United International Pictures (UIP)
George A. Romero
Das Maß aller Dinge
Interview: George A. Romeros Zombievision
George A. Romero begründet mit seinem Erstlingsfilm "Die Nacht der lebenden Toten" (1968) einen neuen Zombie-Boom. Zwischen seinen Zombie-Filmen liegen immer zehn Jahre - bis "Diary of the Dead" gerade mal zwei Jahre nach "Land of the Dead" (2005) entstand. 2009 folgt der bislang sechste und letzte Teil der "Dead"-Reihe, "Survival of the Dead". Doch wie er uns vertraulich mitteilte, sicherlich nicht der letzte. Denn sein Plan umfasst weitere drei, vielleicht sogar vier Filme. Eine gute Nachricht für alle Zombie-Fans!
erschienen am 6. 05. 2010
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Survival of the Dead
Ricore: "Survival of the Dead" ist nun schon Ihr sechstes "Dead"-Abenteuer. Folgen weitere?

George A. Romero: (lacht) Vielleicht. Zwischen meinen Zombie-Filmen liegen ja nie weniger als zehn Jahre. Und jeder von ihnen spiegelt gewissermaßen die Stimmung der jeweiligen Dekade wieder. Das war Teil der Idee hinter den Filmen.

Ricore: Nach "Land of the Dead" im Jahr 2005 hat sich das Blatt aber gewandt...

Romero: Ja, wir steckten gerade mitten in den Vorbereitungen zu "Land of the Dead", da hatte ich plötzlich das Gefühl, etwas über die Explosion dieser Neuen Medien machen zu müssen. Das war mir ein persönliches Anliegen, weshalb ich den Film sehr schnell realisieren wollte. Wir trafen die Entscheidung, dass "Diary of the Dead" ein Low-Budget-Film werden sollte. Das war gut, denn dadurch habe ich nicht Jahre vergeudet, um ein Konzept auszuarbeiten (lacht). Wir haben das Geld zusammengekratzt und dann einfach und schnell gedreht.

Ricore: Waren Sie überrascht, dass "Diary of the Dead" ein derart großer Erfolg wurde?

Romero: Ja, dass er weltweit so erfolgreich wurde, hat überrascht. Zum finanziellen Erfolg trug natürlich die Tatsache bei, dass wir ihn mit wenig Geld realisiert haben. Durch dieses Erfolg habe ich mich plötzlich mit einer ganz neuen Situation konfrontiert gesehen: Ich fühlte mich beinahe dazu genötigt, schnellstens einen weiteren Zombie-Film zu machen (lacht). Sie müssen wissen, die Produzenten hatten die Rechte daran, und wenn ich den Film nicht gemacht hätte, hätten sie ihn mit einem anderen Regisseur realisiert. Das konnte ich natürlich nicht zulassen. Ich überlegte mir damals, ob ich nicht vielleicht eine Serie von Filmen machen sollte, in denen Nebencharaktere aus "Diary of the Dead" vorkommen und ihre jeweils eigenen Abenteuer erleben. Eine Reihe aus drei oder vier Filmen, die in ihrer eigenen Welt spielen und in der ich meine eigenen Zombie-Regeln aufstellen kann.

Ricore: Eigene Zombie-Regeln?

Romero: Ja, dass sie beispielsweise auch etwas anderes als Menschenfleisch essen (lacht). Ich weiß natürlich nicht, ob ich noch drei oder vier weitere Filme drehen kann. Wenn "Survival of the Dead" genug Geld einspielt, dann ja. Ich habe schon viele Ideen in meinem Kopf, die ich filmisch gerne umsetzen würde. Ich muss zugeben, dass ich diese Filmreihe wirklich sehr gerne machen würde.
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Romeros Zombies: langsam und ungefährlich
Ricore: "Survival of the Dead" würde in diesem Fall den Beginn einer neuen Reihe markieren?

Romero: Ja, und es würden noch rund drei weitere dazukommen, die allerdings zusammenhängen. Wenn man so will, kann man sie auch als einen Film sehen.

Ricore: Ihre Zombies werden aber weiterhin Menschenfleisch essen?

Romero: Das weiß man nicht so genau. Am Ende von "Survival of the Dead" fällt ein Zombie ein Pferd an und frisst sein Fleisch. Aber niemand bemerkt dies.

Ricore: Sehr ironisch!

Romero: Aber genau das ist es. Ich liebe die Ironie hinter "Survival of the Dead", denn den ganzen Film über wollen Menschen den Zombies beibringen, etwas anderes als Menschenfleisch zu fressen. Als es dann aber geschieht, bemerken sie es nicht. Man könnte dies auch als eine der Kriegstragödien bezeichnen.

Ricore: Es wird sich also nichts Grundlegendes verändern?

Romero: Nun ja, mir gefällt die Idee, einen Schritt weiter zu gehen, etwas Neues zu entwickeln. Aber ich werde nicht meine Zombie-Welt umschreiben und ihnen plötzlich Macht über die gesamte Menschheit verleihen.
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Szene aus: Survival of the Dead
Ricore: Das heißt, Sie bleiben Ihrem Stil treu und Ihre Zombies werden auch weiterhin langsam und behäbig sein.

Romero: Genau. Ich mag keine schnellen, hektischen Zombies. Das ist für mich ein Widerspruch. Wenn jemand tot ist, kann er sich nicht schnell bewegen. Ich bleibe lieber bei meinem alten Ansatz, der mich nun schon seit über 40 Jahren begleitet (lacht).

Ricore: Sie sind ein Vorbild für viele Filmemacher, die sich Ihrem Stil bedient haben. Ehrt Sie dies?

Romero: Natürlich freut man sich darüber, aber ich sehe mich selbst nicht als Vorbild. Ich habe einfach Spaß daran, meine kleinen Fantasy-Filmchen zu drehen, die sich strenggenommen immer um Menschen drehen, nicht um Zombies. Sie sind nur eine Beigabe. Genauso gut könnte ich einen Hurricane oder ein Erdbeben anstelle der Zombies einsetzen. Ich liebe das Genre schon seit meiner Kindheit. Daher genieße ich es in vollen Zügen, das Horrorelement in meinem Filmen einzusetzen. Vielmehr geht es mir aber darum, Geschichten zu erzählen. Über Menschen und ihre Fehler, ihre Schwächen. Sie mit ihrem Ebenbild zu konfrontieren. Das hat sich in all meinen sechs "Dead"-Filmen wie ein roter Faden durchgezogen.

Ricore: Manchmal erweckt es gar den Anschein, dass die menschliche Rasse weitaus gefährlicher ist, als die Zombies. Menschen werden stets als grausam, brutal, egoistisch dargestellt.

Romero: Ja, das ist der zentrale Punkt - auch in "Survival of the Dead". Wir Menschen können unsere Gewohnheiten nicht ablegen. Selbst wenn sich die Welt kurz vor dem Kollaps befindet.

Ricore: Dabei habe ich das Gefühl, dass "Survival of the Dead" nicht so sehr in gesellschaftskritischen Botschaften aufgeht, wie frühere Filme.

Romero: Das stimmt, ich habe mich in diesem Fall bewusst oberflächlich und generell gehalten. Die Handlung kann man nicht ummünzen auf eine aktuelle Situation. Ich habe versucht, ihm ein zeitloses Gesicht zu geben und kombinierte Elemente eines, sagen wir, antiquierten Westerns (lacht).
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George A. Romero
Ricore: Manchmal hat man sogar das Gefühl, dass Ihre Zombies mehr Persönlichkeit haben, als Ihre Menschen?

Romero: (lacht) Ich sympathisiere sehr mit meinen Zombies und habe immer versucht, ihnen eigenständige Persönlichkeiten zu geben, und wenn es nur durch ihre Kleidung war. Ich finde, man soll sich immer daran erinnern, dass sie einst wie wir waren, dass sie Menschen waren. Ich diskutiere oft mit meinen Ausstattern über die Garderobe der Zombies, das ist tatsächlich ein großes Thema.

Ricore: Ob Zombies oder Vampire, das Genre erlebt einen neuen Boom. Wie erklären Sie sich das?

Romero: Das hat vor allem mit Geld zu tun. Tatsächlich gibt es viel mehr Videospiele, die sich Zombies bedienen als Filme. Bislang fallen mir nur zwei Kinofilme ein, die wirklich sehr erfolgreich liefen. Das war einmal das Remake von "Dawn of the Dead" und "Zombieland". Letzterer war sogar ein Blockbuster. Generell aber gab und gibt es nicht viele erfolgreiche Zombiefilme, die unser Kulturverständnis geändert hätten. Das spielt sich eher auf der Ebene der Videospielkultur ab. Der Grund, warum Zombies allerdings immer populärer werden, ist leicht erklärt: Mittlerweile kennt jeder die Spielregeln, genauso wie bei Vampiren. Man weiß wie sie ticken, wie sie sich verhalten, was sie mögen und was nicht. Heute ist es einfach, einen für jedes Publikum verständlichen Zombiefilm zu drehen.

Ricore: Was halten Sie von Zombiefilmen wie der "28 Days Later"-Reihe?

Romero: Ich schätze diese Filme, obwohl die darin vorkommenden Gestalten in meinen Augen keine Zombies sind. Sie sind ja nicht tot. Sie haben eine andere Lösung gefunden, nämlich mit einer Art Zorn und Hass infizierte Menschen, die dann eben ausrasten. Ich bevorzuge die Idee, dass wir irgendwie bestraft werden und dass die Toten nicht tot bleiben. Das ist ein großes Mysterium, niemand hat eine Lösung für dieses Problem, das die Welt verändern wird. Wir Menschen lehnen Veränderungen lieber ab, als dass wir uns neuen Situationen stellen. Wir wollen vor allem nicht uns selbst verändern.

Ricore: Sie sagten einst, um Filme zu drehen, muss man beobachten können. Sind Sie ein guter Beobachter?

Romero: Ich hoffe es. Vor allem wenn man im Bereich Fantasy arbeitet, sollte man gut beobachten können. Ich bin mir aber auch bewusst, dass dies viele Filmemacher gar nicht interessiert. Ich finde, ein Film ohne Botschaft, ob sie nun politisch oder sozial ist, ist verschwendete Zeit. Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich mich durch Filme ausdrücken, dass ich meine Ansichten über die Menschheit auf diesem Weg kundtun kann.

Ricore: Werden Sie von der Menschheit enttäuscht?

Romero: Tatsächlich werde ich ständig vom menschlichen Verhalten auf der ganzen Welt enttäuscht. Daher ist es schön, eine Plattform zu haben, auf der ich mich austoben und mittels derer ich meine persönlichen Ansichten wiedergeben kann.
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George A. Romero's Diary of the Dead
Ricore: 1973 entstand unter Ihrer Regie "Crazies", 2010 kommt ein Remake davon in die Kinos. Was halten Sie davon?

Romero: Ich persönlich sehe keine Notwendigkeit von Remakes. Und ganz oft funktionieren sie auch nicht. Als wir damals "The Crazies" gedreht haben, war das eine ganz besondere Zeit: Der Vietnamkrieg tobte. Wir waren verärgert über den Staat, das Militär, einfach alles. Wir hatten also einen deftigen Grund, den Film zu drehen. Die Macher des Remakes scheinen die damaligen Gründe für den Dreh einfach zu ignorieren. Sie verpassten dem Film ein neues Gesicht, mit mehr Horror, mehr Action, bessere Spezialeffekte. Alles soll größer werden. Das scheint das einzige zu sein, was sie interessiert. Natürlich hat man heute bessere Mittel zur Hand, CGI und so weiter. Aber darüberhinaus darf man den Film und seine Handlung nicht vergessen. Auch ich frage mich, was in den Köpfen der Leute vorgeht, die Remakes machen. Vielleicht fühlen Sie sich sicherer, wenn sie einen etablierten Titel neu auflegen, anstatt einen neuen Film zu inszenieren.

Ricore: Käme ein Remake für Sie je in Frage?

Romero: Ich weiß es nicht. Wenn mir ein alter Film derart gut gefällt, dass ich mir denke, ich könnte ihn besser machen, gleichzeitig aber seine Wurzeln und seine Originalität respektiere, vielleicht. Ich weiß es nicht. Sehr oft aber wird nicht mit dem nötigen Respekt an die Sache herangegangen.

Ricore: Haben Sie das Remake Ihres Films "The Crazies" gesehen?

Romero: Ja. Regisseur Breck Eisner hat seine Sache gut gemacht, aber ehrlich gesagt verstehe ich nicht den Sinn darin nicht. Er ist anders an die Sache herangegangen, weshalb der Film auch komplett anders ist als unserer.

Ricore: Ärgert es Sie, dass beispielsweise das Budget für das Remake "The Crazies" um ein Vielfaches höher war, als Sie damals zur Verfügung hatten?

Romero: Ich hatte immer das Gefühl, dass wir zu wenig Geld hatten. Aber das geht jeden so. Heute bin ich aber zufrieden, denn ich habe das Gefühl, dass ich das Beste aus der jeweiligen Situation mit dem jeweiligen Geld herausgeholt habe. Ich würde nie einen Film neu machen, nur um ihn mit mehr Geld zu realisieren. Er hätte dann keine Seele mehr. Man macht ja einen Film, da man zu einer bestimmten Zeit eine besondere Idee hat oder von etwas inspiriert wurde. Man kommt nicht zehn Jahre später an und sagt, ich mache ihn nochmal nur mit mehr Geld. Aber natürlich habe ich mir in meiner Karriere oft gewünscht, mehr Geld zur Verfügung zu haben. Aber wenn ein Film abgeschlossen ist, mit welchem Etat auch immer, dass ist die Sache für mich erledigt.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 6. Mai 2010
Zum Thema
Niemand hat ein Genre derart geprägt wie Autor, Regisseur und Schauspieler George A. Romero. Nicht umsonst wird der Amerikaner bis heute der 'Grandfather of the Zombie' genannt. Die Zombie-Manie begann 1968 mit "Die Nacht der lebenden Toten". Danach gab es kein Halten mehr. Durch das Original inspirierte bis heute hunderte Filme, die sich Romeros Zombie-Bild als Vorbild nehmen. Er ließ meist zehn Jahre und mehr zwischen zwei Zombie-Filmen verstreichen - bis "Diary of the Dead" gerade mal zwei..
George A. Romero begründete mit "Die Nacht der lebenden Toten" 1968 das Genre des Horrorfilms neu. "Survival of the Dead" reiht sich harmonisch in sein bisheriges Schaffen. Die Zombies bewegen sich marionettenartig und monoton vorwärts, so dass fast keine Gefahr von ihnen ausgeht. Gefährlich sind hingegen die Menschen, welche die Zombies bekämpfen, in Wahrheit aber lieber die Lebenden hinrichten würden. Romeros Gesellschaftskritik kommt auch hier wieder zur Geltung.
2024