Joan Crawford
Stutenbissige Rabenmutter
Retro Feature: Joan Crawford: Star im Seidenrock
Joan Crawford gehört zu den ersten großen Stars, die das Hollywoodkino hervorgebracht hat. Aus ärmlichen Verhältnissen steigt sie mit eisernem Willen in den Kreis der begehrtesten Schauspielerinnen auf. Beeindruckend die Wandlungsfähigkeit, mit der aus dem frechen Mädchen des boomenden Kinos der 1920er Jahre der Star des sozialkritischen Melodrams der 1930er und die Charakterdarstellerin des Film Noirs wird. Die medienwirksame Inszenierung ihres Privatlebens bekommt erste Risse, als Adoptivtochter Christina 1978 ihre Kindheitserinnerungen unter dem Namen "Meine liebe Rabenmutter" veröffentlicht.
erschienen am 1. 05. 2022
Film und Frau
Joan Crawford hat Wendell Corey fest im Griff
Geboren zwischen 1904 und 1908?
Über das Geburtsjahr der späteren Joan Crawford und geborenen Lucillle Fay LeSueur gibt es widersprüchliche Angaben. Irgendwann zwischen 1904 und 1908 kommt Joan zur Welt und wächst Vaterlos in ärmlichen Verhältnissen auf. Als Kind tritt sie in eine Glasscherbe, die Ärzte prophezeien ihr, sie werde nie wieder ohne Krücken gehen können. Das eigensinnige Mädchen übt stundenlang, nicht nur, um wieder ohne Schmerzen auftreten zu können, sondern um ihren Traum erfüllen zu können: sie will Tänzerin werden.

Also verlässt sie gegen den Rat ihrer Lehrer die Schule, tritt auf Chicagoer Showbühnen auf und bekommt schließlich ein Engagement am Broadway. Hier rekrutiert die aufstrebende Filmindustrie Hollywoods seine Schauspieler. Die eben erst gegründeten MGM Studios engagieren das junge Starlet im Jahr 1924.
Filmrevue
Die Diva in einer Szene "Das Haus am Strand".
Aschenputtel auf dem Weg zum Tonfilm
Wie zu dieser Zeit üblich, bekommt auch die junge Tänzerin einen umfangreichen Vertrag, der ihr unter anderem vorschreibt, wann sie abends Zuhause sein muss. Eine Alternative für den sperrigen Namen LeSueur wird per Preisausschreiben gesucht und gefunden: als Joan Crawford feiert sie 1928 in "Our Dancing Daughters" ihren Durchbruch und wird zugleich auf den Rollentyp der kecken, selbstbewussten Frau der 1920er Jahre festgelegt.

Eine Liaison mit Schauspieler Douglas Fairbanks Jr., die in eine vierjährige Ehe mündet, sorgt für zusätzliche Publicity. Mit dem Aufkommen des Tonfilms geraten reihenweise Konkurrentinnen wegen schlechter Stimmen oder schlechter Aussprache ins Abseits. Crawford beweist hingegen, dass sie sogar ganz passabel singen kann. Mit der Weltwirtschaftskrise sind neue, sozialkritischere Themen gefragt und die Aufsteigerin aus den Armenvierteln von Chicago bekommt Aschenputtel-Rollen als Arbeitermädchen, das mit seiner Liebe soziale Schranken überwindet.
Film und Frau
Die Harmonie zwischen Joan Crawford und Wendell Corey ist dahin
Rolle der aufopferunden Mutter
Als MGM mit Katharine Hepburn auf ein neues Gesicht setzt, wechselt Crawford 1943 nach über 18 Jahren zu Warner Studios. Mit neuem Look und neuen Rollenprofil als aufopferungsvolle Mutter feiert der ausgemusterte Star 1945 in "Solange ein Herz schlägt" ein sensationelles Comeback und wird mit dem Oscar als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet. Aber auch bei Warner bleibt sie nicht ohne Konkurrenz. Rangeleien mit Bette Davis machen Schlagzeilen. Diese wirft Crawford vor, Affären mit ihren Filmpartnern zu haben. Die Retourkutsche bekommt sie bei der Oscarverleihung 1962, als Bette Davis gemeinsam mit Anne Bancroft als beste Hauptdarstellerin nominiert ist.

Bancroft, die verhindert ist, hat ausgerechnet Crawford gebeten, die Trophäe an ihrer Stelle in Empfang zu nehmen. Als bekannt gegeben wird, dass Bancroft den Oscar tatsächlich gewonnen hat, soll Crawford zu Bette Davis getreten sein, sie beiseite geschoben haben und gesagt haben: "Entschuldigen Sie mich, ich muss einen Oscar entgegen nehmen."
Filmrevue
Joan Crawford und Jeff Chandler zwischen Hass und Liebe.
Verbitterte Übermutter
Abfällige Äußerungen der aus der Mode gekommenen Diva gegenüber ihren Nachfolgerinnen sind keine Seltenheit. Nach Marilyn Monroe gefragt, sagt sie zu einem Reporter: "Sehen Sie, mit meinen Brüsten ist alles in Ordnung, aber ich gehe nicht umher und halte sie jedem unter die Nase!". Nur Faye Dunaway schätzt sie und lobt sie gar öffentlich.

Eben die verkörpert Crawford 1981 in "Meine liebe Rabenmutter", der Verfilmung einer Autobiographie ihrer Adoptivtochter Christina. Diese erhebt darin schwere Vorwürfe gegen ihre pedantische Mutter, die ständig die Hände wäscht und Besuchern hinterher putzt. Niemals hätte sie eine Zigarette aus einer Schachtel angerührt, die sie nicht selbst geöffnet hat. Immer schläft sie in weißen Pyjamas und nach dem Tod ihres fünften und letzten Mannes Alfred Steele, des Aufsichtsratsvorsitzenden des Getränkeherstellers Pepsi, legt sie noch lange Zeit bei Tisch ein extra Gedeck für ihn auf. Christine und drei weitere Adoptivkinder dienen ihr bei der Inszenierung des perfekten Heims als Staffage. 1949 wird die Weihnachtsfeier der Familie Crawford landesweit im Radio übertragen. Alles ist gestellt. Selbst die Kinder sprechen einstudierte Dialoge.
Film und Frau
Joan Crawford und Wendell Corey als Ehepaar Craig in "Die Lügnerin"
Vor sich selbst erschrocken
Mit den Jahren erscheint Joan Crawford auch nach außen hin zunehmend kühler und verhärteter. François Truffaut sagt in einer Rezension, sie sei unwirklich geworden, ein Phantom ihrer selbst. Ihre Augen seien beinahe weiß, die Gesichtsmuskeln ständig angespannt, ein eiserner Wille bestimme ihre Erscheinung. Ihre späten Filme sind billig produzierte Horror-Filme, die sie selbst nicht mag.

Als sie 1974 unvorteilhafte Fotos von sich in der Presse sieht, zieht sie sich vom Film zurück. Gerüchte über ihre Alkoholkrankheit und die Hinwendung zu christlichen Sekten bestimmen ihre späten Jahre. Eigensinn und Stolz beweist die Unnahbare selbst auf dem Totenbett. Ihren Haushälter, der für sie beten will, fährt sie mit dem Ausruf an: "Wag es nicht, Gott zu bitten, mir zu helfen!" Es sollen ihre letzten Worte gewesen sein. Beim ihrem Erbe gehen zwei der vier Kinder leer aus, die anderen beiden bekommen ein Almosen von gerade mal 77.500 US-Dollar.
erschienen am 1. Mai 2022
Zum Thema
Joan Crawford führte ein glamouröses Leben. Dank ihres blendenden Aussehens und ihrer Tanzkünste kam sie sehr schnell zum Film. So war es auch ein Tanzdrama, dass ihr den filmischen Durchbruch verschaffte: "Our Dancing Daughters" von 1928 machte sie zu dem, was sie immer werden wollte, zum Star. In den folgenden Jahren stieg Joan Crawford steil nach oben und ergatterte Spitzenrollen in großen Klassikern wie "Menschen im Hotel" und "Solange ein Herz schlägt". Hierfür erhielt sie schließlich den..
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