Fox-Warner
Regisseur Marc Webb
Besser als Sam Raimi?
Interview: Marc Webb selbstbewusst
Um den Regie-Posten bei "The Amazing Spider-Man (3D)" zu ergattern, hat Marc Webb seinen Nachnamen geändert. Dies behauptet er mit einem Augenzwinkern im Gespräch mit Filmreporter.de. Zudem erzählt der sympathische Amerikaner, weshalb er den Vergleich mit Sam Raimis "Spider-Man"-Trilogie nicht scheut, was Peter Parker von anderen Superhelden unterscheidet und wie es war, nach seiner Independent-Komödie "(500) Days of Summer" in neuen Größenordnungen denken zu müssen.
erschienen am 26. 06. 2012
Sony Pictures
The Amazing Spider-Man (3D)
Ricore: Herr Webb, durften Sie "The Amazing Spider-Man (3D)" aufgrund Ihres Nachnamens inszenieren?

Marc Webb: Natürlich. Um meine Chancen zu erhöhen, habe ich ja meinen Namen geändert. Vorher hieß ich Walski [lacht].

Ricore: Wie lange haben Sie überlegt, als Ihnen "The Amazing Spider-Man (3D)" angeboten wurde?

Webb: Zunächst war ich über das Angebot etwas verwundert, zumal ich dem Reboot erst etwas skeptisch gegenüber stand und mich wie viele Fans fragte: "Wie kann man "The Amazing Spider-Man (3D)" machen, ohne dass es langweilig wird und wie eine billige Kopie der Sam Raimi-Filme aussieht? Welche neuen Wege muss ich einschlagen?" Ich habe über diese Fragen eine gewisse Zeit nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich mir überhaupt keine Sorgen machen muss.

Ricore: Warum?

Webb: Ich muss keine Angst haben, weil die Historie der Comics noch unendlich viele unbehandelte Aspekte bereithält. Bei "Harry Potter" gibt es sieben Bücher und das war es. "Spider-Man" kann hingegen auf eine über 50-jährige Comicepoche und tausende Geschichten, Charaktere, Zeichner, Stimmungen, Ausrichtungen und so weiter zurückblicken. Kurzum: Es gab bereits so viele Neuerfindungen des Charakters, dass es überhaupt keinen Grund gab, weshalb ich die Geschichte Spider-Mans nicht auch neu erzählen könnte. Außerdem sagte der 17-jährige in mir: "Willst du mich verarschen? Du musst einen neuen "Spider-Man"-Film drehen!" Aber natürlich kann ich nachvollziehen, dass einige zunächst denken: "Warum dreht der einfach ein "Spider-Man"-Remake? Wir brauchen so etwas nicht!". Aber wenn die Leute den fertigen Film sehen, werden sie verstehen, dass ich eigentlich kein Remake gemacht habe, sondern schlicht Facetten von Peter Parker aufzeige, die von den bisherigen Filmen noch nicht beleuchtet wurden.

Ricore: Fühlten Sie während der Dreharbeiten viel Druck von außen, beispielsweise seitens der Fans?

Webb: [Ironisch] Nein, überhaupt nicht!
Sony Pictures
The Amazing Spider-Man
Ricore: Dann erklären Sie mir bitte, wie man bei solch einem wichtigen und finanzstarken Projekt keinen Druck verspüren kann.

Webb: Nein, das kann ich nicht. Aber im Ernst: Natürlich habe ich einen gewissen Druck gespürt. Aber Druck, Nervosität und Aufregung spielen immer zusammen. Sie sind Teil derselben Emotion. Als Typ bin ich eher jemand, der gerne mal ein Risiko eingeht und zur Not auch mal ein Sperrfeuer der Kritik aushält. Der Druck gefällt mir auch insofern, als er mich antreibt, meine Arbeit stets noch besser zu machen und die Erwartungen der Menschen übertreffen zu wollen.

Ricore: Wie kann man sich demnach Ihre Herangehensweise an "The Amazing Spider-Man (3D)" vorstellen?

Webb: Zunächst hatte ich es für eine gewisse Zeit vermieden online für den Film zu recherchieren. Ich sprach zunächst lediglich mit Amy Pascal, Avi Arad und Laura Ziskin. Wir waren einfach Leute, die in einem geschlossenen Raum über einen möglichen Film sprachen. Es war eine abstrakte Situation. Danach haben wir für einige Monate am Drehbuch gearbeitet. Das ist zwar schon etwas konkreter, aber noch immer abstrakt. Am ersten Drehtag stand ich dann plötzlich am Set, an dem sich neben mir noch über 600 andere Leute aufhielten. Zudem gab es eine zwei Meilen lange Lastwagenkolonne und das riesige 3D-Equipment. In dem Moment war alles, was vorher nur in meiner Vorstellung existierte, plötzlich real. Ich musst das Abstrakte gegen das Konkrete auswechseln. Erschwerend kamen Paparazzi hinzu, die unerlaubt Fotos machten und online über dich urteilten, ohne dass sie etwas vom Film gesehen hätten. Das war dann der Moment, wo alles begann etwas verrückt, chaotisch und nervenaufreibend zu werden. Plötzlich realisierte ich, dass "Spider-Man" einfach überall ist.

Ricore: Was war das inspirierendste Erlebnis während der Arbeit an "The Amazing Spider-Man (3D)"?

Webb: Vor zwei Jahren war ich bei einem Treffen der Werbeabteilung des Films. Einer der Teilnehmer sagte etwas sehr Interessantes, als man darüber sprach, weshalb "Spider-Man" auf der ganzen Welt so erfolgreich ist. Die Person machte darauf aufmerksam, dass Spider-Man der einzige Superheld ist, dessen Haut komplett verdeckt ist. Insofern sei es egal, ob man aus Mexiko, Asien oder Europa komme, jeder hat die gleiche Chance sich vorstellen zu können Spider-Man zu sein. Diese Aussage hat mich daran erinnert, wie nahe uns Spider-Man ist und welche Verantwortung wir deshalb als Filmemacher gegenüber den Leuten haben, vor allem jungen Menschen, wenn wir "Spider-Man" erneut auf die Kinoleinwand bringen.

Ricore: Wie war es am "Spider-Man"-Set plötzlich in großen Dimensionen denken zu müssen - im Vergleich zu Ihren bisherigen Projekten?

Webb: Das Ganze war ein Lernprozess. Zum Glück hatte ich genügend Zeit in der Vorproduktion, so dass ich alles genau vorbereiten konnte. Denn es gab Dinge, die in meiner Vorstellung extrem simpel waren, in der Umsetzung jedoch überaus kompliziert. Wir haben beispielsweise in den Universalstudios sechs Wohnblöcke nachgebaut. Ich war mir erst gar nicht bewusst, wie viele Details ich dabei zu beachten hatte. Zum Glück hatte ich jedoch genügend Leute vor Ort, die Filme solcher Dimension bereits gemacht hatten und mir dadurch bei der Umsetzung besonders gut helfen konnten. Oft wusste ich genau was ich wollte, hatte aber keine Ahnung, wie man das umsetzen könnte. So fand mein Lernprozess vor allem in der logistischen Arbeit statt und in der Tatsache, den Leuten noch genauer als sonst sagen zu müssen, wie ich die Dinge haben möchte, damit alles reibungslos funktioniert und die Mitarbeiter genügend Zeit haben, um meine Vorstellungen umzusetzen.
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Marc Webb bei den Dreharbeiten zu "The Amazing Spider-Man (3D)"
Ricore: Wie hoch war das Budget von "The Amazing Spider-Man (3D)"?

Webb: 48 Euro. Okay, ich gebe es zu: Ich habe keine Ahnung.

Ricore: Wie viele der Szenen in denen sich Spider-Man durch New York schwingt, konnten mit klassischen Spezialeffekten gedreht werden?

Webb: Die Szene wo Peter Parker vor den Polizisten wegläuft, konnte fast komplett mit klassischen Effekten gemacht werden. Es gab dabei nur kleine Einschränkungen. Das hin- und herschwingen Garfields hat immer dreimal hintereinander funktioniert, bis er sein physisches Momentum verloren hat. Danach mussten wir von vorne beginnen, um aus einem anderen Blickwinkel der Brücke drehen zu können. Ich kann nicht einschätzen, welcher Anteil der Stunts real gefilmt wurden. Aber in der ersten Hälfte des Films, war es der größere Teil.

Ricore: Wie verhält es sich in der zweiten Hälfte?

Webb: Die Informationen von unserem Brücken-Dreh nutzten wir, um sie an die Computeranimatoren weiterzugeben. Darüber hinaus benutzten wir das Motion Capture-Verfahren und andere Dinge, um die Schauspieler in eine Situation zu bringen, in der sie glauben wirklich von Haus zu Haus schwingen. Von Anfang an war es mir sehr wichtig, das "Spider-Man"-Universum sowohl in physikalischer, als auch in emotionaler Hinsicht so bodenständig und realistisch wie möglich zu gestalten. Die Sache die dazu führt, dass du glaubst, dass alles was du siehst real ist, ist, dass wir auf physikalische Genauigkeiten geachtet haben, seien es die Falten im Kostüm, die merkwürdigen Kopfbewegungen Spider-Mans oder das Schleudern seiner Beine.

Ricore: Warum ist für Sie Realismus ein so wichtiger Aspekt?

Webb: Durch einen verstärkten Realismus kann man den Zuschauer emotional besser an die Protagonisten binden. Zudem wirken durch ein größeres Realitätsgefühl auch die Action-Szenen intensiver.

Ricore: Wir sprachen vorhin über die Haut Spider-Mans, die ihn zu etwas Universellem macht. Haben Sie zu irgendeinem Zeitpunkt daran gedacht, die Hauptrolle in "The Amazing Spider-Man (3D)" mit einem Afroamerikaner oder einem Asiaten zu besetzen?

Webb: Wir haben vorher nicht gesagt: "Es darf keinen schwarzen Spider-Man geben!" Es ergab sich einfach nicht, dass ein Afroamerikaner oder ein Asiate in die engere Wahl für die Besetzung der Hauptrolle kam. Aber in den aktuellen Comics gibt es jetzt ja einen schwarzen Spider-Man. Das finde ich großartig!

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 26. Juni 2012
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