Prokino Filmverleih
Erste große Kinorolle
Nathalie Press über homoerotische Gefühle
Interview: Ein Freak im Anmarsch
Zwei Mädchen lernen sich in der idyllischen Landschaft von West Yorkshire kennen und lieben. Eine Affäre entspinnt sich, die ihren eigenen Horizont erweitert und Männer zur Weißglut treibt. Doch eines Tages nehmen die Dinge einen anderen Lauf als erwartet. In Berlin lernten wir die englische Hauptdarstellerin Natalie Press (23) näher kennen.
erschienen am 29. 06. 2005
Ricore: Mrs. Press, was genau hat Sie an der Freundschaft zweier Mädchen gereizt, die in ihren ersten homoerotischen Erfahrungen schwelgen? Nathalie

Press: Mich faszinierte die Buchvorlage und die bisherigen Arbeiten des Regisseurs Pawel Pawlikowski. Für ihn hätte ich jede Rolle gespielt. Dass die beiden Girls eine Romanze haben, stört mich nicht weiter. Story und Charaktere sind genial, warum sollte ich so etwas ablehnen? Anders als im Buch konzentrieren wir uns ausschließlich auf die Beziehung der beiden Mädchen, lassen den sozialen Background außen vor. Wir wollten eine zeitlose Geschichte schaffen, die auch persönliche Merkmale von mir trägt.

Ricore: Zum Beispiel?

Press: Meine Leidenschaft für die Malerei. Meine Mutter ist Künstlerin, sie hat es mir von früh auf beigebracht. Als der Regisseur bemerkte, dass ich einige Typen aus der Filmcrew gemalt hatte, brachte er das direkt in die Story mit ein.

Ricore: Wie haben Sie sich mit Ihrer Filmpartnerin auf die Liebesszenen vorbereitet?

Press: Indem wir uns in langen Gesprächen miteinander vertraut machten. Ich denke, dass es sich hier auch gar nicht um eine wirklich lesbische Beziehung handelt. Die Girls sind einfach nur sauer und von Männern gelangweilt. Ein bisschen wollen sie vielleicht auf einen Skandal provozieren, aber eigentlich stehen sie eher auf Jungs. Für mich ist es die Geschichte einer einmaligen Erfahrung, die die beiden durchmachen.

Ricore: Bei Frauen kommt so etwas öfter vor als zwischen zwei Männern...

Press: Es war schon immer chic, wenn sich zwei Frauen geküsst haben. Frauen provozieren damit, reizen Männer heraus. Immerhin sind zwei sich küssende Frauen das Nonplusultra der meisten männlichen Träume. Bei Männern ist das anders. Da wird sofort gemunkelt, wenn sie auch nur enger befreundet sind. Die Affäre war gut, um den Charakter meiner Rolle auszuarbeiten. Mona ist sehr intuitiv, stürzt sich bedingungslos in Beziehungen hinein - unabhängig von Geschlecht und Konventionen.
Ricore: Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten "My Summer of Love"?

Press: Das war, als ich zum ersten Mal in Nachtclubs gehen durfte. Ich trieb mich damals viel auf Technopartys rum. Für mich wie eine Offenbarung. Romantische Liebeleien in der Natur kenne ich aber nicht. Der Dreh war aber in gewisser Weise mein ganz persönlicher "Summer of Love". Ich habe keine Schauspielausbildung, schaffte es mit dutzenden von Briefen und Theateraufführungen, einen eigenen Agenten zu bekommen. Bis zu "My Summer of Love" hatte ich aber praktisch nur kleine TV-Auftritte. Der Dreh war deswegen für mich eine umwerfende Erfahrung.

Ricore: Sind Sie ehrgeizig?

Press: Und ob! Ich habe einfach keine Lust mehr, auch nur einen einzigen Tag als Kellnerin arbeiten zu müssen. Aber sicher kann man sich nie sein. Wenn man den Beruf eines Schauspielers einschlägt, muss man die Unsicherheit dieses Jobs akzeptieren. Ich habe "Method-Acting"-Kurse besucht, die haben mein Selbstbewusstsein gestärkt. Jetzt weiß ich, was ich kann - auch wenn ich in meinem Bewusstsein noch weit von der Überzeugungskraft einer Hollywoodschauspielerin entfernt bin.

Ricore: Penélope Cruz wird Ihnen da einige Tipps geben können, wenn Sie demnächst gemeinsam das Drama "Chromophobia" drehen.

Press: Ich spiele zwar nur eine kleine Rolle, bin aber trotzdem sehr gespannt auf die Zusammenarbeit. Ralph Fiennes und Kristin Scott Thomas spielen auch mit. Was das für meine Karriere bedeutet, kann ich aber jetzt noch nicht sagen.

Ricore: Wo sehen Sie Ihre Marktlücke?

Press: In Rollen von Freaks und seltsamen Girls. Ich würde ja gerne mal eine normale Rolle spielen, aber meistens besetzt man mich immer nur für die verqueren Personen. Vielleicht liegt es an meinem Aussehen, vielleicht auch an meiner Persönlichkeit. Ich bin sehr offen, stürze mich ohne Furcht in Situationen hinein.

Ricore: Die perfekte Voraussetzung für eine Beziehung?

Press: Die habe ich aber nicht! In England muss man sich als Frau einen Typen angeln, sie kommen nicht so oft auf dich zu. Ich arbeite zuviel, habe dafür eigentlich keine Zeit. Würde ich mir einen Mann zulegen, müsste der schon ein Prachtstück von Partner sein. Stark, flexibel und besessen.

Ricore: Was ist "sexy" für Sie?

Press: Talent und Erfolg. Exzessives Lachen oder inbrünstiges Weinen. Und zu guter Letzt: Eine stattliche Statur mit starken Schultern.

Ricore: Haben Sie eine Idealwelt, auf die Sie hinarbeiten?

Press: Eine einsame Ranch irgendwo vor Los Angeles. Ich male den ganzen Tag und meine drei Kinder turnen um mich herum. Irgendwann will ich Stabilität, einen Mann, eine Familie. Nur weiß ich noch nicht so genau, wie sich das mit meinem Beruf vereinbaren lässt.
erschienen am 29. Juni 2005
Zum Thema
Mona (Nathalie Press) ist ein junges rothaariges Mädchen aus Yorkshire. Sie lebt mit ihrem Bruder Phil (Paddy Considine) zusammen und hat gelegentlich schlechten Sex mit einem verheirateten Mann. Monas Alltag ist alles anders als aufregend. Anders ergeht es Tamsin (Emily Blunt), die aus wohlbehüteten Kreisen stammt. Im Laufe eines heißen Sommers lernen sich die unterschiedlichen Mädchen kennen und lieben. Doch jeder Sommer hat ein Ende. Pawel Pawlikowski hat mit "My Summer of Love" ein..
2024