20th Century Fox
Peter Cattaneo
Nackte Männer sind gefährlich
Interview: Peter Cattaneos Strip-Komplexe
Peter Cattaneo gelang 1997 mit "Ganz oder gar nicht" ein richtiger Kassenknüller. Die Komödie um eine Gruppe strippende Männer entwickelt eine Eigendynamik und inspirierte zahlreiche Filmemacher zu ähnlichen Projekten. Um Cattaneo wurde es allerdings etwas ruhiger. 2009 kommt mit "The Rocker" eine weitere Komödie von ihm in die Kinos - und wieder mit zumindest einem nackten Mann. Warum sich der Regisseur erneut für eine Stripszene entschied und weshalb nackte Männer für ihn gefährlich werden können, erzählt er uns in einem entspannten Interview in einem Londoner Hotel.
erschienen am 30. 01. 2009
20th Century Fox
The Rocker
Ricore: Wie kam Ihre Arbeit zu "The Rocker" zustande?

Peter Cattaneo: Der Produzent schickte mir das Drehbuch bereits in der Vorbereitungsphase. Den Studios gefiel es sehr gut und auch ich fand es erfrischend. Sie hatten sich bereits auf Rainn Wilson für die Hauptrolle geeinigt. Ich empfand es als angenehm, dass die wichtigsten Vorbereitungen schon getroffen waren, so musste ich nicht mehr so viel machen. Und mit der Wahl von Rainn Wilson war ich sehr zufrieden.

Ricore: Warum haben Sie den Film in den USA gedreht? Sie hätten ihn doch genauso gut in Ihrer Heimat drehen können…

Cattaneo: Ja, den Film hätte man auch in Großbritannien machen können. Das hätte keinen Unterschied gemacht. Vor allem aufgrund dieser Pete-Best-Geschichte. Doch in den USA ging es auch sehr gut.

Ricore: Sie erwähnen Pete Best. Wo ist er? War es schwer an ihn heranzukommen?

Cattaneo: Das ist ein Geheimnis. Schauen Sie sich den Film an oder kaufen Sie die DVD (lacht), dann finden Sie es heraus. Nein, es war nicht schwer. Einer der Produzenten stellte den Kontakt mit ihm her. Wir erzählten ihm, wie toll es wäre, wenn er mitspielen würde und dass wir schon am Drehen seien. Er sagte "Ich komm' vorbei", und er kam vorbei. Jetzt ist er im Film zu sehen.

Ricore: Spielt Musik in Ihrem Leben eine Rolle?

Cattaneo: Eine sehr wichtige. Wie viele andere höre ich ständig Musik und gehe auf Konzerte. Ich spiele selbst Gitarre, allerdings sehr schlecht. Meine beiden Söhne sind acht und zehn Jahre alt und ebenfalls an Musik interessiert. Sie nehmen auch Gitarrenunterricht.
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Rainn Wilson zeigt Haut
Ricore: Was ist ihr Musikstil?

Cattaneo: Meistens höre ich Indierock. Ich versuche auf dem neusten Stand zu bleiben. Musik ist mir sehr wichtig. Manchmal geschieht es auch, dass ich bereits während des Drehbuchlesens über den Soundtrack nachdenke.

Ricore: Die Stripszenen in "The Rocker" ähnelt doch sehr stark jener aus "Ganz oder gar nicht".

Cattaneo: In "The Rocker" dauert die Szene etwas länger, Rainn musste einige Stunden herumstehen. Die Reaktion des Publikums wird eine andere sein. In "Ganz oder gar nicht" wusste hingegen jeder, das dieser Strip kommen würde, und war dementsprechend auch nicht mehr überraschend. Ich denke schon, dass diese Szene in "The Rocker" einige Leute überraschen wird. Aber ich muss damit aufhören, meine Schauspieler in meinen Filmen strippen zu lassen.

Ricore: Zu Beginn der Produktion trug der Film den Arbeitstitel "The Naked Drummer", zu deutsch "Der nackte Drummer". War die Änderung des Titels eine Entscheidung von Fox?

Cattaneo: Ich will nicht, dass man mir nachsagt, dauernd Sachen mit nackten Kerlen zu machen. Das könnte gefährlich werden. Von daher bin ich froh, dass der Film nun "The Rocker" heißt. Das ist einfach und aussagekräftig. "The Naked Drummer" beschreibt nur einen kleinen Teil des Films, das wäre unpassend.
20th Century Fox
Peter Cattaneo
Ricore: Er beschreibt jenen Moment, in dem der Drummer im Internet entdeckt wird…

Cattaneo: Ja, das ist ein kleiner aber auch elementarer Teil der Geschichte.

Ricore: Wie kamen Sie eigentlich zum Film?

Cattaneo: Ich habe großes Glück gehabt. Ich war auf einer Filmschule. Dort hat man mir beigebracht, wie man Regisseur wird. Und als ich die Schule verließ, fing ich direkt an, als Regisseur zu arbeiten. Es gab natürlich Zeiten, in denen es nicht so gut lief. Doch seitdem habe ich nichts anderes gemacht, als Filme zu drehen - die unterschiedlichsten Sachen. Ich habe beispielsweise Ausbildungsvideos gemacht, wie man Barkeeper wird und solche Sachen.

Ricore: Stimmt es, dass Sie in einer Farbfabrik gearbeitet haben?

Cattaneo: Nein. Mein Vater war Italiener, er hat in einer solchen Fabrik gearbeitet.

Ricore: "The Rocker" wird wahrscheinlich Ihr größter Publikumserfolg seit "Ganz oder gar nicht".

Cattaneo: Das habe ich schon oft gehört. Ich fühle mich aber vollkommen unbeschwert. "Ganz oder gar nicht" war toll. Doch danach beschäftigte ich mich zu sehr mit Geldfragen oder was für einen Film ich als nächstes machen sollte. Nun, mit mehr Erfahrung genieße ich einfach das Filmemachen. Ich mache mir nicht mehr so viele Gedanken.
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Christina Applegate und Rainn Wilson
Ricore: "Ganz oder gar nicht" entwickelte damals eine Eigendynamik, der Film verselbständigte sich.

Cattaneo: Ja, er war unaufhaltsam. Wenn ich älter gewesen wäre, hätte ich den Erfolg mehr genießen können.

Ricore: Bekommen Sie jetzt mehr Drehbücher, insbesondere aus Hollywood?

Cattaneo: Sie meinen seit "The Rocker"?

Ricore: Ja.

Cattaneo: Ja, es hat sich tatsächlich etwas geändert. Vor allem die Leute in Hollywood haben ein Kurzzeitgedächtnis. Ich war bereits für ein weiteres Projekt in Los Angeles, das hat letztlich aber nicht geklappt. Aber den Leuten ist lieber, dass man vor Ort ist. Sie erkennen das Gesicht dann wieder.

Ricore: Bei den Dreharbeiten für "The Rocker" wurde viel improvisiert und spontan gedreht. Gefällt Ihnen diese Arbeitsweise?

Cattaneo: Ja, absolut. Auf diese Art und Weise habe ich schon in früheren Projekten gearbeitet. Ich arbeite gerne mit großen Schauspielern zusammen, lasse sie ihre Stärken ausspielen. Ich mag Schauspieler, die improvisieren können, einen Theaterhintergrund haben. Gerade britische Schauspieler können das. Doch auch in Amerika gibt es eine gewisse Improvisationstradition. Bei Stand-up Comedians beispielsweise oder im Fernsehen, wenngleich dort auch mehr nach Drehbüchern gearbeitet wird. Ich mag es, wenn das Spiel lebendig und erfrischend ist.
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Rainn Wilson in "The Rocker"
Ricore: Ist Rainn Wilson ein guter Improvisator?

Cattaneo: Ja, er ist gut. Die Kunst liegt darin, zu improvisieren und anschließend wieder zum Drehbuch zurückzufinden. Die nächste Szene muss ja wieder passen.

Ricore: Welche ist Ihre improvisierte Lieblingsszene in "The Rocker"?

Cattaneo: Es ist ein Satz, keine Szene. Und zwar: "Ich würde gerne neun Monate in Dir verbringen." Es war toll, man konnte sehen, wie die Schauspieler alle dachten "Das hat er jetzt nicht wirklich gesagt!"

Ricore: Könnten Sie sich vorstellen, ganz in Hollywood zu arbeiten?

Cattaneo: Ich liebe London, habe meine Familie und meine Freunde hier. Ich habe große Schwierigkeiten mit dem Jetlag. Wenn ich in Hollywood arbeite, sind vier Flüge vertraglich vorgesehen.

Ricore: Nur vier Flüge, wenn Sie in Los Angeles drehen? Das reicht?

Cattaneo: Ja, es ist Teil des Vertrags. Aber ich genieße die Arbeit dort, es ist eine richtige, eigenständige Industrie.

Ricore: Vielen Dank für das Interview.
erschienen am 30. Januar 2009
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Regisseur Peter Cattaneo wurde schon 1990 mit seinen Kurzspielfilm "Dear Rosie" für einen Oscar nominiert. Sieben Jahre später konnte er mit "Ganz oder gar nicht" seinen größten Erfolg verbuchen. Die Komödie kostete 3,5 Millionen Dollar und wurde in nur 40 Tagen gedreht. Weltweit spielte sie über 195 Millionen Dollar ein und erhielt einen Oscar für die beste Musik. Hauptdarsteller Robert Carlyle wurde über Nacht zum Star.
The Rocker (Kinofilm)
Fish (Rainn Wilson) ist Schlagzeuger aus Leidenschaft. Er träumt von der großen Karriere und von Scharen jubelnder Fans. Sein Traum platzt, als ihn seine Bandkollegen aus der Band kicken. Jahre später erhält Fish eine zweite Chance als Drummer. Peter Cattaneo konnte es sich auch in der Komödie nicht verkneifen, nackte Haut zu zeigen. Dieser einen, einprägsamen Szene hat es der Film zu verdanken, dass der Titel in nordischen Ländern in "The Nacked Drummer" geändert wurde.
2024