20th Century Fox
"Ruby Sparks"-Regisseure Jonathan Dayton und Valerie Faris am Set
Keine Angst vor Kontrollverlust
Interview: Jonathan Dayton und Valerie Faris vereint
Wenn man Jonathan Dayton und Valerie Faris begegnet, weiß man: die beiden gehören zusammen! Sie lachen über dieselben Dinge, beenden die Sätze des anderen und geben mitunter zeitgleich dieselbe Antwort. Ideale Voraussetzungen für eine glückliche Ehe und eine kreative Zusammenarbeit. In ihrem zweiten gemeinsamen Spielfilm "Ruby Sparks - Meine fabelhafte Freundin" ergründen die beiden die ungleichen Machtverhältnisse einer Liebesbeziehung zwischen einem Schriftsteller und seiner zum Leben erwachten Romanfigur. Der passende Stoff für ein Regiepaar, bei dem kreatives Schaffen und privates Glück Hand in Hand gehen. Im Interview mit Filmreporter.de sprechen die beiden sympathischen Filmemacher über Kontrolle, Vertrauen und die Dynamik ihrer Beziehung.
erschienen am 27. 11. 2012
20th Century Fox
Ruby Sparks - Meine fabelhafte Freundin
Ricore: Was hat Sie an dem Drehbuch zu "Ruby Sparks" angesprochen?

Valerie Faris: Uns gefiel, dass das Drehbuch eine eigene Identität hatte. Wir mögen es, wenn es von einem Autor stammt und nicht fünf verschiedene Verfasser am Werk waren. Zudem fanden wir es toll, dass Zoe [Kazan] ein Drehbuch geschrieben hat, dass trotz der phantastischen Elemente eine schlichte Geschichte erzählt. Interessant ist auch, wie darin das Thema Beziehungen beleuchtet wird.

Jonathan Dayton: Die Prämisse ist phantastisch, doch die Geschichte ist sehr menschlich.

Ricore: Es gibt eine interessante Parallele zwischen Ihnen und dem Protagonisten von "Ruby Sparks". Während er nach seinem gefeierten Romandebüt mit dem Schreiben seines zweites Buchs hadert, ist dies für Sie der lang erwartete zweite Film nach dem erfolgreichen "Little Miss Sunshine". Wie groß war der Druck bei Ihnen?

Faris: Für uns ist jeder Film eine große Herausforderung, ganz gleich, ob es der zehnte oder erste ist. Das Gute daran ist, dass man so sehr mit dieser Herausforderung beschäftigt ist, dass man keine Zeit hat, darüber nachzudenken [lacht].

Dayton: Es ist witzig, dass er sich in einer ähnlichen Situation wie wir befindet, doch für uns war's nicht einschüchternd. Wir haben seit "Little Miss Sunshine" an verschiedenen Filmen gearbeitet, nur dass die anderen nicht realisiert wurden...

Faris: ...und dieser schon [lacht].

Dayton: Wir haben ein zweites Karrierestandbein als Regisseure von Werbeclips. So haben wir den Vorteil, dass wir warten können, bis wir ein geeignetes Filmprojekt finden...

Faris: ...einen Film, bei dem man das Gefühl hat, dass alles stimmt. Wir mochten die Ironie und konnten uns mit dem Protagonisten Calvin identifizieren. Es hilft uns, wenn wir verstehen, wie die Charaktere empfinden und was sie durchmachen müssen.

Ricore: Welche Vorteile hat man, wenn man zu zweit Regie führt?

Dayton: Es gibt viele Vorteile. Es ist toll, wenn man mit jemandem vom anderen Geschlecht zusammenarbeitet, vor allem, wenn man eine Geschichte über Liebe und Kontrolle erzählt.

Faris: Wir arbeiten schon so lange zusammen und haben jeden Film zusammen gemacht. Wir kennen es nicht anders. Es ist toll, weil wir nicht so sehr über uns selbst nachdenken. Es geht mehr um die Arbeit, als um uns. Zudem kann man Probleme besser lösen, da ihm Dinge einfallen, auf die ich nicht kommen würde. Manchmal interpretiert er auch etwas, das ich sage, auf eine andere Weise, als es gemeint war, wodurch sich aber ebenfalls neue Möglichkeiten ergeben. Es gibt also mehr Raum für positive Missverständnisse [lacht].

Dayton: Zudem ist es ein sehr schwieriges Business. Manchmal sitzt man mit dem Produktionsstudio in einem Meeting und hört etwas, das lächerlich ist. Sobald man aus der Tür geht, kann man seinem Partner sagen: 'Hast du das gehört? Sind die verrückt oder bin ich es?' [lacht]

Faris: Außerdem kann man in einem Meeting mit vereinten Kräften widersprechen. Das hilft. Doch auch Filmemacher, die allein Regie führen, kollaborieren mit anderen, etwa mit dem Kameramann. Unsere Beziehung unterscheidet sich nicht allzu sehr von den Beziehungen, die andere Regisseure führen.
20th Century Fox
Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin: Zoe Kazan wird zu "Ruby Sparks - Meine fabelhafte Freundin"
Ricore: Ist es ebenfalls von Vorteil, dass Drehbuchautorin Zoe Kazan im Falle von "Ruby Sparks" auch die Hauptdarstellerin ist und sich somit immer am Set aufhielt?

Faris: Zunächst waren wir unsicher, weil sie Hauptdarstellerin, Autorin und Produzentin des Films ist und einen sehr starken Willen hat. Doch wir haben mit ihr bereits neun Monate vor Drehbeginn zusammengearbeitet und konnten so schon im Vorhinein eine tolle Beziehung zu ihr aufbauen, da sie sehr flexibel und hilfsbereit ist. Es war hilfreich, dass wir sie bitten konnten, etwas umzuschreiben, wenn es nicht funktioniert hat.

Dayton: Wobei wir bereits vor dem Drehen die Szenen mit den Schauspielern erarbeiten, so dass wir am Set so wenig wie möglich umschreiben müssen. Denn dort wollen wir uns auf andere Dinge konzentrieren.

Faris: Bei einem Film mit geringem Budget hat man wenig Zeit und will keine Stunde am Set mit etwas verschwenden, was man schon Wochen vorher hätte klären können.

Ricore: In "Ruby Sparks" kann der Autor seine zum Leben erwachte Romanheldin dazu bringen, ihm jeden Wunsch zu erfüllen. Wie reizvoll wäre es für Sie, Ihren Partner ebenso leicht kontrollieren zu können?

Dayton und Faris zugleich: Diese Art von Kontrolle zu haben?

Dayton: Das ist kein Traum von uns, aber ein interessantes Thema, das wir ausloten wollten. Zur Vorbereitung haben wir uns zu Hause...

Faris: ...gegenseitig Befehle gegeben.

Dayton: ...was wir normalerweise nicht machen, das kann ich Ihnen garantieren [lacht]. Doch es war sehr interessant...

Faris: ... es war sehr interessant, da es eigentlich keinen Spaß macht, jemandem zu sagen, was er exakt zu tun hat. Der Reiz einer Beziehung liegt darin, dass dich der Partner überrascht.

Dayton: Das ist wie beim Regieführen. Du willst deine Schauspieler nicht wie ein Puppenspieler kontrollieren. Du ermunterst sie, den Dingen auf den Grund zu gehen und willst, dass sie dich überraschen. Das Schöne an der Liebe und der Kreativität ist die Überraschung.

Faris: Wir fanden die Geschichte auch deshalb so interessant, weil sie der Frage nachgeht, wie wünschenswert es ist, die Macht zu haben, alles kontrollieren zu können.

Ricore: Haben Sie in Ihren Beziehungen schon mal die Erfahrung gemacht, dass der eine den anderen zu kontrollieren versucht?

Faris: In unserer Beziehung sind wir gleichberechtigt. Die Machtverhältnisse sind immer sehr ausgeglichen. Was frühere Beziehungen angeht, sind wir schon so lange zusammen, dass ich mich kaum noch erinnere [lacht].

Dayton: Ich erinnere mich, wie attraktiv Valerie für mich war, da ich bei ihr das Gefühl hatte, dass sie eine gleichberechtigte Partnerin ist.
20th Century Fox
Die beiden Hauptdarsteller Zoe Kazan und Paul Dano in "Ruby Sparks - Meine fabelhafte Freundin"
Ricore: In gewisser Weise funktioniert "Ruby Sparks" als subversiver Kommentar auf das Genre der romantischen Komödie, in der es meist darum geht, den perfekten Traumpartner zu finden.

Dayton: Dieser Aspekt war sicherlich reizvoll für uns.

Faris: Wir fanden es interessant, wie der Film die Genres ein wenig vermischt. Er entwickelt sich von einer romantischen Komödie zu einem etwas dramatischeren Film. Es war kein bewusster Kommentar auf das Genre der romantischen Komödie, aber wir fanden es interessant, dass die Beziehung anders verläuft als in den meisten romantischen Komödien.

Ricore: Romantische Komödien haben unsere Vorstellung von Liebesbeziehungen stark geprägt...

Dayton: Absolut.

Faris: Ja, unsere Vorstellungen von Liebe und Beziehungen werden heutzutage von Filmen und Geschichten beeinflusst. Wir alle haben eine fiktionalisierte Version des jeweils anderen im Sinn. Kenne ich Jonathan wirklich oder habe ich eine eigene, fiktive Vorstellung von ihm?

Dayton: Ich denke, dass wir oft gerne mit jemandem zusammen sind, weil uns die Vorstellung gefällt, die derjenige von uns hat. Man will sich selbst so sehen, wie man von der Person gesehen wird.

Faris: Und man will nicht, dass sie dein wahres Ich sehen [lacht]. Es ist interessant, wie man auf andere Menschen wirkt, auch wenn man nicht unbedingt wirklich so ist. Bei dem Film wollten wir das auch haben. Wir wollten keine klare Trennung zwischen Phantasie und Wirklichkeit. Es sollte sich vermischen, so wie wir es auch im wahren Leben empfinden.

Ricore: Können Sie sich mit einem der Charaktere des Films besonders identifizieren?

Faris: Mit Calvin können wir uns nicht so sehr in Bezug auf Beziehungen identifizieren [lacht]. Doch im Hinblick darauf, die Dinge kontrollieren zu wollen, versucht man als Künstler immer eine Balance zu finden zwischen dem, was man kontrollieren kann und was man einfach passieren lassen will. In der Hinsicht können wir uns mit ihm identifizieren.

Dayton: Ich identifiziere mich mit jedem der Charaktere. Das Schöne am Filmemachen ist, dass man zu jeder Figur eine Beziehung aufzubauen versucht.

Ricore: Wann waren Sie das letzte Mal vom jeweils anderen überrascht?

Faris: [nachdem beide gelacht und eine Weile überlegt haben] Man wird immer wieder von kleinen Dingen überrascht, etwa, wenn man nicht wusste, dass der andere den Text eines bestimmten Songs kennt [lacht].

Dayton: Es sind keine großen Überraschungen, sondern eher kleine Dinge, die einem immer wieder auffallen. [zu Valerie Faris] Bei einem Ausflug mit unseren drei Kindern etwa war ich einfach erstaunt darüber, was für eine großartige Mutter du bist.

Faris: Er war überrascht ... [lacht]

Dayton: Nein, ich weiß, dass du eine gute Mutter bist, doch bei dem Ausflug habe ich gesehen, wie gut und wie hart du arbeitest und wie selbstlos du bist.
20th Century Fox
Eingespieltes Duo: Valerie Faris und Jonathan Dayton am Set von "Ruby Sparks"
Faris: Die Überraschungen kommen bei uns oft bei der Arbeit zum Vorschein, etwa wenn er beim Versuch, ein Problem zu lösen, etwas Witziges sagt. Solche Überraschungen kommen immer wieder vor und es ist ein Zeichen für eine gute Beziehung.

Ricore: Wie schwer war es, Antonio Banderas und Annette Benning für die kleinen Nebenrollen zu gewinnen, die sie im Film spielen?

Dayton: Es war nicht schwierig, aber wir hatten uns deswegen Sorgen gemacht. Doch sie waren wundervoll. Interessanterweise befinden sich beide an einem Punkt in ihrer Karriere, an dem sie Dinge einfach ausprobieren wollen. Antonio hat gesagt, dass er Spaß haben will und Dinge machen möchte, die ihm am Herzen liegen. Die beiden waren ein paar Tage am Set und hatten eine tolle Zeit.

Faris: In gewisser Weise hatten wir eher die Sorge, dass man als Zuschauer vom Film abgelenkt wird, wenn auf einmal große Stars auftauchen. Doch für die Charaktere war es richtig, so dass es funktioniert hat. Das Casting ist eine knifflige Angelegenheit, vor allem bei Filmen mit geringem Budget, da auch für kleine Filme große Stars gefordert werden [lacht].

Ricore: Ist das Ausprobieren neuer Dinge auch ein gutes Rezept für eine glückliche Ehe?

Faris: Ich denke schon. Sich selbst Herausforderungen zu stellen, bei denen man sich nicht so sicher fühlt, ist hart, aber wichtig.

Dayton: Es verleiht dir Stärke, wenn du dich neuen Herausforderungen stellst und einen Partner hast, dem du traust. Du traust der Beziehung und kannst neue Herausforderungen annehmen...

Faris: ...statt neuer Partner [lacht].

Ricore: Sie scheinen eine tolle Beziehung zu führen. Wie haben Sie sich kennengelernt?

Faris: Wie viel Zeit haben Sie...? [lacht]

Dayton: Wir haben uns auf dem College kennengelernt, doch da waren wir noch kein Paar.

Faris: Wir haben sechs Jahre zusammengearbeitet...

Dayton: ...und hatten beide andere Beziehungen. Als wir dann irgendwann wieder Singles waren, gingen wir zusammen ins Kino und...

Faris: Ich sagte, dass es eine schlechte Idee wäre, mit der Person, mit der man zusammenarbeitet, eine Beziehung zu führen. Meine Freunde sagten auch, dass ich meine Arbeit aufs Spiel setzen würde, doch irgendwie ist es einfach passiert.

Dayton: Mir war einfach klar, dass ich sie liebte.

Ricore: Vielen Dank für das Gespräch.
erschienen am 27. November 2012
Zum Thema
Bereits zu Beginn seiner Schriftstellerkarriere wird Calvin (Paul Dano) von der Kritik frenetisch gefeiert. Gespannt wartet die Literaturszene auf sein nächstes Buch. Allerdings hat der junge Autor mit einer Schreibblockade zu kämpfen. Hauptdarstellerin Zoe Kazan hat auch das Drehbuch zur Komödie geschrieben. Die von Jonathan Dayton und Valerie Faris inszenierte Geschichte ist eine kluge und witzige Reflexion über die Abgründe männlicher Phantasien.
2024