgedreht, steht bereits der nächste vor der Tür. Daher hatten wir nur die Möglichkeit eines telefonischen Gesprächs. Dennoch erzählt von Dohnányi bereitwillig über seinen neuen Film "Hardcover", in dem er einen sympathischen, aber nicht minder brutalen Unterweltboss spielt.
erschienen am 31. 03. 2008
Universum
Hardcover
Ricore: Was hat Sie dazu bewegt, die Rolle in "Hardcover" anzunehmen?

Justus von Dohnányi: Es hat mich gereizt, in einer Komödie mitzuspielen. Das habe ich zwar das eine oder andere Mal schon getan, aber es macht mir viel Spaß. Besonders spannend ist es, in einer Komödie den Unterweltboss zu spielen. So bin ich noch nie besetzt worden. Wir haben lange darüber nachgedacht, wie die Rolle am glaubwürdigsten angelegt werden kann. Wir haben Perücken anprobiert, bis ich gesagt habe, es wäre am besten, wenn ich mit einer Glatze spiele. Ich habe mir also eine Glatze rasiert und einen Bart wachsen lassen.

Ricore: Wie viel von Ihnen steckt in der Rolle? Mir scheint die Rolle sehr ironisch zu sein.

von Dohnányi: Man wird häufig gefragt, wie viel von einem selbst in einer Rolle steckt. Das ist schwer zu beantworten. Ein Schauspieler versucht seine Erfahrungen, seine Eigenschaften einzukochen bis auf eine Essenz, die sich in eine andere Figur übertragen lässt. Er kann sagen: "Ich weiß, was Hass bedeutet. Ich habe davon gelesen, ich habe Filme darüber gesehen. Und jetzt versuche ich, das dieser Figur einzuflösen."

Ricore: Haben Sie selbst eine dunkle Vergangenheit, die Sie einmal in Kontakt mit der Unterwelt gebracht hat?

von Dohnányi: Nein, aber man hat ein Bild davon und eine eigene Meinung. Es gibt andere Situationen, die äußerlich kaum vergleichbar erscheinen, die aber auch ähnliches bedeuten. Es ist kein großer Unterschied, aus welchem Grund man zornig ist. Vielleicht ist es sogar ganz praktisch, den Zorn des Alltags in den Zorn eines Unterweltbosses zu übertragen. Für den Unterweltboss ist sein Zorn ja auch Alltag. Je souveräner und selbstverständlicher man damit umgeht, wenn man jemand anderen ohrfeigt, desto natürlicher wirkt es im Film.

Ricore: Würden Sie einen Gangsterboss gerne auch in einem Drama verkörpern?

von Dohnányi: Das könnte ich mir absolut vorstellen. Das wäre dann etwas ganz anderes. In der Komödie findet eine gewisse Überhöhung der Figur statt, die natürlich im Drama wegfällt.
Eurovideo
Bis zum Ellenbogen
Ricore: War es schwierig für Sie, nach Ihrem Regiedebüt "Bis zum Ellenbogen" wieder als Schauspieler zu agieren?

von Dohnányi: Nein. Ich finde es für meinen Beruf als Schauspieler notwendig und wichtig, sich fallen zu lassen und Verantwortlichkeiten abzugeben. Man muss auf den Blick von außen vertrauen. Man hat nicht die Wahrnehmung durch die Kamera oder den Blick auf die Szene. Auf die Beurteilung eines anderen muss man sich schon einlassen. Im Alltag geht es genauso. Auch da meinen wir manchmal anders zu wirken, als wir von außen wahrgenommen werden. Das Umfeld nimmt uns trauriger, glücklicher, schlechter gelaunt war, als wir es sind. Manchmal spiegeln sich auch Gefühle in unserem Gesicht wieder, ohne dass wir es mitbekommen.

Ricore: Was hat Sie dazu bewegt vom Schauspiel zur Regie zu wechseln?

von Dohnányi: Ich finde es spannend, sich in diesem Metier auszutoben. Ich schreibe seit einigen Jahren immer wieder kleinere Exposés, Drehbücher, Treatments. Ich versuche mich also an der Formulierung von Geschichten und finde es anregend, solche Geschichten umzusetzen. Das ist letztendlich das, was man am Anfang, wenn man Schauspieler wird, auch tut. Da sitzt man auf einer Probebühne mit Kollegen zusammen und überlegt: "Was können wir zu unserer Semesterarbeit machen?" Und dann macht man gemeinsam dies oder jenes Stück, bevor alle einzeln etwas einstudieren müssen. Und schon erarbeiten drei oder vier Leute gemeinsam eine Szene. Und immer wieder muss das einer von außen beurteilen. Schon gibt es eine Gestaltung und man ist nah an den Anfängen der Regie. Jedes mal wenn man eine Bühne betritt, führt man diese Gedanken mit sich. Der Wechsel zur Regie liegt also relativ nah.

Ricore: Können Sie sich vorstellen, noch einmal als Regisseur zu arbeiten oder liegt Ihnen die Schauspielerei zu sehr am Herzen?

von Dohnányi: Ja, das Spielen liegt mir schon sehr am Herzen. Aber über Engagements als Schauspieler entscheidet man ja nicht selbst. Da muss man gefragt werden.

Ricore: Das dürfte bei Ihnen ja kein Problem sein. Sie sind ja sehr gefragt.

von Dohnányi: Ja, ich habe Glück. Ich bekomme einige Angebote. Aber, um die Frage noch zu beantworten, ich möchte trotzdem mit der Regiearbeit weitermachen.
Universum Film
Szene aus "Hardcover"
Ricore: Wenn wir gerade über Angebote sprechen: Hatten Sie auch schon Anfragen aus Hollywood? Träumen Sie davon?

von Dohnányi: Ich träume von ganz anderen Dingen.

Ricore: Das bedeutet, Sie sind zufrieden?

von Dohnányi: Ich bin zufrieden, aber ich bin ehrgeizig genug, mir alles vorzustellen, was es an beruflichen Möglichkeiten gibt. Ja, es gab Angebote. Aber es ist nun einmal so, dass man als Deutscher in Hollywood einen bestimmten Aufgabenbereich zugewiesen bekommt. Naheliegend ist man dort der Bösewicht oder der Nazi. So werden die Deutschen dort immer noch gesehen.

Ricore: Aber konkret planen Sie keine Karriere in Übersee?

von Dohnányi: Nein, ich kenne auch keinen Kollegen, der das konkret plant. Das kann man auch nicht planen. Dazu gibt es in Hollywood zu viele arbeitslose Schauspieler. Man braucht uns dort nicht. Außer eben für spezielle Rollen, wenn dein deutscher Akzent gesucht wird. Es gibt viele spannende Filme, die wir hier in Europa machen. Ich fände es toll, wenn sich das weiterentwickelt.

Ricore: Es werden ja auch sehr viele Remakes von deutschen Produktionen gemacht.

von Dohnányi: Das ist richtig.
Delphi
Bis zum Ellenbogen
Ricore: Es gibt immer wieder Bestrebungen für internationale Koproduktionen. Sehen Sie darin die Zukunft des europäischen Films?

von Dohnányi: Ich glaube schon, dass solche Zusammenarbeiten zunehmen werden. Wir haben sehr gute, national unterschiedliche Einflüsse, die hier viel eher zum Tragen kommen können, als in den USA. Auch da sind die Menschen unterschiedlich. Es ist schon ein großer Unterschied, ob man in Boston oder in Mississippi einen Film dreht. Trotzdem scheinen die kulturellen Unterschiede in Europa größer zu sein, vielleicht der Sprache wegen. Jedenfalls ist diese Vielfalt eine größere Herausforderung.

Ricore: Sie haben gesagt, man wird oft auf eine Rolle festgelegt. Gibt es ein Genre, das sie bevorzugen?

von Dohnányi: Nein. Ich sagte das im Bezug auf Amerika. Dort wird man meistens als Deutscher gebucht. Genrefreie Filme, die es ja auch gibt, sind natürlich spannend, ich sträube mich aber gegen kein einziges Genre. Ich sehe alles gerne, wenn es gut gemacht ist. Manche Sachen schaue ich weniger an. In einem Horrorfilm würde ich durchaus einmal mitmachen, aber ich schaue mir so etwas nicht so gerne an.

Ricore: Wie geht es Ihnen, wenn Sie sich eigene Filme anschauen? Sind Sie zufrieden, oder denken Sie daran, was Sie hätten besser machen können?

von Dohnányi: Ich kenne beide Gefühle. Manchmal beäugt man sich selbst sehr kritisch. Ein anderes Mal ist man zufrieden damit, was man abgeliefert hat.

Ricore: Vielen Dank für das nette Gespräch und alles Gute.
erschienen am 31. März 2008
Zum Thema
Justus von Dohnányis Rolle in Heinrich Breloers Buddenbrook-Verfilmung "Buddenbrook - Ein Geschäft von einiger Größe" mag den gebürtigen Lübecker an den Ruhm der eigenen Familie erinnert haben. Sein Vater ist Chefdirigent des Der Untergang - Hitler und das Ende des 3. Reichs" (2004) und "Hardcover" (2008). 2007 führt er bei der schwarzen Komödie "Bis zum Ellenbogen" erstmals Regie, für die er auch das Drehbuch verfasst und sie produziert. Für seine Nebenrollen in dem Thriller "Das Experiment"..
Hardcover (Kinofilm)
Christian Zübert gelingt mit "Hardcover" eine deutsche Buddy-Komödie, die über weite Strecken überzeugt. Lucas Gregorowicz und Wotan Wilke Möhring spielen ihre Filmfiguren mit viel Liebe, dennoch gelingt es nicht, den Zuschauer über die gesamte Strecke des Films an die Handlung zu fesseln. Vor allem der tollpatschige, weltfremde und naive Christoph (Lucas Gregorowicz) lässt manches fragende Stirnrunzeln zurück. Dennoch besitzt das Werk einen Charme, der nachhallt.
2024