3L Filmverleih
Szene mit Laura aus "Ob ihr wollt oder nicht"
Katharina M. Schubert liebt Premieren
Interview: "Jetzt kann die Spielfreude raus!"
Katharina Marie Schubert musste bei ihrer zweiten Spielfilm-Hauptrolle in "Ob ihr wollt oder nicht!" ein schweres Thema stemmen. Ihre Figur Laura ist unheilbar an Krebs erkrankt. Die gut gelaunte und reflektierte Schauspielerin sprach in unserem Interview über Krebs und Tod. Andererseits hat sie ihre ganz eigene Meinung über den Umgang mit Premieren und damit, der Familie ihre Filme zu zeigen.
erschienen am 29. 04. 2009
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Katharina M. Schubert alias Laura leidet an Krebs
Ricore: Sie haben sich kein leichtes Thema für Ihre erste Spielfilmhauptrolle ausgesucht.

Katharina M. Schubert: Tatsächlich ist es bereits die zweite. Die erste ging ein wenig unter. Das war in "Friedliche Zeiten", es wundert mich aber nicht, dass das keiner weiß.

Ricore: Stimmt. In "Friedliche Zeiten" spielen Sie eine Frau, die von großen Ängsten geplagt wird - auch kein einfaches Thema.

Schubert: Ja. Jetzt spiele ich eine Frau, die keine Ängste mehr haben braucht.

Ricore: Womit wir schon beim Thema wären. Wie erging es Ihnen bei "Ob ihr wollt oder nicht"?

Schubert: Man erlebt bei einer Rolle immer verschiedene Phasen. Man liest zunächst das Buch. Regisseur Ben Verbong kannte ich bereits - auch seine Frau. Ich las das Buch also und fand es sehr rührend. Wie bei "Friedliche Zeiten" handelt es sich auch hier um schwierige Figuren. Das ist für einen Schauspieler eine spannende Herausforderung. Einen Mörder zu suchen und dabei ein privates Problem zu haben, ist lange nicht so aufregend zu spielen. Trotz des schrecklichen Themas hatte ich viel Spaß bei den Dreharbeiten. Das merkt man aber erst hinterher, wo ich den Film sah. Während der Dreharbeiten war es spannend, die Haare zu verlieren und all das.
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Laura (Katharina M. Schubert) am Ende ihrer Kräfte
Ricore: Wie war diese Gefühl?

Schubert: Haare zu verlieren, ist eine der furchbaren Seiten dieser Krankheit. Schon dadurch hat mich das Thema sehr beschäftigt. Ich war nie entspannt, auch nachdem ich mir eine Perücke gekauft habe. Ich hatte immer das Gefühl, dass sie beim nächsten Windstoß wegfliegt. Wenn man weiß, dass man stirbt, braucht man vor nichts mehr Angst zu haben. Auch zum Beispiel davor, das einen Leute nicht mehr mögen. Daraus wächst auch eine große Stärke und Lebendigkeit. Das färbte auf mich ab, weshalb ich mich in dieser Zeit sehr glücklich fühlte. Wenn man nicht selbst in der Situation ist, glaubt man immer, dass Krebs oder ein Autounfall Anderen passiert, nie dir selbst. Dieses Gefühl ging bei mir durch den Film ein wenig verloren.

Ricore: Welches Gefühl empfanden Sie, als Ihr Kopf zum ersten Mal kahl rasiert wurde?

Schubert: Das war eine lustige Begebenheit. Ich flog morgens um fünf Uhr zum ersten Drehtag von München nach Hamburg. Dort wurde ich abgeholt und in den Masken-Wohnwagen gebracht, wo mir die Haare abrasiert wurden. Anschließend setzte man mir eine Perücke auf. Ich dachte mir, dass dies also der Beruf ist. Man macht Dinge, die man sonst nie machen würde. Das hätte ich nie freiwillig gemacht.

Ricore: Hängen Sie sehr an Ihren Haaren?

Schubert: Ich habe sehr dünne Haare und wollte immer lange, lockige Haare. Ich hätte meine Haare niemals abgeschnitten. Beim ersten Mal war ich sehr neugierig. Man sagte mir, dass die Haare ganz anders und sehr dick nachwachsen würden, was nicht stimmt. Ich fand es spannend, wie man ohne Haare aussieht. Danach durften sie ja für drei Wochen wieder wachsen, was auch interessant ist. Es ist wie ein Bart auf dem Kopf. Ich fand es schlimmer, als sie nach drei Wochen diesen Flaum wieder abschoren. Das erste Mal empfand ich Neugier und hatte lange genug Zeit, mich darauf vorzubereiten. Als sich wuchsen, dachte ich: Ach Mensch, lasst sie doch wieder wachsen.

Ricore: Denken Sie über den eigenen Tod nun anders?

Schubert: Ja. Zumindest habe ich darüber nachgedacht. Früher habe ich das Thema Tod zwar nicht bewusst ignoriert, aber nach ein, zwei Gedanken wendet man sich schnell wieder helleren Themen zu. Für mich ist der Gedanke daran zunächst einfach nur schrecklich. Das Positive habe ich noch nicht gefunden.
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Ob ihr wollt oder nicht!
Ricore: Haben Sie während der Dreharbeiten mit Kollegen das Thema Sterbehilfe diskutiert?

Schubert: Das Thema Sterbehilfe nahm nur einen Drehtag in Anspruch. Es wurde nicht groß diskutiert. Soweit ich mich erinnere, gab es einen großen Konsens. Es gab niemanden, der es unmöglich fand und Sterbehilfe per se verteufelte. Wir dachten, dass der Mensch selbst bestimmen sollte, wie er sich verabschieden kann. Wenn man seine Würde behält, ist dies der bessere Weg. Der Regisseur und ich waren uns in diesem Punkt einig, obwohl wir uns bewusst waren, das es brisant ist. Besonders er als Holländer hat mit dem Klischee zu kämpfen, dass man sich dort an jeder Ecke umbringt, wenn man denn möchte, und vorher vielleicht noch einen Joint raucht.

Ricore: Haben Sie sich auf diese Rolle anders vorbereitet?

Schubert: Ich bin immer sehr gewissenhaft beim Vorbereiten. Ich fragte den Regisseur, ob ich noch etwas Bestimmtes lesen, ansehen oder irgendwo hingehen soll. Ich hatte aber das Gefühl, dass er das nicht will. Er gab mir ein Buch und erzählte mir von seiner Schwester, die an Krebs starb. Ansonsten war er gar nicht so erpicht darauf. Er meinte, dass es eine sehr persönliche Angelegenheit sei. Ben Verbong wollte, dass ich auf sehr persönliche Art und Weise an das Thema herangehe. Denn jeder geht anders damit um. Die einen offensiv, die anderen voller Scham, manche finden sich nie mit dem Schicksal ab, andere geben sofort auf. Ich verließ mich auf seine Erfahrung, mein Gefühl und das Drehbuch. Zusammenfassend kann man sagen, dass es seltsam ist, dass ich mich weniger wissenschaftlich vorbereitete, sondern eher geschaut habe, was kommt.

Ricore: Haben Sie Angst vor dem Tod?

Schubert: Ja.

Ricore: Neben Tod und Sterbehilfe geht es auch um die Familie. Laura fährt radikale Geschütze auf, um die Familie zusammenzubringen. Mussten Sie privat auch schon zu extremen Mitteln greifen?

Schubert: Nein. Wir sind auch eine große Familie mit vier Kindern. Wir sind als Familie sicher nicht so vereint sind, wie Lauras Familie am Ende des Films ist. Wir sind mal mehr, mal weniger harmonisch, aber alles ist in Ordnung.
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Szene aus "Ob ihr wollt oder nicht"
Ricore: Haben Sie gelegentlich Heimweh?

Schubert: Ich bin niemand, der schnell an neuen Orten heimisch wird, wobei ich nicht weiß, ob das unter Heimweh fällt. Wenn ich nur zwei Tage bei jemand zu Besuch bin, habe ich das Gefühl, dass ich den Ort verpasse, weil ich gerne länger da wäre. Ich habe eine Sehnsucht nach Rhythmus und Zeit, was man zuhause meist hat. Daher würde ich die Frage mit ja beantworten.

Ricore: Sie spielen vornehmlich Theater. Beeinflusst sich Theater und Kino gegenseitig?

Schubert: Nach viel Theater wieder Kino zu machen, ist toll. Es gibt dort andere Anforderungen. Es macht Spaß, wenn man Neues kennenlernt und beweglich sein und bleiben muss. Nach diesem Film habe ich Franz Kafkas "Prozess" im Theater gemacht und fand auch da die eine andere Sprache und den anderen Zusammenhang spannend.

Ricore: Sind Sie vor Theaterpremieren immer noch aufgeregt?

Schubert: Das kommt auf die Probenzeit an. Generell ist man immer aufgeregt. War die Probezeit schön, ist es eine Freude, das Ergebnis präsentieren zu dürfen. Diese Aufgeregtheit hat weniger mit Angst zu tun, sondern mehr mit Freude. Jetzt kann die Spielfreude mal raus.

Ricore: Und im Vergleich dazu eine Kinopremiere?

Schubert: Ich hatte bisher erst eine. Eigentlich hatte ich zwei, weil "Shoppen" ja auch zählt, wo ich jedoch nur eine von vielen war und es dadurch nicht richtig realisierte. Bei "Friedliche Zeiten" war es so, dass ich am Vortag den Kopf wieder neu rasiert bekommen hatte. Die Figur hat ja während des Films immer Perücken auf. Am Tag vor der Münchner Premiere spielte ich die Sterbeszene. Am nächsten morgen flog ich nach Berlin und fand es fremd, den anderen Film zu sehen. Natürlich ist es aufregend, aber anders, weil man im Gegensatz zur Theaterpremiere selbst nichts tut. Beim Theater sitzt der Regisseur während der Premiere in der Kantine und trinkt ordentlich, weil er nichts mehr tun kann. So ähnlich fühlte ich mich bei der Kinopremiere, obwohl ich mich nicht in der Kantine betrunken habe.

Ricore: Wo werden Sie die Premiere von "Ob ihr wollt oder nicht!" sehen? Wird Ihre Familie dabei sein?

Schubert: Ich werde die Premiere in Essen sehen. Meine Mutter hat den Film schon gesehen, wird aber auf der Premiere dabei sein.

Ricore: Wie war die Reaktion Ihrer Mutter auf den Film?

Schubert: Meine Mutter sagte immer, dass sie den Film nur ansehen würde, wenn ich daneben sitze. Als mein Bruder längere Zeit weg war, hatte ich diese Ansichts-DVD. Auch mein Bruder wollte den Film nicht alleine ansehen. Also haben meine Mutter und mein Bruder den Film gemeinsam gesehen. Ich war mir sicher, meine Mutter würde weinen. Allerdings war sie an diesem Tag so krank, dass sie danach anrief, und nur über Schnupfen klagte. Sie ist manchmal erstaunlich robust.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 29. April 2009
Zum Thema
Katharina M. Schubert ist Jahrgang 1977 und nicht zu verwechseln mit ihrer gleichnamigen älteren Kollegin, die hauptsächlich fürs Fernsehen arbeitet. Schuberts Hauptbetätigungsfeld liegt eher auf dem Theater, am Wiener Burgtheater und an den Münchner Kammerspielen. Seit 1999 spielte sie gelegentlich Nebenrollen im Fernsehen und in Kinofilmen wie "Shoppen" (2006) und "Buddenbrooks" (2008). Ihre ersten Hauptrollen verkörperte sie in "Friedliche Zeiten" (2008) und "Ob ihr wollt oder nicht!"..
Wie geht man mit den nahen Tod eines geliebten Familienmitgliedes um? Regisseur Ben Verbong zeigt in seinem Familiendrama "Ob ihr wollt oder nicht" unterschiedliche Wege auf, damit fertig zu werden. Streckenweise gelingt ihm eine heitere Komödie voller Leichtigkeit und Ironie. Es macht Spaß den vielen, höchst unterschiedlichen Charakteren auf ihrem Lebensweg und bei ihrer Entwicklung zuzusehen.
2024