Ricore Text
Fruit Chan
Fruit Chan über sein Horrormovie
Interview: Skurrile Teigtaschen
Regisseur Fruit Chan schildert in seinem ersten kommerziellen Film wie weit eine unglückliche Frau für die Versprechung ewiger Jugend geht. "Dumplings - Delikate Verführung" lief auf der Berlinale 2005 vor einem überraschten Publikum. Es schockte und faszinierte die Festivalbesucher zugleich, was den Regisseur und seine Hauptdarstellerin sichtlich amüsierte. Wir sprachen mit Chan über die teilweise auf Tatsachen beruhenden Hintergründe des Films.
erschienen am 2. 08. 2005
Dumplings - Delikate Verführung
Ricore: "Dumplings - Delikate Verführung" ist Ihr erstes kommerzieller Film. Fiel es Ihnen schwer sich vom "Independent Film" abzuwenden?

Fruit Chan: Manchmal gleitet der Film zwar in die kommerzielle Spur ab, aber insgesamt habe ich meinen unabhängigen Stil beibehalten. Das Tempo von Hong Kong Movies ist normalerweise sehr schnell und von Actionszenen bestimmt. Das gefällt mir nicht. Ich versuche das zu vermeiden. Meine Handlung soll sich - Schritt für Schritt - ganz langsam entfalten.

Ricore: Was hat Sie für diesen Film inspiriert?

Chan: Heutzutage geben Frauen viel Geld für Make-up und Kleider aus. Sie probieren alles Mögliche, um länger jung und schön zu bleiben. Nach der alten chinesischen Tradition bleibt man länger jung, wenn man Tierföten ist. So essen manche ungeborene Mäuse. Als ich ein Kind war, habe ich das auch einmal beobachtet. Das fand ich schrecklich. Für "Dumplings" wollte ich den Kampf einer Frau um ihre Schönheit erzählen.

Ricore: Gibt es viele Frauen in China, die diesem Brauch nachgehen und Tierföten essen?

Chan: Nur wenige Frauen wendet diesen Brauch wirklich an.

Ricore: Kennen Sie persönlich solche Frauen?

Chan: Ja, natürlich. Ich musste mich ja erst auf meinen Film vorbereiten. Ich suchte Ärzte, die Frauen illegal Föten beschaffen. Einige davon wurden meine geheimen Berater für den Film. Ihre Namen muss ich natürlich für mich behalten. Ihre Arbeit ist ja gesetzeswidrig.
Ist sich schön zu essen so einfach?
Ricore: Wie haben Sie diese Ärzte ausfindig gemacht?

Chan: Bisher habe ich nur "Underground"- Movies gedreht. Dadurch habe ich sehr viele Leute kennen gelernt. Ich habe mich einfach in meinem Bekanntenkreis umgehört, wer einen derartigen Arzt kennt. Es war mir sehr wichtig, mit jemanden zusammen zu arbeiten, der sich mit diesem delikaten Thema auskennt. Ich will mein Publikum davon überzeugen, dass der Film auf Tatsachen beruht.

Ricore: "Dumplings" ist die verlängerte Version von "Three Extremes". Sie benutzten viele identische Aufnahmen für beide Filme, trotzdem unterscheiden sie sich sehr.

Chan: Nachdem ich das Drehbuch zu der Triologie "Three Extremes" fertig gestellt hatte, kam mir die Idee, dass man sehr gut auch einen Spielfilmen aus dem Stoff machen könnte. Ich fragte meinen Produzent Peter Ho-Sun Chan, ob es möglich wäre beide Filme parallel zu drehen. Er stimmte zu. Wir dachten uns für die beiden Projekte allerdings unterschiedliche Enden aus. In "Dumplings" wird die Dreiecksbeziehung hervorgehoben. Wenn jemand beide Filme sieht, will er natürlich nicht immer dasselbe sehen.

Ricore: Warum entschieden Sie sich Ling Bai für die Rolle der skurrilen Teigtaschenhändlerin zu besetzen?

Chan: Bai Ling ist in Hollywood gegenwärtig sehr präsent. Ich hatte vorerst keine genaue Vorstellung davon, wenn ich für diese Rolle besetzen möchte. Mein Produzent Peter Ho-Sun Chan schlug Bai Ling vor. Er fand, dass sie dafür sehr geeignet ist. Genau wie die Protagonistin Mei, die sie spielt, kam Ling vor vielen Jahren von China nach Hong Kong. Bai Ling sagte uns sofort für die Rolle zu und kam extra für die Dreharbeiten zurück nach Hong Kong. Dies war übrigens ihr erster asiatischer Film in Mandarin.

Ricore: Hat sie das Thema des Films nicht abgeschreckt?

Chan: Nein. Sie als Schauspielerin ist bereit sich mit allen möglichen Rollen zu identifizieren und empfand es als spannende Herausforderung.
Die schöne Bai Ling in: Dumplings
Ricore: Warum ist es für die Geschichte so wichtig, dass die Protagonistin Mei aus China kommt?

Chan: Unsere Erzählung basiert auf einer Novelle, die in China spielt. Wir konnten den Film aber nicht in China drehen. Dort ist diese Angelegenheit ein Tabuthema. Wir befürchteten, dass der Film der Zensur zum Opfer fallen würde. Außerdem haben wir unseren Film teilweise nach Bai Lings wahrer Lebensgeschichte ausgelegt. Sie ist ja auch von China nach Hong Kong gezogen.

Ricore: Sowohl "Three Extremes" als auch "Dumplings" sind in Hong Kong bereits im Kino gelaufen. Wie erfolgreich waren die Filme?

Chan: Mittelmäßig, würde ich sagen. Beide Produktionen dürfen erst ab 18 Jahren gezeigt werden.

Ricore: Glauben Sie, dass "Dumplings" schon für ein jüngeres Publikum zugelassen werden sollte?

Chan: Das kommt auf die jeweilige Mentalität eines Landes darauf an. Manche Kulturkreise haben diesbezüglich vielleicht eine höhere Belastungsgrenze als andere.

Ricore: Was waren Ihre Beweggründe einen kommerziellen Film zu machen?

Chan: Mit einem kommerziellen Horrorfilm kann ich einfach ein größeres Publikum erreichen.
In Asien ist der Gruselthriller erst ab 18 freigegeben
Ricore: Warum haben Sie sich für Kameramann Christopher Doyle ("In the Mood for Love") entschieden?

Chan: Es war mir sehr wichtig, dass er mit mir zusammen arbeitet. Er hat seinen eigenen Stil. Ich ließ ihm aber viel Freiheit, da ich ihn respektiere. Natürlich wollte ich aber nicht, dass er meine Meinung ganz außer Acht lässt. Wir haben viel diskutiert und unsere unterschiedlichen Ideen auf einen gemeinsamen Nenner gebracht. Wir hatten allerdings nicht immer Zeit, jede einzelne Einstellung auszudiskutieren. Das Budget für "Dumplings" war sehr gering. Ich habe meine Schauspieler eigentlich unterbezahlt. Sie waren sozusagen meine Sponsoren.

Ricore: Konzipieren Sie Ihre Filme nicht für den chinesischen Filmmarkt?

Chan: Darüber habe ich mir persönlich noch keine Gedanken gemacht. Es kann aber sein, dass ich eines Tages auch einen Film speziell für den chinesischen Markt produzieren werde. Mein Hauptziel ist, mein Publikum zu fesseln. Es gefällt mir, die Aufmerksamkeit von Medien und Kinopublikum auf mich zu lenken.

Ricore: War es Ihr Ziel das Publikum mit "Dumplings" zu schockieren?

Chan: Ich muss zugeben, dass es mich freut, wenn ich schockierte Leute im Kinosaal sehe. Mein Hauptziel ist es aber auf jeden Fall die Zuschauer zu unterhalten. "Dumplings" ist kein typisches Horrormovie, in der man sich jede einzelne Minute nur gruselt.
erschienen am 2. August 2005
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Schwindet mit dem Alter auch die Schönheit? Vor allem Frauen verfallen oft diesem Trugschluss. Auch Frau Li (Miriam Yeung) ist über ihre verwelkende Jugend bekümmert. Um ihren abtrünnigen Ehemann zurück zugewinnen, ist ihr kein Preis zu hoch. Fruit Chans tiefgründige Horrortragödie zieht die Zuschauer unweigerlich in ihren Bann.
2024