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Academy of Motion Picture Arts and Sciences
Großer Gewinner Oscar 2005: Clint Eastwood
Hollywood liebt das Million Dollar Baby
Eastwood boxt sich zum Oscar
Der klare Gewinner der 77. Oscarverleihung vom 27. Februar 2005 ist Clint Eastwood. Sein "Million Dollar Baby" gewann zwar nicht die meisten, wohl aber die wichtigsten Preise. Martin Scorsese, der mit "Aviator" angetreten war, ging wie auch die deutschen Hoffnungsträger leer aus. Der im Vorfeld zum Unsicherheitsfaktor stilisierte Komiker Chris Rock zeigte sich weit zahmer als befürchtet und gehofft. Er moderierte eine leicht gestraffte aber nicht minder farblose Galaveranstaltung.
02. Mär 2005: Die Entscheidungen hatte sich im Vorfeld bereits abgezeichnet. Die Vorhersagen basierten dabei entweder auf die Gesetze der Mathematik oder der Tiefenpsychologie. Traditionsgemäß räumen die Filme mit den meisten Nominierungen auch die meisten und besten Preise ab. Was die Psychologie der über 5.800 Juroren angeht ist bekannt, dass Oskarentscheidungen aber auch mit dem Bauch und nicht nur mit dem Kopf getroffen werden. Im Hinblick auf die 77. Oscarverleihung bedeutete dies, dass Martin Scorseses "Aviator" mathematischer und Clint Eastwoods "Million Dollar Baby" emotionaler Favorit waren.

Nach der gewohnt monotonen Galaveranstaltung, die vom vermeintlich unbequemen Komiker Chris Rock moderiert wurde, sind nun alle um eine Erkenntnis reicher: Die Juroren lassen sich doch eher von ihren Bäuchen leiten. Clint Eastwoods Boxerdrama "Million Dollar Baby" ist mit vier Auszeichnungen der Abräumer der begehrtesten Preise. Der noch immer verschmitzt lächelnde "Dirty Harry" nahm die Trophäen für den besten Film und die beste Regie entgegen. Hilary Swank wurde als beste weibliche Hauptdarstellerin und Morgan Freeman als bester männlicher Nebendarsteller prämiert. Das Underdogdrama ist laut vielen Beobachtern deshalb zum Gewinner gekürt worden, weil es im Gegensatz zu Martin Scorseses Epos eine Vielzahl an liebenswerten Figuren anbiete. Gegen Sozialverlierer, die auf dem Boxring ums Überleben kämpfen ist mit dem egomanischen Zwangsneurotiker Howard Hughes in der Tat kein Blumentopf zu gewinnen.

Scorsese, der mit seinem Mammutwerk "Aviator" elf Mal nominiert war, wurde konsequent bei den wichtigen Auszeichnungen ignoriert. Wenn man bedenkt, dass der arme Marty, wie der Regisseur in Fachkreisen liebevoll genannt wird, bereits sechs Mal für die beste Regie nominiert war und bisher immer leer ausgegangen ist, dann bekommt die erneute Entscheidung gegen ihn eine fast dramatische Dimension. Anders als vor zwei Jahren, als "Gangs of New York" unberücksichtig blieb, hat der kleine Italoamerikaner auf die Preisbekanntgabe gefasst reagiert. Er hat sich, wenn man seiner Körpersprache vertrauen darf, sogar für den Kollegen Eastwood gefreut und ihm unter der dicken Hornbrille zugeblinzelt. Die Filmbiographie über den steinreichen Womanizer und Flugpionier Howard Hughes hat die Juroren immerhin in fünf Kategorien, darunter dem bester Schnitt, der besten Kamera, der besten Ausstattung und der besten Nebendarstellerin (Cate Blanchetts) überzeugt. Hughes-Darsteller Leonardo Di Caprio musste zusehen, wie Kollege Jamie Foxx für seine Darstellung von Ray Charles als bester männlicher Hauptdarsteller prämiert wurde.

Martys Truppe ist aber nicht die einzige, die auf der Oscar-Show desillusioniert in die Wirklichkeit zurückgeholt wurde. Die deutschen Anwärter - etwa die Macher von Oliver Hirschbiegels Bunkerdrama "Der Untergang" - mussten erleben, wie der Spanier Alejandro Amenábar für das Euthanasiedrama "Das Meer in Mir" als bester nicht englischsprachiger Film ausgezeichnet wurde. Leer gingen auch zwei Ex-Studenten der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) aus, die mit ihrer Dokumentation "Die Geschichte vom weinenden Kamel" angetreten waren.

Mit der Oscarverleihung erreicht die frühjährliche Vergabe amerikanischer Filmpreise ihren Höhepunkt. Dass Glamour zwar sehenswert, jedoch nicht immer unterhaltsam ist, belegt die routinierte Eintönigkeit, mit der die Show abgenudelt wurde. Obwohl die Veranstalter mit der Programmstraffung gehofft hatten, mehr Tempo in den Abend zu bringen, kam es nicht zum gewünschten Effekt. Die Nominierten wurden in zwei Hierarchieklassen unterteilt. Je nach dem ob die Kategorie von allgemeinem Interesse war, wurden den Preisträger ihre Goldenen Männchen noch im Zuschauerraum entgegen gestreckt. So wurden die Kurzfilmmacher als auch die Sieger der Kategorie für die Beste Maske geehrt. Sie durften sich an ihren Plätzen erheben und sich artig bedanken, ein Auftritt auf der Bühne blieb ihnen verwehrt. Trotzt aller organisatorischen Mühen kam keine Stimmung auf. Die Sieben-Sekunden-Verzögerung, mit der die Fernsehbilder die Haushalte erreicht haben um die Skandalfreiheit zu garantieren, war überflüssig. Aufmüpfiges oder gar Skandalöses waren nirgends zu hören. Selbst die Abendgarderobe - stets ein Garant für provinzielle Empörung - bot keinen Anlass für Aufregung. So hat man sich inmitten des beherrschten Gejauchze mehrmals gewünscht, Michael Moore möge auftauchen und die ganze Mischpoke - wie 2004 geschehen - mit seinen kritischen Statements aufmischen.
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