Walt Disney
Emma Stone auf der LA-Premiere 2011 zu "The Help"
Mit Viola Davis auf Oscar-Kurs?
Interview: Emma Stone und die 60er
Emma Stone und Viola Davis bilden ein starkes Duo. So sagen sie in "The Help" trotz aller Widerstände dem Rassismus den Kampf an. Während Stone als Reporterin zu sehen ist, spielt Davis eine afroamerikanische Haushaltshilfe im Mississippi der 1960er Jahre. Im Interview mit Filmreporter.de verraten die beiden Darstellerinnen, warum unsere Gesellschaft wieder da ist, wo sie in den 1960ern war.
erschienen am 6. 12. 2011
Walt Disney
Viola Davis auf der LA-Premiere 2011 zu "The Help"
Ricore: Wie fühlt es sich an, historische Kleidung zu tragen? Hat es geholfen, die Rolle zu spielen?

Davis: Absolut. Solche Kleidung schränkt die Bewegungsfähigkeit ein. Wir sind alle in Uniformen gesteckt worden. Du fühlst dich, als wärst du gefesselt. Außerdem geht es ums Verstecken. Unsere BHs waren zum Beispiel so gebaut, dass wenig zu sehen war.

Stone: Ich trug keine Uniform die mein Wesen verändert hätte. Durch die hohen Schuhe die ich trug, habe ich mich allerdings wesentlich größer gefühlt als ich wirklich bin. Das war auch sehr ungewohnt.

Ricore: Denkt man beim Lesen des Drehbuchs daran, dass man für die Rolle eine Oscar-Nominierung erhalten könnte?

Stone: Nein. Das sagt eher der eigene Agent.

Davis: Genau. So etwas sagt vor allem der Agent: "Das wird dein Oscar. Also schnapp dir die Rolle!" Ich würde das so nicht sagen. Du weißt, dass es eine großartige Rolle wird und damit hat es sich. Manchmal denkst du jedoch: was für eine tolle Rolle. Das wird ein großartiger Film! Dann sehen Leute den Film und sagen: "Das war gar nichts". Dann ist meine Karriere am Ende (lacht).

Ricore: Ein Oscar würde sich ganz gut in Ihrem Regal machen.

Davis: Oh man. Ich habe bereits ein Regal ausgewählt [lacht].
Walt Disney
The Help
Ricore: Frau Stone, ist der Rassismus heute noch so stark, wie zu der Zeit, in der "The Help" spielt?

Stone: Sie können das wahrscheinlich genauso gut beantworten, wie ich. Ich denke, dass es weltweit immer noch Rassismus gibt. Leute, die andere Menschen anders sehen, als sich selbst - egal ob es religiöse oder geschlechtsspezifische Gründe sind. Man muss einen Weg finden, damit sich jeder auf der Welt akzeptiert fühlen kann. Das ist wichtig für das menschliche Befinden.

Ricore: Die Dreharbeiten haben außergewöhnlich lange gedauert. Konnte man sich so besser mit der Geschichte identifizieren?

Davis: Auf jedem Fall. In Greenwich, Mississippi wurde 1956 die Leiche eines ermordeten Jungen gefunden. Der 14 Jahre alte Junge wurde schlimm gefoltert und brutal getötet. Seine Leiche wurde in den Fluss geworfen. Auf der anderen Seite haben wir während der Dreharbeiten die südliche Gastfreundschaft der heutigen Zeit kennengelernt. Am Set waren alle sehr warmherzig. Durch das leckere selbst gemachte Essen, fühlst du dich wie zuhause. Mississippi ist einfach eine ganz spezielle Region. Da gibt es Gutes und Schlechtes.

Ricore: Was war denn schlecht?

Davis: Ich weiß, was in der Geschichte Mississippis alles passiert ist. Außerdem gab es unter den Statisten Frauen, die ihre Erlebnisse erzählt haben. Diese sind zu Zeiten des Rassismus geboren worden. Eine Frau erzählte, wie ihr Bruder und drei ihrer Cousins im Alter von 14 und 15 Jahren ermordet wurden. Einer wurde durch einen Schuss in den Hinterkopf ermordet. Der andere bekam einen Speer, den man zum Fischen benutzt, ins Gesicht. Danach wurden sie in den Talahi-Fluss geworfen. Es ist heftig, wenn du realisiert, wie viele Menschen im Kampf um Rassengleichheit gestorben sind. Die haben alle keine Namen und Gesichter. Das sind die schlechten Seiten. Die guten sind das Essen und die Wärme der Menschen. Ich hab mich ein bisschen wie Zuhause gefühlt und dann doch wieder nicht. Es ist schwarz und weiß.

Ricore: Haben Sie während der Dreharbeiten an Gewicht zu- oder abgenommen?

Davis: (lacht) Meinen Sie das ernst?

Stone: Ich musste zweimal die Kostüme wechseln.

Davis: Einmal ging ich auf die Waage und dachte: "Diese Waage lügt. 75 oder 76 Kilogramm. Oh mein Gott". Aber ok, wir haben am Set fast die ganze Zeit gegessen.
Sony Pictures
Emma Stone in "Einfach zu haben"
Ricore: Waren Sie geschockt?

Davis: Eigentlich war es großartig, die Freiheit zu haben, so viel zu Essen, wie man will. Sonst hat man gerade in Hollywood viele Einschränkungen beim Essen. Das ist ein Problem. Ich weiß gar nicht, warum ich das gesagt habe. (lacht)

Ricore: Also war Ihre Rolle auch eine Form von Method Acting?

Davis: Ja, es war auch ein bisschen Method Acting. Tate rief mich einen Monat vor Beginn der Dreharbeiten an und sagte: "Ich weiß nicht genau wie ich es dir sagen soll. Aber kannst du etwas an Gewicht zunehmen?" Also schickte er mir zwei Karamellkekse und Milch.

Ricore: Haben Sie für Ihre Figur wie bei "Glaubensfrage" einen Background von über fünfzig Seiten geschrieben?

Davis: Ja, ich habe mich über meine Rolle informiert. Aber wir hatten ja das Drehbuch und mussten nicht so viel schreiben.

Ricore: Kannten Sie den Roman, bevor Sie das Drehbuch lasen?

Davis: Ja, ich kannte die Vorlage.

Stone: Ich habe zuerst das Drehbuch gelesen und dann den Roman.
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Emma Stone auf der LA-Premiere 2011 zu "The Help"
Ricore: Frau Stone, haben Sie Erfahrungen mit Rassismus gemacht?

Stone: Ja, ich glaube es war in Greenwich. Ich fuhr auf meinem Fahrrad nach Hause. Es war schon dunkel und die Stadt war wie tot. Ein weißer Mann kam zu mir, legte die Hand auf meine Schulter und sagte: "Hier ist eine Stadtkarte auf der steht, wo Sie in der Stadt fahren dürfen. Sie sind einen Block zu weit gefahren." Ich wusste gar nicht warum, aber er sagte, dass es für mich zu gefährlich sei, hier zu fahren. Das war vor einem Jahr. Ich weiß gar nicht, ob es rassistisch war. Aber irgendwie hatte es was davon.

Davis: Und es war sexistisch.

Stone: Ja, das auch - besonders für eine Frau, die meist in Komödien mitspielt, in denen sie merkwürdig und lustig angezogen ist. Es hat tatsächlich etwas Rassistisches. Ähnlich ist es, an einem Ort aufzuwachsen, wo es immer noch viele Rassisten gibt. Also wo es diese seit Generationen gibt oder alles immer noch sehr rückständig läuft. Aber es gab nie wirkliche rassistische Gewalt gegen mich.

Ricore: Wie handhaben Sie diese sexuelle Belästigung, die Sie erfahren, wenn Sie in Komödien mitspielen?

Stone: Es ist dasselbe, wenn wir von "The Help" reden. Es ist nicht nur ein Film, der Rassismus behandelt. Er handelt auch von Frauen im Allgemeinen. Leute fragen dann, wie es sein kann, dass alle Frauen in dem Film so erfolgreich werden können. Und die Tatsache, dass wir darüber reden, bedeutet doch, dass dieses Thema weiter diskutiert werden muss. Es gibt viele Filme mit Frauen. Was soll's? Es gibt auch viele Filme mit Männern. Warum ist es so verrückt, dass Frauen in Geschichten erfolgreich sind? Frauen gehen doch genauso gerne ins Kino, wie Männer...

Ricore: Wenn man an eine TV-Serie wie "Mad Men" denkt, sieht man, dass die Emanzipation der Frauen noch nicht so lange her ist.

Stone: Absolut. Es gibt ernste Kämpfe in unserem Film. Es ist anders, als heutzutage, wo wir häufig erst eine Karriere und dann Familie und Kinder haben. Dieses Vorhaben unserer Protagonistin ist für ihre Freunde unverständlich. Das ist so seltsam und gerade mal 50 Jahre her. Und wenn ich heute mit 22 Jahren verheiratet sein und ein Kind haben will, dann gucken einen die Leute an und sagen: "Dafür bist du doch noch ganz schön jung" (lacht).

Davis: Die 1960er Jahre waren die Geburtsstunde des Feminismus.

Stone: Absolut richtig. Es gab Hippies in San Francisco und - visionär denkende Frauen...

Davis: ... "Hippie" war aber ein schlimmes Wort. Stewards Ex-Freundin war ein - oh mein Gott - Hippie.
DreamWorks
Viola Davis und Octavia Spencer in "The Help"
Ricore: Können Sie nachvollziehen, weshalb die Figuren in "The Help" so gehorsam sind?

Stone: Ich denke der Film behandelt die Zeit, in der Frauen begannen umzudenken. Die Leute können nicht verstehen, dass Eugenia aufs College will, um eine Schulbildung zu erhalten. Die damaligen Menschen waren so etwas nicht gewohnt. Aber die 1960er Jahre waren wirklich relevant für die Entwicklung der Frauen, wie man an "Mad Men" und "The Help" sehen kann. Filme spielen in den 1960ern, weil sich die heutige Zeit etwas wie das damalige Jahrzehnt anfühlt. Wir haben gesellschaftliche Themen, für die wir uns einsetzen: Krieg, unsere Wirtschaft bricht zusammen, homosexuelle Ehen...

Davis: Ich denke in 30 Jahren werden die Menschen auf uns zurückblicken und sich fragen, warum Homosexuellen nicht das Recht auf die Ehe zugestanden wurde.

Stone: Genau. Wir haben nichts dagegen. Aber es gibt immer noch genügend Leute, die anders denken. Es ist einfach so, als durchlebten wir die 1960er Jahre ein zweites Mal.

Ricore: Demnach haben sie ähnlich visionäre Absichten wie Ihre Filmfigur?

Stone: Auf jeden Fall. Ich stimme auch mit dem Idealismus der Figur überein. Sie ist sehr aufgeregt als sie bei der Zeitung anfängt und gefragt wird, ob sie sich mit Putzen auskennt. Dann sagt sie: "Natürlich kenne ich mich damit aus". Es ist, als wenn man mit 15 zu einem Casting geht und gefragt wird, ob man singen kann.

Ricore: Also macht man alles, um erst mal in der Branche Fuß zu fassen?

Stone: Natürlich. Und dann kommt man weiter und kann Dinge machen, die einem was bedeuten.

Ricore: Im Film geht's auch viel um Haarstyling. Hatten sie - wie in Ihrer Rolle - mal Probleme mit ihrem Haarstyling?

Stone: Da muss ich überlegen. Ich mache meine Haare nicht selbst, da ich nicht gut darin bin. Aber wenn meine Frisur mal nicht sitzt, denke ich nicht, dass mein ganzer Tag ruiniert ist.
DreamWorks
Viola Davis in "The Help"
Ricore: Sie sind in den letzten Jahren zu einem richtigen Star geworden. Sogar Jim Carrey hat Ihnen per Video eine Liebesbotschaft geschickt. Wie kommt man mit so einem Erfolg zurecht?

Stone: Das ist alles sehr schön und schmeichelhaft. Aber ich denke da gar nicht so sehr drüber nach. Letzte Nacht kam mir der Satz ins Gedächtnis: "Ich bin nicht, wer ich bin". Es geht mir darum, dass ich mich nicht so sehe, wie andere das tun.

Ricore: Frau Davis, wie schwer ist es, Schauspielerin zu werden?

Davis: Es ist ein ganz harter Weg, wenn du dich entschieden hast, eine Schauspielerin zu werden. Denn die meiste Zeit bist du arbeitslos und wirst abgelehnt.

Ricore: Sie sind aber schon ganz gut ausgelastet, oder?

Davis: Ja schon, aber nicht in diesem Umfang. Am Anfang habe ich in regionalen Theatern gespielt. Daher musste ich ständig umziehen. Man packt seine Sachen und arbeitet vier Wochen in San Francisco. Dann kommt man zurück und muss die nächsten eineinhalb Wochen nach Boston. Und die Leute haben keine Vorstellung, was Schauspielerei bedeutet, wenn du nicht im Fernsehen oder beim Film arbeitest. Wenn du Theater spielst aber nicht am Broadway bist, denken die Leute, dass du nichts kannst. Aber ich denke, ich hatte es relativ einfach. Die meisten meiner Freunde hatten es sehr schwer. Sie gingen auf Schauspielerschulen, hatten ein 100.000 Dollar-Studiendarlehen, sind 45 und haben nichts geschafft. Ich dagegen hatte wirklich Glück.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 6. Dezember 2011
Zum Thema
Geboren am 11 August 1965 in Saint Matthews, South Carolina, zieht Viola Davis' Familie mit der Neugeborenen nach Central Falls, Rhode Island. Aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen, kann sie sich als Teenager mit Schauspielern und Schreiben vom Alltag ablenken. Diese Leidenschaft macht sie schließlich zu ihrem Beruf und übernimmt zunächst Theaterrollen.City of Angels" (2000) zu sehen. Später spielt sie auch in großen Hollywoodproduktionen wie "State of Play - Stand der Dinge" (2009) oder..
Schon als Jugendliche ist Emily Jean Stone fest entschlossen, in Hollywood Karriere als Schauspielerin zu machen. Um ihre Eltern zu überzeugen, stellt sie ihren Plan in Form einer Power-Point-Präsentation vor, die von Madonnas Lied "Hollywood" untermalt ist. 2004 zieht sie im Alter von 15 mit ihrer Mutter nach Los Angeles. Um die nötige Zeit für Vorsprechen zu haben, wird sie zu Hause unterrichtet. Drive". Nachdem die kurzlebige Serie wieder abgesetzt wird, ist sie zunehmend auf der Leinwand..
The Help (Kinofilm)
"The Help" handelt von der Diskriminierung afroamerikanischer Haushälterinnen in den 1960er Jahren. Emma Stone spielt eine angehende Journalistin, die die Sichtweise dieser Frauen zu Papier bringen will. Allerdings macht sie sich aufgrund der rassistischen Ressentiments in Jackson, Mississippi eine Menge Feinde. Tate Taylors Romanverfilmung überzeugt vor allem aufgrund der starken Darstellerinnen. Leider fehlt es dem Drama angesichts der diffizilen Rassismus-Thematik an den nötigen Ecken und..
2024