Paramount Pictures
Martin Henderson in "Ring" (2002)
Martin Henderson über den steinigen Weg nach Hollywood
Interview: Harte Arbeit, süßes Leben
Schon mit dreizehn arbeitet Martin Henderson als Schauspieler. Durch die Fernsehserie "Shortland Street" wird der Neuseeländer in seiner Heimat über Nacht zum Star. Bei uns ist er noch ein unbeschriebenes Blatt - doch das soll sich nun ändern. In Gore Verbinskis optisch ausgefeilter Neuauflage des japanischen Kult-Horrorfilms "Ring" spielt der 28-Jährige einen Technikspezialisten, der das tödliche Geheimnis eines mysteriösen Videos knacken will.
erschienen am 27. 10. 2022
United International Pictures (UIP)
Martin Henderson und Naomi Watts in "Ring"
Konzept hinter Rollenwahl?
Frage: Mr. Henderson, Sie wirken in sehr unterschiedlichen Projekten mit: Fernsehserien in Neuseeland, die dänische Produktion "Skagerrag" und dann der Horrorfilm "Ring". Steht hinter Ihrer Rollenwahl eigentlich ein Konzept?

Martin Henderson: Ich möchte so viel wie nur irgend möglich ausprobieren. Egal ob Variation im Beruf, die Kulturen anderer Länder oder die Mentalität verschiedener Menschen: mich interessieren viele Dinge. Vermutlich resultiert diese Neugierde daher, dass ich in Neuseeland fernab von allem aufgewachsen bin.

Frage: Hollywood lag damals noch in weiter Ferne...

Henderson: Schauspieler zu werden war immer der große Traum. Mein Vorbild war Sam Neill, auch ein Neuseeländer, der in Hollywood den Durchbruch schaffte. Neulich wollte ich ihm auf einer Premiere sagen, welchen hohen Stellenwert seine Person in meinem Leben hat, aber als ich endlich vor ihm stand, brachte ich kein Wort heraus. (lacht)
United International Pictures (UIP)
Martin Henderson in Martin Henderson
Chancen in Hollywood praktisch bei Null
Frage: Dabei haben nun auch Sie den Sprung nach Hollywood geschafft.

Henderson: Aber der Weg dorthin war steinig. Als ausländischer Schauspieler liegen deine Chancen in Hollywood praktisch bei Null. Alle jammern über deinen Akzent, du hast keine Freunde aber dafür jede Menge Ärger mit der Green Card. Wer da kein Selbstbewusstsein hat, ist verloren.

Frage: Erzählen Sie uns mehr von diesem steinigen Weg!

Henderson: In New York musste ich in Bars und Restaurants arbeiten, obwohl ich doch eigentlich Filme drehen wollte. Als ich nach Los Angeles zog, wurde alles nur noch schlimmer. Ich hatte kein Geld, war obdachlos und bei den Castings musterte man mich, als würde ich zur Putzkolonne gehören. Ich war kurz davor, aufzugeben und nach Neuseeland zurückzuziehen. Schließlich wurde ich dann doch entdeckt.

Frage: Was bedeutet Hollywood heute für Sie?

Henderson: Die Erfüllung meines großen Traums. Wissen Sie, ich will nicht unbedingt berühmt werden. In Neuseeland war ich im Ensemble einer erfolgreichen TV-Serie und stand oft im Blick der Öffentlichkeit. Heut weiß ich: Das muss nicht sein. Ich möchte mich auf die Schauspielerei konzentrieren, auf das, was meinen Traum ausmacht. (Pause) Außerdem zahlt Hollywood gut. (lacht)
United International Pictures (UIP)
Martin Henderson und Naomi Watts in "Ring"
Kreativer Job
Frage: Warum wollten Sie denn unbedingt Schauspieler werden?

Henderson: Als kleines Kind dachte ich, dass es ein bequemer Job wäre, bei dem man ständig Spaß haben kann. Mit zunehmendem Alter hat sich meine Einstellung natürlich geändert: Heute ist Schauspielerei für mich ein sehr kreativer aber auch harter Job, verbunden mit einem nie endenden Lernprozess. Dazu gehört auch der Glaube an sich selbst.

Frage: Wie ausgeprägt ist dieses Selbstbewusstsein denn?

Henderson: Ich kenne mich sehr gut und weiß, wo meine Stärken liegen. Ich nehme mir sehr viel Zeit für mich. Das hilft. Ich fotografiere, schreibe oder meditiere. Inspirierend finde ich auch Ausflüge in die Wüste. Dieses öde Niemandsland erinnert mich an den Ozean in Neuseeland. Da sind fantastische Kombinationen aus Nihilismus und gigantischen Weiten.

Frage: Klingt nach einem Einzelgänger...

Henderson: Kommt darauf an. Die Meinung meiner Familie und meiner Agenten ist mir bei meinen Entscheidungen schon noch sehr wichtig.
Paramount Pictures
Martin Henderson in Ring (2002)
Sexszenen?
Frage: Sind Sie denn vergeben?

Henderson: Ja. Sie ist auch Schauspielerin. Aber über dieses Thema rede ich sehr ungern.

Frage: Also sind Sexszenen für Sie tabu?

Henderson: Nein, Sexszenen finde ich großartig. Allerdings fehlt dabei jede Spur von Romantik. Du liegst halbnackt auf einem Bett, und um dich herum ein ganzes Heer von Technikern, Schauspielern und Teammitgliedern. Jede Stellung wird detailliert geplant, nichts bleibt dem Zufall überlassen.

Frage: Haben Sie sich schon einmal bei einem Dreh verliebt?

Henderson: (Große Pause, Henderson grinst breit) Tja, so etwas kommt vor. Aber ist das verwunderlich? Bei all den hübschen Schauspielerinnen in Hollywood? Immerhin verbringt man während eines Drehs sehr viel Zeit miteinander. Aber wenn man wie ich schon eine Freundin hat, spielt das alles natürlich überhaupt keine Rolle. (lacht)

Frage: Sie sind sehr eng mit Heath Ledger befreundet. Wo haben Sie sich das erste Mal getroffen?

Henderson: Vor acht Jahren drehten wir gemeinsam eine Serie in Australien. Wir verstanden uns auf Anhieb gut und wurden Freunde. Als ich in die Filmmetropole Sydney zog, überredete ich ihn, dort auch sein Glück zu versuchen. Heath fand die Idee klasse, und wir zogen zusammen. Später schaffte er von dort aus den Durchbruch und ging nach Los Angeles.
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Naomi Watts in "Ring" (2002)
Dankbar für düstere Momente
Frage: Heute ist Heath Ledger einer der großen Nachwuchsstars in Hollywood - Sie hingegen haben den endgültigen Durchbruch noch vor sich. Was ist das für ein Gefühl?

Henderson: Für mich ist es eine Bestätigung dafür, dass in Hollywood auch aus einem Nicht-Amerikaner etwas werden kann. Bestätigung dafür, dass man nur an sich glauben muss. Ich freue mich sehr für Heath. Sein Weg war anfangs auch recht steinig. Heute bin ich für diese düsteren Momente übrigens sehr dankbar. Durch diese Erfahrungen kann ich meinen heutigen Erfolg viel mehr genießen.

Frage: "Ring" hat in Amerika gut 140 Millionen Dollar eingespielt. Was bedeutet das für Ihre Karriere?

Henderson: Ich arbeite hart an meiner Karriere, ein Kassenschlager wie "Ring" öffnet mir viele bisher verschlossene Türen. Vielleicht war die Rolle nicht sehr anspruchsvoll, aber ich muss eben auch darauf achten, dass ich in Blockbuster-Erfolgen mitspiele. Nur so komme ich vorwärts. Tiefgründige Filme kann ich dann spielen, wenn ich es zu etwas gebracht habe. Aber trotzdem achte ich auf eine gesunde Mischung.

Frage: Was ist Ihr nächstes Projekt?

Henderson: Ich habe gerade einen Actionfilm mit Ice Cube abgedreht. "Torque" ist vergleichbar mit "The Fast and the Furious", nur eben mit Motorrädern. Dieser Film hat mich an alte Zeiten erinnert, schließlich hatte ich früher selbst ein richtig schnelles Motorrad. Aber jetzt fahre ich nicht mehr. Zu gefährlich. Andere Verkehrsteilnehmer stellen ein zu hohes, nicht kalkulierbares Risiko dar. Jetzt segle ich lieber.

Frage: Wohin lassen Sie Ihr Schiff denn in Zukunft treiben?

Henderson: Irgendwann einmal zu einer eigenen Familie. Im Grunde bin ich ein ziemlich unkomplizierter Mensch, der sich mit wenig zufrieden gibt. Denn eigentlich sind es doch gerade die unscheinbaren Dinge, die man wirklich im Leben braucht.
erschienen am 27. Oktober 2022
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Geboren in Auckland, New Zealand.
2024