Georges Pauly/ARD
Jutta Speidel in "Weihnachten... ohne mich, mein Schatz!"
Mich würde man nicht vergessen!
Interview: Jutta Speidel hält die Welt an
Jutta Speidel ist eine anerkannte Komödiendarstellerin. Im Fernsehfilm "Weihnachten... ohne mich, mein Schatz!" wird sie nach 30 Jahren Ehe von Henry Hübchen am Taxistand vergessen und ändert daraufhin ihr ganzes Leben. 'Der Mann ist so ein Egomane und Exzentriker', sagt sie im Interview mit Filmreporter.de gänzlich ironiefrei. Warum Powerfrau Jutta Speidel nichts fürs Heiraten übrig hat und wie sie Weihnachten feiert, verrät sie uns ebenfalls.
erschienen am 7. 12. 2012
Georges Pauly/ARD
Jutta Speidel wird in "Weihnachten... ohne mich, mein Schatz!" von ihrem Mann am Taxistand vergessen
Ricore: Sie spielen in "Weihnachten... ohne mich, mein Schatz!" eine seit 30 Jahren verheiratete Frau. Wie haben Sie sich auf diese Rolle vorbereitet?

Jutta Speidel: Bis der Film realisiert wurde, hat es einige Zeit gedauert. Aber die Idee, wie eine Frau die Welt anhält, fand ich von Anfang an sehr interessant. Als ihr das Unglaubliche passiert, dass ihr Mann sie einfach am Flughafen stehen lässt, ist für sie der Ofen aus. Diese Geschichte ist sehr turbulent und hat mir gut gefallen. Ich konnte mir gleich vorstellen, die Rolle zu spielen. Allerdings hat sich dann anfangs das Konzept in eine Richtung entwickelt, die mir nicht so gut gefiel. Schließlich haben wir den Film zu einer ganz anderen Jahreszeit gedreht, als ursprünglich gedacht. Aber: Der mühsame Weg hat sich wirklich gelohnt! Ich finde, der Film ist sehr gut geworden.

Ricore: War der Dreh auch mal lustig?

Speidel: Lustig waren die Dreharbeiten kaum. Wir haben in einem alten Hafengebiet gedreht und es war so kalt... Noch dazu hatte ich einen Hexenschuss, der zu Anfang der Dreharbeiten aufgetreten ist und bis zum Ende angehalten hat. Der Dreh war trotzdem gut. Das Team alles getan, um es uns so angenehm wie möglich zu machen.

Ricore: Der Film spielt zur Weihnachtszeit. Wie feiern Sie Weihnachten? Klassisch deutsch oder italienisch?

Speidel: Mit der Familie, so wie man in Bayern eben Weihnachten feiert.

Ricore: Sie werden in dem Film von Ihrem Mann am Taxistand vergessen? Kommen solche Situationen auch im Leben vor?

Speidel: Ja. Ich glaube, das passiert ganz oft. Speziell die Männer haben eine Fokussierung auf sich selbst und nehmen deshalb alles für selbstverständlich. Mein Mann im Film ist so ein Egomane und Exzentriker. Er merkt nicht mal, dass seine Frau nicht ins Auto eingestiegen ist. Man könnte meinen, auch das ist ihm total egal. Ist es aber nicht. In dem Moment, wo sie nicht mehr da ist, hat er Verlustängste und die ganze Welt bricht für ihn zusammen.

Ricore: Wurden Sie mal vergessen?

Speidel: Nein. Mich würde man nicht vergessen.
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Jutta Speidel und Henry Hübchen als Ehepaar in "Weihnachten... ohne mich, mein Schatz!"
Ricore: Haben Sie denn schon mal jemanden vergessen?

Speidel: Nein, auch nicht. Ich bin eine Kümmerin. Uns ist es einmal passiert, dass mein Mann meinen kleinen Hund an der Tankstelle vergessen hat. Das war ein Alptraum. Wir haben gezahlt und währenddessen ist er aus dem Auto gesprungen. Mein Mann fährt los und gerade als wir auf die Autobahn auffahren, fällt es uns ein. Wir haben sofort umgedreht und da sitzt der Hund und pinkelt gegen einen Baum. Das war natürlich ganz schrecklich.

Ricore: Sie leben in einer festen Partnerschaft mit Bruno Maccallini, möchten aber nicht wieder heiraten. Hält Sie eine Situationen wie im Film davon ab?

Speidel: Nein, natürlich nicht. Ich werde immer wieder gefragt, warum ich nach so vielen Jahren immer noch nicht heirate. Für mich gibt es keinen Grund. Ich habe Kinder und kann mich selbst versorgen. Wozu muss ich also heiraten? Ich kann diesen Traditionen nichts abgewinnen. Ich habe es damals gemacht, um auszuprobieren, wie sich das anfühlt.

Ricore: Ihr Charakter handelt spontan und emotional. Können Sie Johannas Reaktion - ihrem Mann mit dem Taxi davonzufahren -nachvollziehen?

Speidel: Ja, das kann ich. Sie ist wahnsinnig betroffen und fassungslos. Und dann kommt sie nach Hause und sieht ihn auch noch da stehen. Er schmeißt ihr die Schuhe vor die Füße und der Mantel fliegt durch die Gegend und er schreit sie an, wo sie denn so lange war. Und dann kommt auch noch ihr Sohn und die Plätzchen sind noch nicht gebacken… Da muss sie einfach mal anhalten und sagen "Stopp jetzt, wo bin ich eigentlich?" Also ja, ich würde auch die Welt anhalten und laut protestieren.

Ricore: Johanna hat aber lange durchgehalten und erst nach 30 Jahren protestiert. Was glauben Sie, woran das liegt?

Speidel: ich denke, in der Ehe entwickelt man sich miteinander. Ihr Mann war ja nicht von Anfang an so. Die haben zusammen studiert, dann hat er Karriere gemacht und sie hat das Kind bekommen. Sie hat ihren beruflichen Weg nicht weiter verfolgt, sondern war für die Familie da. Dass er sich dann zu so einem Ignoranten entwickelt hat, ist wahrscheinlich erst durch diese Fokussierung auf seine Person passiert. Und dazu hat sie ja auch all die Jahre beigetragen. Sie hätte schon viel früher etwas sagen können.
Julia Nothacker/Ricore Text
Jutta Speidel beim Interview zu "Weihnachten... ohne mich, mein Schatz!"
Ricore: Gibt es einen bestimmten Charakter, den Sie gerne mal spielen würden?

Speidel: Ich würde gerne mal in einem psychologischen Krimi spielen, eine perfide Person mit einer Neurose, die auf eine liebenswürdige Art und Weise Leute um die Ecke bringt. Ich finde es interessant, wenn man sich als Zuschauer auf die Seite einer solchen Figur schlägt.

Ricore: Sie arbeiten nicht nur für Film und Fernsehen, sondern stehen auch gerne auf der Theaterbühne. Liegt Ihnen daran, beide Bereiche gleichermaßen auszuüben?

Speidel: Ich habe von Anfang an Theater gespielt. Bereits mit 19 Jahren habe ich in "Der zerbrochene Krug" gespielt, danach in "Kabale und Liebe" und in "Elektra". Das ist Hand in Hand mit der Schauspielschule gegangen. Ich freue mich, dass ich nach zehn Jahren wieder auf der Theaterbühne stehen kann. Andererseits ist es ein Ein-Personen-Stück und ich habe einen Heidenrespekt davor, das alleine zu meistern. Ich bin mir nicht sicher, ob man das Publikum allein so lange bei der Stange halten kann.

Ricore: Die Arbeitsweisen von Theater und Film sind sehr unterschiedlich. Fällt es Ihnen leicht, zwischen den Bereichen zu wechseln?

Speidel: Ja. Ich übe diesen Beruf seit vierzig Jahren aus. Ich habe so viel Theater gespielt und bin so viel vor der Kamera gestanden. Ich kann die Medien sehr gut einschätzen und bin eben eine Rampensau.

Ricore: Ihre Tätigkeit als Künstlerin ist weit gefächert. Sie schauspielern nicht nur, sondern schreiben auch Bücher. Wie haben Sie die Leidenschaft fürs Schreiben entdeckt?

Speidel: Das kam durch Zufall. Schreiben ist eine tolle Sache. Aber es bedarf natürlich einer ganz anderen Konzentration. Ich schreibe wie ich drehe. Ich bin also nicht so eine Schriftstellerin, die 20 Bücher neben sich liegen hat und recherchiert. Das kann ich nicht.

Ricore: Sie haben mit Ihrem Lebenspartner ein Buch über Ihre Fahrradreise von München nach Meran geschrieben. Sind Sie ein sportlicher Typ?

Speidel: Ja, sehr. Im Winter laufe ich Ski, im Sommer schwimme und laufe ich. Ich bin auch sehr oft mit meinem Hund unterwegs. Außerdem gehe ich gerne wandern.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 7. Dezember 2012
Zum Thema
In "Die Lümmel von der ersten Bank" feiert Jutta Speidel als 15-jährige ihr Spielfilmdebüt. Seitdem ist sie regelmäßig in Fernseh-, Kino- und Theaterproduktionen zu sehen. Erfolgreich ist die gebürtige Münchnerin auch mit ihren Rollen in den Fernsehserien "Forsthaus Falkenau", "Alle meine Töchter" und "Um Himmels Willen". Bruno Maccallini liiert. Aus einer vorherigen Beziehung hat sie zwei Töchter.
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