A Snake of June
Über die sexuelle Obsession
Feature: Nicht nur der Voyeur hat's schwer
Ein sichtbar gemachter Alptraum. So lässt sich wohl "A Snake of June" beschreiben, der jüngste Film von Shinya Tsukamoto. Für alle, die bei David Lynchs "Eraserhead" schon Erstickungsanfälle bekamen oder nach dem Kinobesuch spontan ihren Therapeuten konsultieren wollten, kann man guten Gewissens nicht zum Kino-Besuch raten, wenn "A Snake of June" gezeigt wird. Im Unterschied zu Lynchs verstörendem Film sind es hier jedoch die sexuellen Phantasien die zunächst unterdrückt und dann, unter Zwang, exzessiv ausgelebt werden.
erschienen am 20. 02. 2004
Vom Beobachtung zur Aktion: A Snake of June
Der Zwang kommt in Gestalt eines mysteriösen Anrufers (Shinya Tsukamoto), der die bis dahin geordnete, wenn auch sehr zwanghafte Welt von Rinko (Asuka Kurosawa) und Shigehiko (Yuji Kohtari) gehörig durcheinander bringt. Er, Shigehiko, verbringt sein Leben zwischen Arbeitsplatz und Putzeimer. Wann immer er nicht gerade arbeitet, wienert er wie wild die gemeinsame Wohnung.

Seine deutlich jüngere, äußerst attraktive Frau Rinko findet nichts dabei, dass er sie nicht berührt und sogar in getrennten Betten schlafen. Doch das ändert sich als eines Tages ein geheimnisvoller Voyeur Rinko ein Paket schickt. Darin sind Photos, in denen sie sich selbst befriedigt. Der Anrufer droht, alles ihrem Mann zu verraten, wenn sie nicht auf seine Forderungen eingeht, die - Überraschung! - natürlich die sexuellen Phantasien des Anrufers widerspiegeln. In der Folge zwingt er sie unter anderem, mit einem Vibrator in ihrem Geschlecht herumzulaufen und spielt bizarre Unterwerfungs- und Machtsituationen durch. Doch auch ihr putzwütiger, wunderbar verklemmter Ehemann wird mit den in seinem Fall mehr durch exzessive Gewalt geprägten Ritualen des Erpressers konfrontiert.
Yuji Kohtari gerät in A Snake of June mächtig unter Druck
Was auf den ersten Blick wie die verschwitzte Altherren-Phantasie eines tatsächlich bei den Frauen zu kurz Gekommenen aussieht, ist genau das nicht. Der Film verstört nachhaltig. Trotz der auch in unbekleidetem Zustand sehr anziehenden Yuji Kohtari würde er wahrscheinlich nur solche Menschen stimulieren, deren sexuelle Vorstellungen sich kaum mit dem geltenden Strafrecht in Einklang bringen ließen.

In eiskalten, schwarzblauen Bildern beobachtet Regisseur Tsukamoto die beiden eigentlich recht traurigen Hauptdarsteller bei ihrer nicht nur körperlichen Selbstentblößung. Wer sich tatsächlich "A Snake of June" antun will, muss das auf eigene Gefahr tun. Ein entspannter Kino-Abend steht ihm jedenfalls nicht bevor.
erschienen am 20. Februar 2004
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A Snake of June (Kinofilm)
Der ritualisierte Alltag des Ehepaares Rinko (Asuka Kurosawa) und Shigehiko (Yuji Kohtari) wird jäh gestört, als ein Voyeur die Ehefrau mit anzüglichen Fotos konfrontiert. Der Erpresser (Shinya Tsukamoto) dringt immer mehr in den Alltag des Ehepaares ein und zieht sie in einen Strudel aus Exhibitionismus und Voyeurismus. Über zehn Jahre lang brauchte Regisseur Shinya Tsukamoto, um sein Erotikdrama in die Realität umzusetzen.
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